Gesetz gegen Hass und Hetze

"Das ist keine gute Lösung"

06:10 Minuten
Anke Domscheit-Berg bei einer Rede im Deutschen Bundestag.
"Man redet von 150.000 Verfahren im Jahr, die zusätzlich auf unsere Justiz zurollen", sagt Anke Domscheit-Berg, die für Die Linke im Bundestag sitzt. © Imago / Christian Spicker
Anke Domscheit-Berg im Gespräch mit Katja Bigalke und Martin Böttcher · 04.07.2020
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Morddrohungen, volksverhetzende Äußerungen und andere strafbare Inhalte müssen große Tech-Unternehmen zukünftig melden. Das sieht das Gesetzespaket gegen Hass und Hetze vor. Die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg hält es für wenig wirkungsvoll.
Vor Kurzem hat der Bundestag ein Gesetzespaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Hasskriminalität beschlossen. Anbieter großer Plattformen erhalten dadurch neue Pflichten. Die Unternehmen müssen künftig Morddrohungen, volksverhetzende Äußerungen und andere strafbare Inhalte auf ihren jeweiligen Seiten melden.
Das schließe Inhalte und personenbezogene Daten der potenziellen Täter mit ein. "Das geht einfach mal überhaupt nicht", sagt die Netzaktivistin und parteilose Politikerin Anke Domscheit-Berg. Bislang waren die Anbieter nur dazu verpflichtet, diese Inhalte zu löschen oder zu sperren.

Kein Mangel an Anzeigen

Domscheit-Berg denkt nicht, dass das Maßnahmenpaket die Situation verbessern werde: "Es ist nicht so, dass es an Anzeigen mangelt." Sie selbst habe auch schon Anzeigen erstattet, manche seien seit mehr als drei Jahren anhängig, doch "da passiert einfach nichts".
Vielmehr verschärfe die neue Vorgehensweise das Problem. "Man redet von 150.000 Verfahren im Jahr. Das ist eine Schätzung des Justizministeriums, die zusätzlich auf unsere Justiz zurollen."
Dabei sei die Justiz schon jetzt nicht in der Lage, die Fälle abzuarbeiten. "Was jetzt schon quasi eine straffreie Straftat ist, wird in noch mehr Fällen straffrei bleiben", vermutet Domscheit-Berg.

Opfer vor den Kopf stoßen

Nicht nur das: "Es wird noch viel mehr Opfer vor den Kopf stoßen, weil sie noch häufiger gesagt kriegen: 'Na ja, wird hatten's zwar auf dem Tisch, aber dann wurde das in die Ablage P gelegt, also eingestellt.'"
Wichtig seien besser ausgestattete und qualifizierte Ermittler in größerer Anzahl. "Aber einfach nur mehr Verfahren zu produzieren, das ist keine gute Lösung."
Besonders kritisch sieht Domscheit-Berg die Forderung nach Herausgabe von Passwörtern. Das sei wegen der Datenschutzgrundverordnung zwar schwer umzusetzen. "Das ist ein sehr eigenwilliger Fall von Symbolpolitik. Denn die Datenschutzgrundverordnung schreibt vor, dass Passwörter verschlüsselt sein müssen", erklärt die Netzaktivistin.
Wenn indes kleinere Unternehmen Passwörter möglicherweise nicht vernünftig verschlüsseln würden, könnte dies schwerwiegende Folgen für Nutzerinnen und Nutzer haben. "Dann hätte man auch Zugriff auf Clouds, wo man Dinge ablegt, auf Fotos, auf Nackigfotos, auf E-Mails, also auch auf Liebesbriefe - auf alles Mögliche, das sehr viel weiter geht, als das, was wir bis jetzt so hatten. Das ist unser ganzes Privatleben, das wäre wie eine vollständige Hausdurchsuchung."
(cwu)
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