Geografie der Seele
"Das Buch meiner Leben" des aus Bosnien stammenden Aleksandar Hemon handelt von seinem Kultur- und Sprachwechsel in die USA. Die fragmentarische Autobiografie endet herzzerreißend - mit dem Tod seiner zweijährigen Tochter, der der Erzählungsband gewidmet ist.
Aleksandar Hemon, 1964 in Sarajevo geboren, lebt seit dem Bosnienkrieg 1992 in Chicago. Er hat Englisch zu seiner Literatursprache gemacht. In bisher zwei Erzählungsbänden und zwei Romanen (vor allem "Lazarus", dem Roman, mit dem ihm 2009 der internationale Durchbruch gelang) machte er das verschwundene Vorkriegs-Jugoslawien und die Migration zu seinen literarischen Themen. "Das Buch meiner Leben" rekapituliert noch einmal das autobiografische Material des Autors und organisiert es auf einen Höhepunkt hin. Die Schlussgeschichte ist ein ergreifendes Kindertotenlied und erzählt vom Sterben von Hemons zweijähriger Tochter an einem Gehirntumor.
Man könnte "Das Buch meiner Leben" als Sammlung von Icherzählungen eines Migranten aus Sarajevo lesen; viel eher aber bilden diese episodischen Geschichten eine locker gefügte, fragmentarische Autobiografie. Manche dieser Episoden kennt man bereits aus Hemons Erzählungsbänden "Die Sache mit Bruno" und "Liebe und Hindernisse" sowie aus dem Roman "Nowhere Man", doch in dieser neuen Version präsentiert sie der Autor ohne alle fiktionalisierenden Verkleidungen. Nun zeigen sie sich dem Leser in ihrer schmucklosen biografischen Tatsächlichkeit.
Man könnte "Das Buch meiner Leben" als Sammlung von Icherzählungen eines Migranten aus Sarajevo lesen; viel eher aber bilden diese episodischen Geschichten eine locker gefügte, fragmentarische Autobiografie. Manche dieser Episoden kennt man bereits aus Hemons Erzählungsbänden "Die Sache mit Bruno" und "Liebe und Hindernisse" sowie aus dem Roman "Nowhere Man", doch in dieser neuen Version präsentiert sie der Autor ohne alle fiktionalisierenden Verkleidungen. Nun zeigen sie sich dem Leser in ihrer schmucklosen biografischen Tatsächlichkeit.
Von Sarajewo nach Chicago
Hemon kombiniert Bruchstücke seiner Familiengeschichte (er hat bosnische und galizisch-ukrainische Wurzeln) mit Kindheits- und Jugendgeschichten aus der lebensprallen Vorkriegszeit in Sarajevo. Der Icherzähler Hemon tritt uns – nicht ohne milden Spott gezeichnet – als unbekümmerter und trinkfester bosnischer Jungautor und Journalist entgegen, der "militant urbane" Kolumnen über das kosmopolitische Leben in Sarajevo schreibt und am Anfang einer vielversprechenden Karriere steht. Als der Bosnienkrieg ausbricht, befindet er sich gerade als Stipendiat in den USA. Er beschließt, nicht in seine Heimat zurückzukehren, sondern in Amerika um politisches Asyl anzusuchen.
Die folgenden Geschichten werfen Schlaglichter auf die hoffnungslos komischen Mühen des Migrantenlebens in Chicago. Erzählt wird, wie sich der gestrandete Bosnier anfangs mit miesen und mitunter bizarren Aushilfs- und Hausiererjobs über die Runden bringt und sich tölpelhaft radebrechend durchwurstelt. Immer mit dem Ziel, ein amerikanischer Schriftsteller zu werden. Der Plural im Titel erweist seine Triftigkeit: Es handelt sich im "Buch meiner Leben" tatsächlich um zwei Leben, vor und nach dem Kultur- und Sprachwechsel und der Zäsur der Migration.
Heimisch beginnt er sich erst zu fühlen, als ihm auch Chicago das schenkt, was ihm Sarajevo so teuer gemacht hatte – eine "Geografie der Seele". Und als glücklich angekommen im Herzen der Stadt darf er sich fühlen, nachdem er mit seiner zweiten amerikanischen Frau eine Familie gegründet hat. Doch dann wird bei der neun Monate alten Isabel ein Gehirntumor festgestellt. Die letzte Geschichte "Das Aquarium" erzählt in herzzerreißender nüchterner Sachlichkeit das monatelange Martyrium des Kindes, das nach mehreren Operationen und qualvollen Chemotherapien mit zwei Jahren stirbt. Das Buch ist Isabel gewidmet.
Besprochen von Sigrid Löffler
Die folgenden Geschichten werfen Schlaglichter auf die hoffnungslos komischen Mühen des Migrantenlebens in Chicago. Erzählt wird, wie sich der gestrandete Bosnier anfangs mit miesen und mitunter bizarren Aushilfs- und Hausiererjobs über die Runden bringt und sich tölpelhaft radebrechend durchwurstelt. Immer mit dem Ziel, ein amerikanischer Schriftsteller zu werden. Der Plural im Titel erweist seine Triftigkeit: Es handelt sich im "Buch meiner Leben" tatsächlich um zwei Leben, vor und nach dem Kultur- und Sprachwechsel und der Zäsur der Migration.
Heimisch beginnt er sich erst zu fühlen, als ihm auch Chicago das schenkt, was ihm Sarajevo so teuer gemacht hatte – eine "Geografie der Seele". Und als glücklich angekommen im Herzen der Stadt darf er sich fühlen, nachdem er mit seiner zweiten amerikanischen Frau eine Familie gegründet hat. Doch dann wird bei der neun Monate alten Isabel ein Gehirntumor festgestellt. Die letzte Geschichte "Das Aquarium" erzählt in herzzerreißender nüchterner Sachlichkeit das monatelange Martyrium des Kindes, das nach mehreren Operationen und qualvollen Chemotherapien mit zwei Jahren stirbt. Das Buch ist Isabel gewidmet.
Besprochen von Sigrid Löffler
Aleksandar Hemon: Das Buch meiner Leben
Erzählungen
Aus dem Amerikanischen von Matthias Fienbork
Knaus Verlag, München 2013
224 Seiten, 19,99 Euro
Erzählungen
Aus dem Amerikanischen von Matthias Fienbork
Knaus Verlag, München 2013
224 Seiten, 19,99 Euro