Gefängnis-Youtuber

Videobotschaften aus dem Knast

Vlogger mit Basecap und Palästinensertuch vor dem Gesicht in einem Video des Youtube-Kanals "Knast Vlog".
Screenshot aus einem Video des Youtube-Kanals "Knast Vlog", der aus der JVA Berlin-Tegel kommt © Youtube
Von Matthias Dell · 30.08.2018
Den Youtube-Kanal "Knast Vlog" dürfte es eigentlich gar nicht geben - denn er kommt aus einem Berliner Gefängnis, in dem Handys verboten sind. In den Videos des dort einsitzenden Bankräubers geht es um den Alltag, aber auch um Medienkritik.
Der Youtube-Kanal "Knast Vlog" ist etwas Besonderes - und der Mann, der diesen Videoblog, kurz Vlog, betreibt, eine kleine Berühmtheit: Er sitzt im Gefängnis und den Kanal dürfte es eigentlich gar nicht geben. Denn Handys sind im Gefängnis nicht erlaubt - trotzdem hat der Youtuber offenbar eines und stellt seit Anfang Juli Filme von sich online.
Inzwischen hat er fast 100.000 Abonnenten und Millionen Zugriffe. Verurteilt ist er zu zehn Jahren Haft wegen schweren Bankraubs mit Bombendrohung, fünf davon muss er noch absitzen.
Die Videos haben eine gewisse Exklusivität:Weil da jemand wirklich im Gefängnis sitzt und über den Alltag dort, sein Verbrechen, seinen Werdegang erzählt. Wobei schon die Aufmachung des Vloggers, mit Sport-Sweater, Basecap und Palästinensertuch vorm Gesicht, alle Vorstellungen von Gangstern aus dem Kino unterläuft.
Anfangs wurde angezweifelt, dass er wirklich im Gefängnis sitzt - mittlerweile hat die JVA Tegel in Berlin das aber bestätigt. Interessant ist, dass das Gefängnis die Videos nicht verhindern kann. Wenn die Mitarbeiter dort das Handy finden, besorgt sich der Knast-Vlogger ein neues. 7 GB kosten laut seinen Angaben 20 Euro im Gefängnis. Ansonsten können dem Bildproduzenten nur Strafmaßnahmen auferlegt werden.

Kritik an "Aktenzeichen XY ungelöst"

Das "Knast Vlog" ist ein zutiefst dokumentarisches Projekt. Obwohl der Vlogger kein Filmemacher ist, weiß er etwa um Kamerawinkel. Außerdem kommuniziert der Vlogger über Youtube mit seinem Publikum, etwa wenn er Rat in Rechtsfragen sucht. Und gleichzeitig ist die Langzeitselbstbeobachtung auch fürs eigene Archiv, um Bilder festzuhalten, an die er sich in fünf Jahren noch erinnern kann.
Überdies übt er Medienkritik, wenn er seine Sicht auf die Darstellung seines Falls in der Boulevardpresse darlegt; oder wenn er erzählt, was an "Aktenzeichen XY ungelöst"-Rekonstruktionen weggelassen oder verändert wird – um Nachahmer abzuschrecken.
Dem "Knast Vlog" geht es um Aufklärung, Warnung vor dem Verbrechen – aller Selbstinszenierung und Popularitätsgelüste zum Trotz. Das merkt man an der Sprache, wenn der Vlogger über sich und seine künftige Youtuber-Karriere als positives Beispiel redet – "für ein Vorbild reicht es nicht mehr".
Der Erfolg des Kanals ist die Pointe des Projekts – weil das eine Perspektive für die Resozialisierung eröffnet. Ein Weg, um Reue zu zeigen, neue Betätigung und Lebenssinn zu finden, und zu einer bekannten, sich selbst dokumentierenden Person zu werden – das alles sind die Dinge, die den Rückfall ins Kriminelle unwahrscheinlicher werden lassen.
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