Gemeinwesen

Unsere Stadt soll schöner werden

Von Jochen Stöckmann |
Der gerade verliehene Urban Intervention Award Preis würdigt unkommerzielle Projekte, die eine Stadt bereichern. Die Ausgezeichneten schaffen unter anderem öffentliche Gärten und andere Treffpunkte.
Einige Holzkisten für die Pflanzen und Metallverstrebungen als Rankhilfe, mehr "Architektur" hat der Lucas Community Garden in Amsterdam nicht zu bieten. Und auch die Sommerwerkstatt Wiesenburg im Berliner Stadtteil Wedding kommt in der Ruine eines ehemaligen Obdachlosenasyls mit einem Behelfsdach aus gebrauchten Regenschirmen und Autoreifen als Sitzgelegenheit aus.
"Wenn man diese Architektur anguckt, das ist jetzt nicht gestalterische High-End-Architektur. Sondern das ist eine Architektur, die eben gerade mit einer Ästhetik des Unfertigen umgeht. Und ich finde, das hat heutzutage genauso Platz in unseren Städten."
Für Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, Juryvorsitzende beim Urban Intervention Award, zählt weniger die perfekte Form, auch nicht die "Handschrift" eines prominenten Architekten, sondern der soziokulturelle Aspekt. Und so geht der erste Preis in dem europaweiten Wettbewerb diesmal nach Belgien für den Umbau eines leerstehenden Multiplexx-Kinos in Lüttich.
Mit der Umrüstung des tristen Betonklotz zum Hörsaal der Universität kam Leben in die Bude. Und das strahlt aus, selbst im Erdgeschoss, wo jetzt die Brasserie "Le Britannique" einlädt neben einer McDonalds-Filiale. Aber auch da ließe sich noch einiges ändern:
"Es muss ja nicht jedes Erdgeschoss mit einem Laden und einem Café gefüllt sein. Man holt sich auch wieder Orte zurück, in denen zum Beispiel ein Jugendklub sein kann, der nicht kommerziell ist, sondern der die Jugendlichen beschäftigt. Die Strategie, wie wir Erdgeschosse bespielen ist eine der ganz wichtigen Strategien. Und nicht immer muss die Wirtschaftlichkeitsrechnung so aussehen, dass das Erdgeschoss den höchsten Gewinn abwirft."
Solche "best practices", also Musterbeispiele aus der Praxis, können und sollen als Anregung dienen, nicht nur für den Alexanderplatz oder den Potsdamer Platz in Berlin. Es gilt europaweit Orte "zurückzuholen", sie für ein wirklich urbanes Leben zu revitalisieren. Und dass bedarf einer "Intervention", einer durchdachten Strategie, die auch harte Auseinandersetzungen etwa mit ökonomischen Interessen nicht scheut.
Großes Lob für temporäre Projekte
So etwas wird man kaum vermuten hinter verspielten Wettbewerbsbeiträgen wie der "sound box", einem mit barocker Bauernmalerei verzierten Ghettoblaster, der im österreichischen Linz in einer Art Prozession durch die Stadt getragen wird. Aber Regula Lüscher betont:
"Gerade diese temporären Projekte können Dinge, die man so nicht denkt, und erst einmal unlösbare Probleme mit einem ersten kleinen Lösungsansatz in eine andere Richtung bewegen."
Den ersten Preis in der Kategorie "temporär" bekam dann allerdings die "Test Site" in Rotterdam, wo dem nach der Finanzkrise darniederliegenden Central District mit kleinen Interventionen wieder auf die Beine geholfen wird. Etwa mit einer hölzernen Behelfsbrücke, die das verödete Viertel nun endlich mit benachbarten Quartieren verbindet. Finanziert nicht von der Kommune, sondern durch crowd funding. Für Regula Lüscher birgt das durchaus keine Bankrotterklärung der Städtebaupolitik, sondern:
"Die Einsicht, dass die öffentliche Hand längst nicht mehr alles bewältigen kann. Dass unsere Städte sich mit Eigeninitiative, auch mit privatem Geld entwickeln. Und man muss aber auch die andere Seite der Medaille sehen: Diese "bottom-up" Stadtentwicklung und Städteplanung geht davon aus, dass sich Menschen engagieren. Und diese Menschen müssen dann irgendwann einmal verstehen, dass jetzt andere kommen und diese Orte übernehmen."
Allen voran sind da derzeit die "Baugruppen", allein aus Berlin gab es gleich mehrere Wettbewerbsbeiträge. Organisiert in der Art kleiner Wohnbaugenossenschaften suchen vor allem Familien der gehobenen Mittelschicht ihre individuellen Vorstellungen einer Integration von Wohnen und Arbeiten zu realisieren. Das wird Schule machen, und darauf hat sich die "Deutsche Wohnen AG" mit dem erstmals von diesem Unternehmen vergebenen Urban Living Award eingestellt.
Der erste Preis ging an einen architektonisch unspektakulären Umbau in Wien, das "VinziRast": Hier leben Studenten und Obdachlose zusammen, im Erdgeschoss gibt es ein Restaurant. Die "soziokulturelle" Ausstrahlung hat die Jury überzeugt, nicht eine außergewöhnliche oder gar aufsehenerregende Architektur.
Auch die unprätentiöse, gerade deshalb grundsätzliche Fragen berührende Art der Ausstellung macht deutlich, dass es gilt, Abschied zu nehmen von Star-Architekten, die den Diskurs über Bau-Kultur dominieren. Und auch vom überkommenen Rollenverständnis jener Stadtbauräte oder Senatsbaudirektoren, die noch antraten, das Gesicht "ihrer" Stadt zu prägen. Regula Lüscher dagegen setzt mit dem von ihr initiierten Urban Intervention Award auf ganz neue Kräfte:
"Die Macht der geteilten Autorenschaft: Dass eben unterschiedliche Autoren und unterschiedliche Akteure erst Stadt und Stadtentwicklung ausmachen. Das heißt aber, dass man ein klares Ziel vor Augen haben muss. Moderation bedeutet nicht, die Führung aus der Hand zu geben, sondern ein Zielbild zu verfolgen und damit andere mitzunehmen und einzubeziehen."
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