Georgiens Künstler und ihre Sorgen

Von Edita Badasyan und Mirko Schwanitz · 24.10.2012
Am Donnerstag wird in Georgien die neue Regierung unter dem Wahlsieger Bidsina Iwanischwili vereidigt. Ein Posten steht offenbar fest: Der Schriftsteller Guram Odischaria wird Kulturminister. Die Kulturschaffenden verbinden mit ihm einen Wechsel in der Kulturpolitik des Landes. Er selbst hat ebenfalls hohe Ansprüche.
Im "Diwan", einer angesagten Künstlerkneipe im Zentrum von Tiflis ist dicke Luft. In Schwaden blauen Zigarettenqualms sitzen gestikulierend Dichter und Schriftsteller. Selten hat eine erwartete Regierungsneubildung in Georgien solch hitzige Diskussionen ausgelöst. Wen wird der neue starke Mann, der Multimilliardär Bidsina Iwanischwili ins Kabinett berufen?

Nur eine Nominierung scheint schon jetzt klar - die des neuen Kulturministers Guram Odscharia. Eine überraschende, aber gute Entscheidung für die Zukunft der georgischen Kultur, meint nicht nur der Lyriker Giogi Bundowani:

"Ich mag Politik überhaupt nicht. Auch keine Politiker. Aber das hier ist wirklich mal eine Ausnahme. Guram Odischaria ist genaue der richtige für dieses Amt, weil er einer von uns ist und versteht, was wir Künstler brauchen."

Guram Odischaria, der designierte Kulturminister hat bisher 19 Bücher veröffentlicht. Sein jüngster Roman "Rückkehr nach Suchumi" ist in Georgien ein Bestseller und wurde von vielen auch als kritische Abrechnung mit dem abgewählten Präsidenten Saakaschvili verstanden. Dem in der georgischen Kulturszene bestens bekannten Autor traut die im "Diwan" versammelte Runde zu, der georgischen Kultur neue Impulse zu verleihen.

"Ich bin hierher gekommen, um über die Probleme der modernen Kunst zu sprechen, die bisher kaum gefördert wurde. Ich bin mir sicher, dass sich unter Odischaria sowohl die traditionelle als auch die zeitgenössische Kultur besser entwickeln werden als bisher."

Tatsächlich setzte der alte Kulturminister, ein einstiger Filmemacher und Paramilitär eher auf die Förderung traditioneller Volkskunst oder akademische Malerei. Besonders das Theater hatte unter der Regierung Saakashvili einen schweren Stand. Alle leitenden Posten sind bis heute mit Saakashvili-freundlichen Leuten besetzt. Ein politisch-kritisches Theater konnte sich so jedenfalls nicht entwickeln, meint Ketewan Dolidze. Zehn Jahre war sie Leiterin des "Internationalen Kunst Festivals Tiflis", bevor es von der Regierung verboten wurde:

"Eines Tages sagte man mir, es würde kein weiteres Festival geben. Ohne jede Erklärung. Es war ganz klar, das mich die Regierung für meine kritischen Äußerungen bestrafen wollte. Kurze Zeit später hat man mich auch als Leiterin des Theaters entlassen, das ich selbst gegründet hatte. Die alte Regierung hatte nur ein Ziel: Die totale Kontrolle der Kultur. "

Je später der Abend, umso deutlicher wird in der kleinen Tifliser Künstlerkneipe, welch große Erwartungen in den Autor und zukünftigen georgischen Kulturminister, Odscharia, gesetzt werden.

"Ich hoffe sehr, dass das Kulturministerium endlich auch freie Projekte unterstützen wird und ein neuer Geist in die Kulturpolitik einzieht, das neue Filme produziert werden zum Beispiel. Alles zusammen wird sicher eine große Wende für die georgische Kultur bedeuten. "

wirft Gaga Cheidze ein, dem es trotz minimaler Mittel seit 13 Jahren gelingt, das Internationale Tifliser Filmfestival am Leben zu erhalten. Guram Odischaria, der gerade dazugekommen ist erhebt sich, klein und weißhaarig und hebt beschwichtigend die Hände:

"Wir sind sicher kein Land, das Autos wie den Mercedes oder Toyota produzieren kann. Das, was wir wirklich haben, ist eine hohe Kultur. Und ich werde alles tun, damit die georgische Kultur in Zukunft auch über unsere Grenzen hinaus bekannter wird. "

Guram Odischaria versucht die Euphorie etwas zu dämpfen, denn längst hat er sich die Zahlen angeschaut. Das Budget des georgischen Kulturministeriums betrug 2012 mit umgerechnet 3,6 Millionen Euro gerade einmal 1,1 Prozent des gesamten Staatshaushalts:

"Minister zu sein ist eine schwere Aufgabe. Aber Kultur ist mein Lebensinhalt. Eines kann ich euch versichern. Bei mir wird es keine Favoriten geben. Mein Ziel ist es, talentierten Künstlern Wege zu ebnen und interessante Projekte zu fördern. Ich stehe für eine Kulturpolitik, die keinem Theater und keinem Kulturverein vorschreibt wie ihre Repertoires aussehen. Unter mir wird es weder Einflussnahme von oben noch eine Zensur geben. "

An diesem Abend will Guram Odischaria seinen Künstlerfreunden die Hoffnungen nicht nehmen. Er weiß, dass der Etat seines Ministeriums 2013 auf 0,8 Prozent des Staatsbudgets schrumpfen soll. Aber als Minister, so sagt er beim Abschied, habe er da hoffentlich noch ein Wort mitzureden.

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