Gerschon Schoffmann: "Nicht für immer"

Jüdische Alltagsepisoden

Gerschon Schoffmann: "Nicht für immer" und Davidstern
In "Nicht für immer" von Gerschon Schoffmann geht es auch um kleine Alltagsepisoden. © Droschl / imago / Westend61
Von Carsten Hueck |
Krieg, verlorene Heimat, Leben in der Fremde: Um diese und andere Themen geht es in dem Buch "Nicht für immer" des hebräisch-sprachigen Schriftstellers Gerschon Schoffmann. Es ist die erste Sammlung seiner Texte, die auf Deutsch erscheint.
Er ist viel herumgekommen, allein die Sprache, in der er schrieb, war immer dieselbe: Hebräisch. So kann man Gerschom Schoffmann, geboren 1880 in Weissrussland, mit Fug und Recht als hebräischen Schriftsteller bezeichnen - zumal er das letzte Drittel seines Lebens in Israel verbrachte und dort mehrfach mit Preisen ausgezeichnet wurde.
Entdeckt hat ihn nun der kleine österreichische Literaturverlag Droschl. Er bringt zum ersten Mal in deutscher Übersetzung eine Auswahl von Erzählungen Schoffmanns heraus: "Nicht für immer".
Schoffmanns Großvater war Rabbiner, er selbst besuchte die Talmudschule, diente im zaristischen Militär, desertierte, lebte im habsburgischen Lemberg, übersiedelte in die Metropole Wien. Innerhalb von sieben Jahren wechselte er dort 13 Mal seine Wohnung.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges dann zog Schoffmann in die Nähe von Graz. Heiratete nach katholischem Ritus. Und emigrierte im Alter von 58 Jahren mit seiner Familie aus der Steiermark ins britische Mandatsgebiet Palästina, wo man ihn feierlich begrüßte.
Bereits in den frühen 1920er-Jahren hatte Schoffmann begonnen, sich als Autor einen Namen zu machen. Er repräsentiert den kulturellen Wandel, den das osteuropäische Judentum zu Beginn des 20. Jahrhunderts durchlief: Geprägt von religiöser Tradition und Schtetldasein, zogen viele Juden unter Einfluß der jüdischen Aufklärung in die Metropolen, um von dort nach Übersee oder Erez Israel weiter zu wandern. Im Gepäck die Erfahrung von Antisemitismus und mangelndem Integrationswillen der Mehrheitsgesellschaften, auch der ökonomischen und existenziellen Not.
Auf der Suche nach Heimat
Die religiösen, sozialen und politischen Transformationen dieser Zeit, die Suche nach Heimat und ein Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber Lebensverhältnissen, die man damals noch "Schicksal" nannte, finden sich in vielen der Erzählungen Schoffmanns.
Knapp hundert sind in dem Band versammelt, viele ein, zwei oder nur eine halbe Seite lang. Das Schtetlleben leuchtet darin auf, als Zeugnis und Erinnerung an Vergangenes, das Leben in der modernen Großstadt unter wirtschaftlich angespannten Verhältnissen, auch das Leben in dörflicher Provinz. Im Mittelpunkt steht aber immer der Mensch.
Schoffmanns Blick ist subjektiv, häufig spricht er in der ersten Person. Er komponiert kleine Alltagsepisoden, skizziert Eindrücke, die in ihrer komprimierten Form aber gesellschaftliche Verhältnisse deutlich machen. Den Umgang von Juden und Nicht-Juden, Männern und Frauen, auch den in Österreich bereits vor 1938 deutlich virulenten Antisemitismus.
Einen Plot haben diese Prosaminiaturen nicht. Das Großartige an ihnen: Scheinen sie auch leicht und angedeutet, so hinterlassen sie doch eine bleibende Erkenntnis beim Leser, einen Moment, der weitergedacht werden will, oder eine beredte Metapher.
Das steigt ein junger Mann zu einem Mädchen "ins Bett wie aufs Schafott", oder schwärmt von einer "Schönheit, die dich bei der Begegnung an einem Wintertag etwas aufwärmt und an einem Sommertag etwas abkühlt".

Deutlich geprägt ist die Erzählweise des Autors von Tschechow und dem Autor des literarischen Impressionismus Peter Altenberg. Wie dieser, versteht es Schoffmann Schönheit und Flüchtigkeit des Lebens und der Liebe sprachlich fein, zurückhaltend, doch einprägsam abzubilden.

Gerschon Schoffmann: Nicht für immer
Herausgegeben von Gerald Lamprecht
Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
Literaturverlag Droschl, Graz/ Wien 2017
350 Seiten, 25 Euro