Gesundheitswesen

Gläserne Krankenakten für die Forschung

04:42 Minuten
Illustration mit unterschiedlichem Gesundheitspersonal bei der Analyse digitaler Daten.
Der Entwurf für das "Digitale-Versorgungs-Gesetz" aus dem Hause von Gesundheitsminister Jens Spahn sorgt für Kritik. © imago images / Ikon Images
Peter Welchering im Gespräch mit Dieter Kassel |
Audio herunterladen
Bundesgesundheitsminister Spahn plant ein Gesetz, das die Weitergabe von Patientendaten an Forschungslabore erlaubt. Ohne Einwilligung der Betroffenen. Davon profitierten kriminelle Datenhändler und die Pharmaindustrie, kritisiert Journalist Peter Welchering.
Am 7. November wird im Bundestag über das sogenannte Digitale-Versorgungs-Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) abgestimmt. Ein Passus daraus sorgt für große Aufregung: Spahns Gesetz sieht nämlich vor, dass die Daten der 73 Millionen gesetzlich Versicherten künftig an die Forschung weitergeleitet werden sollen, ohne ihr Einverständnis einzuholen.
Aus Sicht der Kritiker besonders bedenklich: Die Patientendaten werden unverschlüsselt und nicht anonymisiert bis zum Spitzenverband der Krankenkassen geleitet. Und von dort in Forschungslabore an Universitäten, Institute und unter Umständen auch in die Labore der Pharmaindustrie. Und inwieweit die Daten anonymisiert weitergeleitet werden, ist nicht klar.

Kriminelle Datenhändler warten schon

Für den Wissenschaftsjournalisten Peter Welchering ist dieser Vorgang nicht nur bedenklich, sondern auch gefährlich. Spahns Initiative verstoße offenbar nicht einmal gegen den bestehenden Datenschutz in Deutschland.
Abgesehen davon, dass Patienten demnach nicht nach der Freigabe ihrer Patientendaten gefragt werden müssten, bestehe auch ein großes Risiko, dass die Daten in falsche Hände gerieten: So würden etwa die Datensysteme von Universitätskliniken sehr häufig gehackt. Dies öffne kriminellen Datenhändlern, die in den Besitz von Patientenprofilen kommen wollten, Tür und Tor. Vor zwei Jahren etwa sei der Fall eines deutschen Politikers bekannt geworden, der mit seinen Patientendaten erpresst worden sei. Solche Fälle könnten sich häufen.
Welchering weiter: "Wir reden hier aber auch über die Pharmaindustrie – das ist ausdrücklich nicht ausgeschlossen. Und die Pharmaindustrie hat an diesem Gesetz natürlich ein sehr, sehr großes Interesse. Denn bisher hat die Pharmaindustrie solche Daten in der Regel entweder über ihre Mitarbeiter bekommen oder aber aufkaufen müssen von Marktforschungsunternehmen."
Diese wiederum hätten die Versichertendaten bislang von den Abrechnungszentren bekommen. Deshalb wäre das geplante Gesetz "ein großer Erfolg für die Pharmaindustrie".

Verstoß gegen europäisches Recht?

Der Wissenschaftsjournalist sieht dennoch eine kleine Chance, juristisch dagegen vorzugehen. Denn die Tatsache, dass Patienten nicht gefragt würden, ob ihre Daten verwendet und weitergeleitet werden, verstoße möglicherweise gegen EU-Recht: "Da sehe ich tatsächlich einen rechtlichen Hebel, im Sinne der europäischen Datenschutzgrundverordnung dagegen vorzugehen."
(mkn)
Mehr zum Thema