"Gekaufte Forschung" von Christian Kreiß

"In der Pharma-Industrie geht Gewinn vor Gesundheit"

Kunden in einer Apotheke
Die Kunden der Pharma-Produkte werden einseitig mit Informationen versorgt, sagt Christian Kreiß. © imago/Westend61
Der Autor Christian Kreiß im Gespräch mit Sigrid Brinkmann · 25.07.2015
Mit gefälschten Studien haben Hersteller versucht, die europäische Zulassung für ihre Medikamente zu ergattern. Der Volkswirtschaftler und Buchautor Christian Kreiß kritisiert den Umgang der Pharmakonzerne mit Studien und sieht unter anderem die Universitäten als "Handlanger der Industrie".
Rund 700 Medikamente hat die EU in dieser Woche gestoppt. Zuvor war bekannt geworden, dass die Pharma-Studien für die europäische Zulassung massenhaft gefälscht worden waren. Diese Meldung passt zu den Vorwürfen, die Christian Kreiß in seinem Buch "Gekaufte Forschung: Wissenschaft im Dienst der Konzerne" erhebt. Der Aalener Professor für Finanzierung und Wirtschaftspolitik beklagt: "In der Pharma-Industrie geht Gewinn vor Gesundheit." Die Branche veröffentliche gezielt nur jene Studien, die auf einen positiven Nutzen neuer Medikamente hindeuten. Selbst wenn die überwiegende Mehrzahl der Studien gegen eine Zulassung spräche.
In der Lesart bezeichnet Kreiß die enge Zusammenarbeit von Industrie und Hochschulen als besonders problematisch. Inzwischen seien 90 Prozent aller veröffentlichten Pharmastudien zu neuen Medikamenten industriefinanziert. Die Verträge zwischen sähen in der Regel vor, dass der Finanzier (und damit die Industrie) nachträglich entscheiden könne, ob die Studie überhaupt veröffentlicht würde.
"Das ist ein besonders großer Missstand in dem Pharmaforschungs-Bereich, dass wir sehr einseitig mit Studien versorgt werden. Dabei geht es unmittelbar um Gesundheit und Leben."
Das grundsätzliche Problem sei, dass in der Hochschulforschung die Mittel nicht ausreichend erhöht würden.
"Dadurch bildet sich ein Einfallstor für Industriemittel. Die Hochschulen sind sehr dankbar, wenn sie zusätzliche Mittel bekommen. Und so wird die Forschung langsam und subtil in die industrienahe Richtung gelenkt."
Unis im Dienste der Industrie
Die Industrie erkaufe sich zudem das Renommee und den Namen eines Universitäts-Professors, um einen möglichst wissenschaftlichen, unabhängigen Anschein zu erwecken.
Christian Kreiß: "Gekaufte Forschung" (Buchcover)
Christian Kreiß: "Gekaufte Forschung" (Buchcover)© Europa Verlag
"Wenn zum Beispiel eine Bank sich ein Institut kauft an der Universität Berlin, dann kommt die Aussage von Professor XY von der Universität Berlin. Und dann glauben alle, das sei eine unabhängige Studie. Das ist aber falsch."
Inzwischen, sagt Kreiß, seien zwei von fünf Wissenschaftlichen Mitarbeitern deutscher Universitäten sowie 40 Prozent der gesamten deutschen Hochschulforschung durch Drittmittel finanziert. Christian Kreiß:
"Die Universitäten werden mehr und mehr Handlanger der Industrie."
In der Lesart fordert der Volkswirtschaftler eine radikale Umkehr: "Eine direkte Finanzierung durch Industrie halte ich für falsch." Die Universitäten müssten öffentlich besser finanziert werden und gleichzeitig auf die Industriegelder verzichten. Eine Gegenfinanzierung etwa mit Mitteln der Hightechindustrieforschung der Bundesregierung sei zumindest finanziell problemlos machbar.

Christian Kreiß: Gekaufte Forschung
Wissenschaft im Dienst der Konzerne
240 Seiten, Hardcover: 18,99 Euro
Europa Verlag Berlin

Mehr zum Thema