Geldanlagen

Kleinanlegerschutz mit Tücken

Ein Teilnehmer einer Kundgebung hält am 19.06.2014 in einer Filiale der Commerzbank in Hamburg ein Pappschild mit der Aufschrift "Finanzpiraten vernichten Altersvorsorge" . Anleger, die sich von mehreren Bankhäusern betrogen fühlen, haben am Nachmittag mit Kundgebungen vor Banken in Hamburg demonstriert.
Oft fühlen sich Kleinanleger betrogen - deshalb will sie die Regierung künftig besser schützen. © picture alliance / dpa / Bodo Marks
Von Bastian Brandau  · 13.10.2014
Die Bundesregierung will Anleger künftig besser schützen - was löblich ist. Allerdings bedroht das Kleinanlegerschutzgesetz soziale Projekte in ihrer Existenz.
"Wir stehen hier in Berlin-Neukölln vor dem ehemaligen Jugendamt das vor zwei Jahren gekauft worden ist von einer Gruppe, die das jetzt in Eigenregie verwaltet und umgebaut hat zu preiswertem Wohnraum für 30 Menschen".
Niklas Hartman ist einer von ihnen, wohnt in einer WG in dem fünfstöckigen Haus. 900.000 Euro hat es gekostet, nochmal etwa 300.000 Euro der Umbau und die Renovierung. Die 1,2 Millionen Euro zahlen die Bewohner nun über Jahrzehnte ab - ihre Miete fließt in Tilgung der Kredite und Zinsen einer Bank. Etwa ein Drittel des Geldes aber kommt von außerhalb: von Unterstützern des Projekts. Privatleute, denen die Idee gefällt, geben Geld. Insgesamt rund 400.000 Euro.
"Wir machen das eben in Form von niedrig verzinsten Privatdarlehen. Also Privatdarlehen geben uns einen direkten Kredit. Die niedrigen Zinsen ermöglichen eine sehr preiswerte Quadratmetermiete und die Summe der Direktkredite ermöglicht eben auch der Bank zu sagen okay, das Fremdkapital erkennen wir hier an statt Eigenkapital und damit können wir euch einen Kredit geben, die Bankenaufsicht gibt uns da keinen auf den Deckel."
Ein Wohn-Modell, wie es in Deutschland in vielen Städten existiert. Rund 70 Hausprojekte sind in einem Verband zusammengeschlossen: dem Mietshäuser Syndikat. Es ist aber auch ein Wohn-Modell, das durch einen aktuellen Gesetzentwurf bedroht ist.
"Der Insolvenzantrag musste gestellt werden, weil wir durch eine Vielzahl von Kündigungen gerade im Dezember und Anfang Januar doch eine Zahlungsunfähigkeit feststellen mussten. Daraus leitete sich Anfang Januar deutlicher Handlungsbedarf ab."
Im Januar meldete die Firma Prokon Insolvenz an. In S-Bahnen, per Postwurfsendung - Prokon hatte massiv für Investitionen in Windkraft geworben und acht Prozent Rendite versprochen. Rund 75.000 Menschen bangen jetzt um ihr Geld - Anleger wie sie will die Bundesregierung besser schützen. Auch für kleinere Investitionen soll in Zukunft die Prospektpflicht gelten. In einem solchen Papier müssten dann alle Informationen zur Investition aufgelistet werden; ein Wirtschaftsprüfer muss es erstellen. Die Kosten: etwa 60.000 Euro. Pro Jahr.
"Das würde für uns heißen: Mieterhöhung um 50 Prozent. Betriebskosten laufen ja einfach so durch und was wir ansonsten decken müssen aus der Kaltmiete sind die Zinsen und die Tilgung für die Darlehen und ein bisschen Steuern. Dabei kommen wir hier bei der Größe des Hauses auf auf etwa 120.000 Euro im Jahr. 60.000 Euro, da können wir die Miete um 50 Prozent erhöhen. Das heißt, wir haben hier gerade neuen, sozial gebundenen Wohnraum geschaffen. Neuer Wohnraum für unter sechs Euro Quadratmetermiete kalt im Monat - das würde dann hochgehen auf etwa neun."
Kollateralschäden sollen eigentlich vermieden werden
War das im Sinne des Erfinders? Dass der Schutz von Kleinanlegern dazu führt, bei Wohnprojekten die Mieten zu erhöhen? Nein, sagt der Bundestagsabgeordnete Dennis Rohde. Für die SPD sitzt er im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz:
"Es geht uns überhaupt nicht darum, vernünftigen sozialen Projekten Steine in den Weg zu legen. Wir müssen eine Lösung finden, dass solche Projekte nicht überreglementiert werden. Dazu muss man sagen, wir sind in einer sehr frühen Phase, wir haben einen Referentenentwurf, der befindet sich momentan in der Ressortabstimmung insbesondere zwischen Finanzministerium und Justizministerium. Und ich gehe davon aus, dass man dort dieses Problem genauso sieht und eine vernünftige Lösung finden wird."
Noch ist das Gesetz nicht im Kabinett besprochen worden. Es ist dies also eine Phase, in der Betroffene und Interessensgruppen noch Einfluss nehmen können und - ja auch sollen. Das tun Crowdfunder und Startups, die ebenfalls Nachteile befürchten. Und das tut auch das Mietshäuser Syndikat. Ein Vorschlag ist, soziale Projekte von der Prospektpflicht auszunehmen. Aber was genau bedeutet sozial? Fragen, die sich auch Antje Tillmann stellt, die finanzpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion. Für sie ist ein Gesetz mit Ecken und Kanten Teil des politischen Prozesses:
"Also, man muss sich angucken, welche Fälle auf dem Markt sind und bei welchen Fällen es Probleme gegeben hat. Und dieses Hausprojekt, was uns auch schon kontaktiert hat, hatte angeregt, dass man bis zu einem bestimmten Zinssatz die Aufsicht vereinfacht. Das ist jetzt nicht so meine Lieblingsvariante, also mir wäre lieber man würde sagen bis zu einer bestimmten Größenordnung kann der Verbraucher ein Risiko eingehen ohne dass wir es kontrollieren müssen."
Wie viel Kontrolle ist notwendig? Und hätte das Gesetz einen Fall wie Prokon verhindert? Niklas Hartmann vom Hausprojekt bezweifelt das - ebenso wie Antje Tillmann:
"Ja, ich gebe zu, das sehe ich genauso, wer da das Vermögensanlageinformationsblatt gelesen hätte, hätte gelesen, dass im Zweifel die komplette Vermögensanlage verloren geht. Aber offensichtlich ist es erforderlich, dass wir ne Unterschrift fordern weil die Menschen es sonst nicht lesen. Also der große Appell ist: Wir werden niemanden daran hindern, dummes Zeug zu machen."
Dafür ist es im Gesetzgebungsverfahren noch nicht zu spät. Kollateralschäden soll das Kleinanlegerschutzgesetz nicht verursachen, heißt es aus der Koalition. Soziale Hausprojekte sollen nicht unter dem Kleinanlegerschutz leiden. Antje Tillmann:
"Ich sag mal ohne dass wir darüber schon gesprochen hätten in der Fraktion: Ich glaube, wir werden da eine Lösung finden."
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