Gendermedizin auf Kampnagel

Wie sich das Theater geschlechtersensibler Medizin nähert

05:06 Minuten
Eine Frau mit nacktem Oberkörper hält ein Ei in jeder Hand. Links und rechts von ihr stehen zwei Personen mit Schwesternhaube und ebenfalls nacktem Oberkörper, die gynäkologische Instrumente hochhalten.
Zyste statt Schwangerschaft: "Cyster Act" von Catherine Hoffmann beruht auf einer wahren Begebenheit. Aufführung am 28. und 29. Januar 2022 auf Kampnagel. © Holly Revell
Amelie Deuflhard im Gespräch mit Julius Stucke · 18.12.2021
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Ist es avantgardistisch, wenn sich das Theater mit Gendermedizin auseinandersetzt? Nein, sagt Kampnagel-Chefin Amelie Deuflhard. Für viele sei geschlechtersensible Medizin ein Thema. Deshalb stehen Stücke wie "Cyster Act" auf dem Spielplan.
Wie divers ist unsere Medizin? Dieser Frage geht die Hamburger Kultur- und Kunstfabrik Kampnagel Ende Januar nach. "Gender Medizin: Geht ein Mann zum Arzt...": Unter diesem Titel laufen die Stücke und Performances. Die künstlerische Leiterin Amelie Deuflhard fand das Thema zunächst "sehr avantgardistisch". Und erkannte ihren Irrtum: Es betreffe viele Menschen.
"Es geht um geschlechtersensible Medizin", sagt Deuflhard. Also um die Frage, ob das Geschlecht einen Unterschied macht, wenn es um Symptome, Krankheiten und deren Behandlung geht. Queer, Trans, Schwarz, of Colour – das alles spiele eine Rolle bei der Versorgung von Krankheiten, so die Kampnagel-Intendantin. Genauso wie etwa Herkunft und Einkommen.

Scheinschwangerschaft und queeres Hospiz

Medizinische Forschung sei oft auf Männer und eine Vereinheitlichung der Geschlechter ausgerichtet. Es gebe auch falsche Annahmen, zum Beispiel dass Schwarze Menschen keinen Hautkrebs entwickeln könnten. Gendermedizin werde zudem nicht gelehrt, was allerdings laut Koalitionsvertrag der Ampelregierung nun geändert werden soll.
Künstlerisch vielfältig widmet sich Kampnagel dem Themenschwerpunkt. Zum Beispiel mit einem Stück aus Großbritannien: "Sex with Cancer". Oder mit der Performance "Cyster Act": Sie beschäftigt sich mit einer Scheinschwangerschaft, die sich als riesige, zu spät erkannte Zyste herausstellt. Ein weiteres Stück dreht sich um ein queeres Hospiz.

Unser ganzes medizinisches System ist sehr stark vereinheitlicht. Es wäre wunderbar, wenn wir anfangen, es auch viel mehr zu vervielfältigen.

Amelie Deuflhard, Kampnagel-Intendantin

(bth)

Amelie Deuflhard ist seit 2007 Intendantin von Kampnagel in Hamburg, Europas größtem Produktionszentrum für die Freien Darstellenden Künste. Die Theatermacherin wurde 1959 in Stuttgart geboren, studierte Romanistik, Geschichte und Kulturwissenschaften. Von 2000 bis 2007 war sie künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin der Sophiensaele in Berlin. 2004/2005 war sie Teil der künstlerischen Leitung von Volkspalast, einer festivalartigen Bespielung des Palastes der Republik.

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