Gewalt auf Lesbos

Berichterstattung inmitten des Ausnahmezustands

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Gewalt bei Zusammenstößen zwischen Protestierenden und Polizisten in der Nähe von Karava auf Lesbos. Hier soll ein neues Flüchtlingslager entstehen.
Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Polizisten in der Nähe von Karava auf Lesbos. Hier soll ein neues Flüchtlingslager entstehen. © imago images / Zuma Press / Eurokinissi
Panajotis Gavrilis im Gespräch mit Katja Bigalke und Markus Richter · 07.03.2020
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Journalisten und Polizisten werden auf Lesbos angegriffen, Flüchtlingslager in Brand gesteckt. Befeuert werde die negative Stimmung gegenüber Flüchtlingen auch durch die Berichterstattung in den griechischen Medien, meint Reporter Panajotis Gavrilis.
Auf Lesbos spitzt sich die Lage zu: Auffanglager im Norden der Insel wurden in Brand gesetzt. Wegen der zunehmenden Gewalt gegen Mitarbeiter haben mehrere Hilfsorganisationen bereits ihre Aktivitäten auf Lesbos eingestellt und ihr Personal abgezogen. Auch mehrere Journalisten, die über die Gewalt gegen Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer berichten wollten, seien laut Reporter ohne Grenzen angegriffen worden.

Wer nicht von der Insel stammt, ist nicht willkommen

Insgesamt herrsche schon seit etwa fünf Jahren eine sehr aufgeheizte Stimmung auf der Insel Lesbos, meint Deutschlandfunk-Kultur-Journalist Panajotis Gavrilis, der von vor Ort berichtet. "Das ist jetzt natürlich noch einmal befeuert worden, dadurch, dass die Regierung angekündigt hat, noch neue Camps dort errichten zu lassen, auf Lesbos und Chios, Ausreisecamps." Dagegen leiste die Bevölkerung "extremen Widerstand".
"Es gab Straßenschlachten mit der Polizei, es wurden Zufahrtswege blockiert, Polizisten angegriffen. In die Hotels, in denen die Polizisten schliefen, sind Bewohner eingedrungen, haben alle Sachen rausgeschmissen, von den Polizisten." Egal ob Polizisten, Flüchtlinge, NGO-Mitarbeiter, Ärzte oder Journalisten: Alle, die nicht von der Insel kommen, seien den Inselbewohnern mittlerweile "ein Dorn im Auge", so Gavrilis.

Rechte Kräfte im Aufwind

Doch nicht nur auf der Insel Lesbos spitzt sich die Lage zu: Übergriffe auf Journalisten gebe es in ganz Griechenland immer wieder, sagt Gavrilis – vor allem von Seiten der Sympathisanten der rechtsextremen Partei Goldene Morgenröte. "Das ist leider trauriger Alltag."
Befeuert werde die negative Stimmung gegenüber Flüchtlingen auch durch die Berichterstattung in den griechischen Medien. "Wir haben in Griechenland eine Medienlandschaft, die stark vom staatlichen Rundfunk geprägt ist, der unter Einfluss der Regierung steht." Dieser und auch die stark monopolisierten Privatmedien würden Narrative wie "Wir schützen unsere Grenzen" bedienen und von Flüchtlingen als "Eindringlinge" sprechen, so Gavrilis. "Man muss sagen, extrem rechte Kräfte haben gerade einfach Aufwind in Griechenland. Und die nutzen das gerade aus." Auch in den sozialen Medien herrsche ein extrem rauer Ton. "Griechische Journalisten, die kritisch berichten, werden als 'Volksverräter' markiert."

Valide Informationen zu erhalten, ist schwer

Insgesamt sei die Berichterstattung über die Situation an der griechisch-türkischen Grenze und auf den Inseln extrem schwierig, sagt Gavrilis. Denn es herrsche eine Art Kampf um die Deutungshoheit und Authentizität der Bilder; von Seiten der türkischen Regierung, der griechischen Regierung und populistischer Gruppen. "Wir versuchen zumindest, halbwegs valide Informationen und einen halbwegs vernünftiges Bild zu bekommen. Es ist de facto gerade nicht möglich."
(dpa/ afpd / lkn)
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