Gegen AfD, Populismus und Seehofer

Steht die politische Literatur vor einem Comeback?

Der Schriftsteller Jan Böttcher
Der Schriftsteller Jan Böttcher © imago/Gerhard Leber
Jan Böttcher im Gespräch mit Frank Meyer · 08.10.2018
Aufgewachsen ist der Schriftsteller Jan Böttcher mit der "Fast-Doktrin", dass Politik in der Literatur nur unterschwellig vorkommen darf. Doch lässt sich angesichts der politischen Polarisierung eine literarische Stimme noch von der gesellschaftlichen trennen?
Politische Literatur – für viele klingt das nach 70er-Jahren, nach moralischem Zeigefinger und einer enervierenden Oberlehrerhaftigkeit. Doch vielleicht ändern sich die Zeiten gerade wieder, und angesichts zunehmender gesellschaftlicher Spaltung und Polarisierung kommt politische Literatur wieder in Mode. Der Schriftsteller Jan Böttcher ("Das Kaff") jedenfalls fragt: Kann man vor diesem gesellschaftlichen Hintergrund als Autor seine literarische Stimme noch von der gesellschaftlichen trennen?
"Ich glaube schon, dass Haltung, Meinung in Romanen, in Figuren eine größere Rolle spielen darf in Zukunft", meint er. Das in der eigenen Prosa umzusetzen, bereitet Böttcher aber offenbar noch Schwierigkeiten – vielleicht, weil er mit der Fast-Doktrin aufgewachsen ist, "dass man nur von unten, unterschwellig irgendwie gesellschaftliche, politische Botschaften da hineinpacken kann".
Bei seinen Texten als Singer-Songwriter fällt ihm das leichter: "Das ist schon vielfach engagierte Literatur gewesen, gerade auf der lyrischen Ebene. Und ich habe damit auf der Songschreibeebene immer zu tun gehabt und habe da auch schon sehr viel direkter gearbeitet. Aber immer wenn man in diesen Prosaprozess – zwei, drei Jahre – kommt, dann fangen diese Zweifeleien an, und dann kürzt man solche Stellen wieder weg. Im Roman ist das sehr viel schwieriger."

Petition gegen Seehofer: "Wir dachten, das Maß ist voll"

Kürzlich hat sich Böttcher auch mit seiner "gesellschaftlichen Stimme" engagiert: Gemeinsam mit vier weiteren Künstlern startete er im September die Petition "Seehofer muss gehen", die den Rücktritt des Bundesinnenministers forderte. Die Begründung: Der CSU-Politiker schade dem internationalen Ansehen Deutschlands, mit seiner Aussage, die Migrationsfrage sei die Mutter aller politischen Probleme nehme er 18,6 Millionen Menschen in Deutschland mit Migrationshintergrund in "Geiselhaft". Und er bringe die hohe Anzahl von 69 Abschiebungen nach Afghanistan mit seinem 69. Geburtstag in Verbindung.
"Wir dachten: das Maß ist irgendwie voll", so Böttcher im Deutschlandfunk Kultur. "Es ist für jeden Bundesbürger, für jeden Wähler, nicht nur in Bayern, sondern in der gesamten Bundesrepublik, irgendwie ersichtlich, dass es so eine Art Ranwanzen gibt oder eine Sprache von Seehofer, die der AfD-Sprache zu weit entgegenkommt."
(uko)
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