Gérard Depardieu wird 70

Eine einsame Lichtgestalt

Der französische Schauspieler Gérard Depardieu während der Besichtigung einer Mädchenschule des russischen Verteidigungsministeriums
"Ein Wikinger": So beschrieb Jean-Laurent Cochet, sein Schauspiellehrer, den jungen Depardieu. © picture alliance / Artyom Geodakyan/TASS/dpa
Von Marcel Wagner · 27.12.2018
Seit 2013 ist Gérard Depardieu Russe. Damals floh er vor der französischen Reichensteuer. Doch trotzdem ist (und bleibt!) er einer der bedeutendsten - und umstrittensten - Franzosen. Nun wird er 70 Jahre alt: Rückblick auf ein bewegtes Leben.
Gérard Depardieu ist mit großer Wahrscheinlichkeit Frankreichs international bekanntester Schauspieler. Berühmt gemacht haben ihn große Filme, aber mindestens genau so seine gefürchteten Exzesse und Eskapaden. Heute wird Gérard Depardieu 70 Jahre alt. Ein Enfant Terrible, vor dem die Französinnen und Franzosen ebenso sehr den Hut ziehen, wie sie sich manchmal vor ihm gruseln.
Leise Auftritte – das war noch nie das Ding des Gérard Depardieu. Schon als er mit gerade mal 17 Jahren in Paris die große Kunstszene betrat, da hatte Jean-Laurent Cochet, sein künftiger Schauspiellehrer, das Gefühl, einem Meteoriteneinschlag beizuwohnen:
"Gérard war die Schönheit selbst. Er war ein Vikinger. Sein strahlender Einbruch in mein Universum – das war wirklich unvergesslich."
Depardieu sei ein Wilder vom Lande, habe ihn ein Bekannter ihn vorgewarnt, erinnerte sich Cochet Jahrzehnte später. Der Bekannte hatte wohl bodenlos untertrieben. Depardieu hatte sich in Châteauroux, einer Kleinstadt im Zentrum Frankreichs, durchs junge Leben geboxt.

Zu Beginn seiner Karriere gab er Gauner und Halbstarke

Ich hatte keine Kindheit, ich habe mich ums Überleben gekümmert, erzählte er später im Interview. Seine Eltern waren beide Analphabeten, Gérard selbst verließ mit 13 die Schule, hatte Probleme mit dem Sprechen und Lesen, neigte zu Alkohol und Prügeleien, verdiente ein bisschen Geld mit Schmuggel und indem er sich an Männer prostituierte, wie er selbst über sich schrieb. Mit Anfang 20 tauchte er dann in ersten Kino- und Fernsehrollen auf, gab kleine Gauner, Halbstarke, kurz: meistens sich selbst – mit seinem ganz eigenen Stil und seiner übergroßen Nase als unverkennbares Markenzeichen. Bald folgten Hauptrollen, mit immer größerem Erfolg und immer höherem Niveau.
Catherine Deneuve und Gerard Depardieu in Francois Truffauts "Die letzte Metro" von 1980
"Depardieu war die Schönheit selbst", sagte Jean-Laurent Cochet einmal. Hier ist er neben Catherine Deneuve in Truffauts "Die letzte Metro" zu sehen.© imago/united archives
Mit dem Truffaut-Klassiker "Die letzte Metro" gewann Gérard Depardieu 1981 an der Seite von Catherine Deneuve seinen ersten César, den französischen Filmpreis, als bester Hauptdarsteller, den ersten von unzähligen Preisen. Als dichtender Haudegen Cyrano von Bergerac war er auch für den Oscar nominiert.

Exzessiv in vielen Lebensbereichen

Doch Depardieu machte längst nicht nur durch sein Schaffen Schlagzeilen. Seinem exzessiven Arbeitseifer als Schauspieler, Regisseur, Produzent, Gastronom und Winzer stand immer auch der andere Exzess gegenüber, der mit den Frauen, dem Geld, der Politik, vor allem dem Alkohol. Bis zu 14 Flaschen Wein trinke er am Tag, gestand er im Interview. Zum Beweis pinkelte er mal in ein Flugzeug oder fiel er gleich mehrfach sturzbetrunken vom Motorroller. Als in Frankreich eine Reichensteuer eingeführt werden sollte, machte sich Depardieu schleunigst aus dem Staub:
"Ich bin seit kurzem russischer Bürger und sehr stolz darauf, denn ich sehe, dass man in Russland und seinen Republiken sehr gut lebt!", verkündete Depardieu 2013 – und ließ sich medienwirksam von seinem Freund Wladimir Putin in die Arme schließen. Zuletzt ließ er sich gar bei Nordkoreas Diktator Kim Jong Un blicken. Fast zeitgleich erhob eine junge Schauspielerin in Frankreich Vergewaltigungsvorwürfe, die Depardieu scharf abstritt.
Die Nerven seiner französischen Landsleute strapaziert Gérard Depardieu mit solchen Eskapaden immer von Neuem. Und dann dreht er wieder einen bemerkenswerten Film oder bringt plötzlich eine CD heraus, auf der er Lieder seiner alten Freundin, der Chansonsängerin Barbara neu interpretiert - und macht klar, dass er als Künstler auch mit 70 eine einsame Lichtgestalt ist.
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