Geige gegen Kriegstraumata

"Musik kann die Seele retten"

Die Geigerin Marina Bondas.
Die Geigerin Marina Bondas will mit Musik helfen. © Anastasia Magazova, DW
Marina Bondas im Gespräch mit Mascha Drost · 16.05.2017
Die Menschen in der kriegsversehrten Ukraine benötigen nicht nur Hilfsgüter. Auch Musik tut ihren wunden Seelen wohl, sagt die Geigerin Marina Bondas. Jedes Mal wenn sie nahe der Kriegsfront in Seniorenheimen oder Schulen spielt, schaut sie in glänzende Augen.
Dass der Mensch nicht vom Brot allein lebe, ist schon aus der Bibel bekannt – und diese Weisheit bestätigt sich, wann immer Menschen in Not geraten. Auch das Bedürfnis nach Kunst, Literatur und Musik will gestillt sein. Marina Bondas, ukrainisch-stämmige 1. Geigerin im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, ist sogar überzeugt: Musik rettet und heilt – gerade, wenn sie vor vom Krieg Traumatisierten in der Ukraine spielt.
In der Ostukraine herrscht noch immer Krieg – viele vergessen das. Bondas hat zusammen mit anderen Künstlern die Hilfsorganisation "Heart for Ukraine" gegründet. Ihre Hilfslieferung: Musik. Die Geigerin sagt:
"Musik kann die Seele retten. Sie kann moralisch unterstützen. Musik kann helfen Wunden zu heilen."

Bis zu vier Konzerte am Tag

Ihre Wirkung sei oft so groß – und deshalb ebenso wichtig wie andere humanitären Hilfsleistungen, sagt Bondas, die seit 1992 in Deutschland lebt und mittlerweile einen deutschen Pass hat.
Sie spiele manchmal bis zu vier Konzerte pro Tag für die Menschen in der Ostukraine, nahe der Front, in Seniorenheimen, in Schulen oder anderen öffentlichen Einrichtungen. Meist leicht zugängliche Klassik von Vivaldi, Bach oder Kreisler. Nicht jeder springe darauf sofort an – denn nicht jeder könne etwas mit Klassik anfangen. Deshalb lockere sie ihr Repertoire mit Folklore, Jazz oder Pop auf und überlege sich auch spezielle Programme für Kinder. Und die Wirkung sei erkennbar:
"Man sieht es wirklich an den Augen der Leute: Wie sich die Augen innerhalb von Minuten verändern."

Sie kommt mit den Menschen ins Gespräch

Sie veranstalte keine Konzerte im klassischen Sinne, sondern suche auch das Gespräch mit dem Publikum, sitze ganz nah bei den Leuten, sagt Marina Bondas. Was viele dieser Menschen berühre, sei gar nicht so sehr die Tatsache, dass sie Geige spiele.
"Sondern es geht darum, dass so ein kleines Mädel, so eine halbe Portion mit deutschem Pass – ich lebe ja in Deutschland, ich muss ja theoretisch nicht in die Ukraine kommen, aber ich komme trotzdem, ich mache das freiwillig - ich lasse alles in Berlin stehen und liegen und ich komme, um für sie zu spielen."
Für viele seien die Konzerte etwas, das sie noch jahrelang beschäftige. Noch heute bekomme sie E-Mails von Ukrainern, für die sie vor zwei, drei Jahren gespielt habe, sagt Bondas.
(mkn)
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