Geophysikerin Heidrun Kopp

Wassersäulen, Tsunamis und die Geburt eines Kontinents

Monsterwelle vor Portugal.
Wildes Wasser: faszinierend und gefährlich zugleich. © picture alliance / dpa / Christina Pahnke / sampics
Moderation: Ulrike Timm · 20.10.2021
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Mit Plattentektonik konnte Heidrun Kopp schon als Kind etwas anfangen. Die Geophysikerin hat ein Spezialgebiet: den Meeresboden und die Beben, die dort entstehen.
Heidrun Kopp ist Geophysikerin, diese Bezeichnung klingt für die meisten Menschen noch geläufig. Kopp hat auch die Professur für Marine Geodäsie an der Universität Kiel inne, das braucht dann schon eher eine Erklärung.
Kein Problem, sagt die Wissenschaftlerin, man müsse nur an Karl May denken. "Old Shatterhand war Vermessungsingenieur und damit Geodät. Mein Vater war auch Vermessungsingenieur. Wir kommen aus einer alten Bergmannsfamilie, haben deshalb ein Faible für die Erde."
Wenn man also davon spricht, dass Kopp die Erdoberfläche vermisst, dann ist das eine vereinfachte, aber doch korrekte Erklärung. Denn heutzutage macht man das hauptsächlich satellitengestützt und in hoher Auflösung.

Erd- und Seebeben entstehen ähnlich

Die Geophysikerin kümmert sich vor allem um die Erdoberfläche am Meeresgrund. Hier erkundet sie, was passiert, wenn es zu Seebeben kommt und damit auch zu Tsunamis. Dabei funktionieren Erd- und Seebeben nach den gleichen Mechanismen, so die Professorin am Geomar der Uni Kiel:
"Das basiert alles auf der Plattentektonik. Das heißt, die Erdplatten, auf denen wir leben, die bewegen sich. Wenn das Ganze unter Wasser stattfindet, dann kann es dazu kommen, dass das ein Seebeben, auch einen Tsunami auslösen kann."
Ein Porträt der Geophysikerin Heidrun Kopp.
Heidrun Kopp: "Wir denken in geologischen Zeiträumen, das geht weit über ein Menschenleben oder über mehrere Generationen hinaus."© Geomar / Jan Steffen
Viele haben noch die Bilder vom Tsunami vor Thailand und Sumatra 2004 in Erinnerung, und auch die aus Japan 2011, mit den verheerenden Folgen für Fukushima. Riesige Wellen waren zu beobachten.

Kilometerhohe Wassersäulen in Bewegung

Für Laien ähneln die Wasserberge jenen, die Surfer vor der portugiesischen Atlantikküste oder vor Hawaii nutzen, um ihre Kunststücke aufzuführen. Doch gebe es einen gravierenden Unterschied, sagt Heidrun Kopp. Die Surfwellen seien reine Oberflächenwellen.
"Bei Tsunamiwellen ist es so, dass diese Wellen vom Meeresboden angeregt werden, eben durch die Bewegung des Meeresbodens in einem Erdbeben. Das bedeutet, das nicht nur die Oberfläche in eine Wellenbewegung gerät, sondern die komplette Wassersäule. Und wir reden hier über Wassertiefen von drei, vier, sieben Kilometern. Das heißt, man hat 7000 Meter Wassersäule. Und man kann sich vorstellen, wieviel Energie damit dann transportiert wird. Und daraus resultiert diese enorme Zerstörungskraft von Tsunamiwellen."
Plattentektonik, Vulkane und Erdbeben, das hat die Forscherin schon immer fasziniert. Also studierte sie Geophysik in Kiel. Ihre Seminargruppe bestand aus zehn Personen, neun Männer, Kopp war die einzige Frau. "Es war herrlich", sagt sie: "Ich habe das sehr genossen."

Ohne Geduld geht es nicht

Als Geowissenschaftlerin, so die 48-Jährige, brauche man vor allem eine Eigenschaft: Geduld.
"Wir denken in geologischen Zeiträumen, das geht weit über ein Menschenleben oder über mehrere Generationen hinaus. Wir gucken uns Prozesse an, die wir als Menschen gar nicht beeinflussen können, anders als zum Beispiel das Klima."
Ihr Fachgebiet hat unter anderem zum Ziel, noch bessere Frühwarnsysteme zu schaffen. Und die seien nicht nur für die Gebiete relevant, wo Seebeben auftreten, sondern von globaler Bedeutung, betont Kopp:
"Wir haben bei dem Tsunami 2004 gesehen: Dort waren viele Deutsche betroffen, weil sie Urlaub in den Regionen gemacht haben. Und auch das Erdbeben in Japan, mit der Fukushima-Katastrophe, hat eine direkte Rückkopplung gehabt auf Deutschland." Denn letztlich habe das Unglück zur Energiewende geführt.

Fasziniert von einem neuen Kontinent

Das große Forscherglück von Heidrun Kopp ist es derzeit ein neuer Kontinent, dessen "Geburt" sie auf einem Forschungsschiff im Pazifischen Ozean beobachten konnte. Im wissenschaftlichen Duktus klingt das nüchterner, die Geophysikerin spricht von einer "neuen Kontinentalkruste", die hier entsteht:
"So eine Geburt geht nicht ganz schnell vonstatten. Es dauert Jahrtausende bis Jahrmillionen. Diesen Prozess kann man aktuell im Südwestpazifik beobachten, in dem Gebiet zwischen Tonga und Fidschi im Norden, und Neuseeland im Süden."
(ful)
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