Gefängnistheater "Aufbruch"

"Das war für mich die Rettung"

12:18 Minuten
Gefängnistheater Aufbruch, "Sommernachtstraum" von William Shakespeare, Freilufttheater in Kooperation mit dem Kulturbiergarten Jungfernheide, Premiere: 22.7.2020, Regie: Peter Atanassow
In echter Wildnis: Para Kiala mit Krawatte und Hut als Puck in Peter Atanassows "Sommernachtstraum"-Inszenierung. Gespielt wird auf einer verwilderten Freiluftbühne in Berlin. © Thomas Aurin
Para Kiala im Gespräch mit Susanne Burkhardt · 18.07.2020
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Seit 18 Jahren spielt Para Kiala beim Gefängnistheater "Aufbruch". Er ist auch nach seiner Entlassung aus der Haft dem Projekt treu geblieben, derzeit spielt er im "Sommernachtstraum" mit. "Für mich ist Aufbruch meine Familie", sagt Para Kiala.
Eine Gefängnistheaterproduktion im Freien – das scheint ein Widerspruch in sich zu sein. Bei der Theatergruppe "Aufbruch" aus Berlin stehen seit 23 Jahren vor allem Häftlinge auf der Bühne. Gespielt wird entsprechend meistens hinter Gefängnismauern.

Freigänger und Ex-Häftlinge auf der Freiluftbühne

Einmal im Jahr aber verlässt das Team mit Freigängern und ehemaligen JVA-Insassen die Räume und geht nach draußen. Derzeit probt Aufbruch auf einer verfallenen Freiluftbühne: In der Regie von Peter Atanassow gibt Para Ndobasi Kiala den Puck in Shakespeares "Sommernachtstraum".
Erster und beständiger Zuschauer bei den "Sommernachtstraum"-Proben: ein Fuchs.
Erster und beständiger Zuschauer bei den „Sommernachtstraum“-Proben: ein Fuchs© Susanne Burkhardt / Deutschlandradio
Kiala, geboren 1972 in Kinshasa im Kongo, gehört seit 18 Jahren zum freien Team von Aufbruch. Auch wenn er die "dunkle Vergangenheit" seiner Gefangenschaft nicht verschweigt, mag er nicht mehr darüber sprechen, aus welchen Gründen er einst inhaftiert war.
Seit zwölf Jahren ist er wieder ein freier Mann, dem Team von Aufbruch ist er auch nach der Haftentlassung treu geblieben. Seine erste Rolle spielte er unter Peter Atanassow in Peter Handkes "Publikumsbeschimpfung": "Das war für mich die Rettung. Für mich ist Aufbruch meine Familie, mein Alles!", sagt Kiala. Durch die Arbeit mit den Theaterprofis bekämen die Gefangenen die Chance, sich zu resozialisieren, Kontakte zu knüpfen, die helfen, das kriminelle Milieu zu verlassen, in das man sonst nach der Entlassung unter Umständen wieder zurückkehren würde.

Neues Selbstwertgefühl für Inhaftierte

Wichtig, so Para Kiala, sei vor allem, dass die Gefangenen "das Gefühl bekommen, dass sie mehr wert sind als nur diese Nummer. Ich habe sehr viele Erfahrungen gemacht mit Inhaftierten, die sagten, ich fühle mich anders, seitdem ich hier mitspiele."
Das Team von Aufbruch arbeitet seit 23 Jahren zusammen: Atanassow und Co. interessiert dabei nicht, was die Inhaftierten ins Gefängnis gebracht hat. Was sie von allen fordern, die mitmachen wollen, ist Teamfähigkeit, Konzentration und Verlässlichkeit. Dann findet sich für jeden ein Platz in einer Inszenierung. Wie bei Shakespeares "Sommernachtstraum" sind meist alle Rollen mit Männern besetzt.

Sein Traum: eine eigene Inszenierung

Para Kiala arbeitet inzwischen als freiberuflicher Schauspieler, unter anderem in Produktionen der Berliner Schaubühne oder am Theater Konstanz. Seit 2010 macht er Theaterarbeit mit Kindern und dem Verein New Generation e.V.
Gern würde er demnächst auch selbst inszenieren – am liebsten an einem der großen Theaterhäuser. Para Kiala ist optimistisch und entspannt – sein Motto: "Molo molo" – also "Langsam, langsam"…

Shakespeare: SOMMERNACHTSTRAUM
Freilufttheaterproduktion des Gefängsnistheaters AufBruch.
Vorstellungen auf der Gustav-Böß-Freilichtbühne in der Jungfernheide in Berlin sind am 22., 24., 25., 26., 29., 30. und 31. Juli sowie am 1., 2., 5., 6., 7., 8. und 9. August 2020 jeweils um 19 Uhr geplant.

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