Gefährliche Geheimdienste

Die Fremdkörper der Demokratie

Ein Plakat bei einer Protestkundgebung vor einem Komplex des US-Geheimdienstes NSA in Griesheim
Ein Plakat bei einer Protestkundgebung vor einem Komplex des US-Geheimdienstes NSA in Griesheim © picture alliance / dpa / Boris Roessler
Von Ulf Buermeyer · 09.02.2017
Können Geheimdienste unter falscher Führung die Demokratie bedrohen? Angesichts des zweifelhaften Rechtsstaatsverständnisses von Donald Trump, müssten unsere Alarmlampen rot aufleuchten, meint der Richter Ulf Buermeyer.
Die Vereinigten Staaten sind nicht nur das Mutterland der modernen Demokratie. Diese Regierungsform gilt in den USA auch als besonders gefestigt. Oder sollte man besser sagen: Sie galt? Der neue US-Präsident Donald Trump bekennt offen, er befinde sich im "Krieg" gegen die Medien. Es häufen sich Fälle, in denen sich Mitarbeiter der US-Grenzkontrollbehörden nicht an gerichtliche Entscheidungen halten. Richter, die dem Präsidenten nicht genehme Entscheidungen fällen, diffamiert er schon mal als "so genannte Richter", ihre Beschlüsse als "lächerlich".

Es ächzt und knirscht bedrohlich im fast 250 Jahre alten Gemäuer der Washingtoner Gewaltenteilung. Zweifel sind erlaubt, ob der Populist aus New York dieses Grundprinzip der amerikanischen Republik wirklich noch als Errungenschaft betrachtet oder eher als lästige Begrenzung seines Machtanspruchs. Vieles spricht dafür, dass er insgeheim eine möglichst weitgehende Gleichschaltung des Staatsapparats betreibt.

Was passiert, wenn Trump die Geheimdienste missbraucht?

Angesichts dieser beunruhigenden Nachrichten erscheinen auch die Fähigkeiten der amerikanischen Geheimdienste in einem völlig neuen Licht. Die National Security Agency etwa kann weite Teile des Internet-Verkehrs weltweit mitschneiden – viele Jahre sogar unter tatkräftiger Mithilfe des Bundesnachrichtendienstes.

Die NSA und mit ihr mehr als ein Dutzend anderer US-Geheimdienste stehen inzwischen unter dem Befehl Donald Trumps. Es gibt bisher zwar keine Belege dafür, dass er die Geheimdienste eingespannt hätte, um politische Gegner zu verfolgen. Doch alleine, dass er die Möglichkeit dazu hat, lehrt viele liberale Beobachter das Grausen.

Denn der Missbrauch von Sicherheitsbehörden für politische Zwecke hat auch in den USA Tradition. In den 1970er Jahren führte einer der vielen Skandale – das FBI hatte jahrelang Oppositions-Gruppen gegen den Vietnamkrieg illegal ausgeforscht – zur Einsetzung des nach ihrem Vorsitzenden benannten Church-Komitees im US-Senat. Es versuchte, den Skandal aufzuklären, und schlug Reformen vor, die teilweise auch umgesetzt wurden.

Warnungen gab es schon den 1970er-Jahren

Senator Church indes warnte schon damals vor den Möglichkeiten der NSA – im Jahre 1975, als die Geheimdienste noch weit von digitalen Überwachungsmöglichkeiten entfernt waren. Und weiter:

"Wenn in diesem Land jemals ein Tyrann an die Macht käme, dann könnten die technologischen Möglichkeiten, die die Geheimdienste der Regierung bieten, ihr zugleich ermöglichen, uns eine totale Diktatur aufzuzwingen, und es gäbe dann keine Möglichkeit mehr dagegen zu kämpfen. Denn jedes noch so umsichtige Bemühen, sich im Widerstand zusammenzuschließen, egal wie konspirativ man dabei vorginge, könnte von der Regierung in Erfahrung gebracht werden. Das ist ein Abgrund, aus dem es kein Entrinnen gibt."

Diese Mahnung Frank Churchs sollten auch wir in Deutschland stets im Hinterkopf behalten, wenn wir über die Möglichkeiten und die Kontrolle von Geheimdiensten reden: Der BND, der praktisch unbegrenzt Internet-Verkehr mitschneiden und auswerten kann, würde sich etwa nicht über Nacht in Luft auflösen, wenn eine totalitäre Partei das Kanzleramt eroberte.

Geheimdienste müssen auch bei uns stärker kontrolliert werden

Zu einer Demokratie gehört es daher, die Exekutive so zu gestalten, dass keine kontrollfreien Räume entstehen und jederzeit das Primat des Parlaments gesichert ist. Bei Polizei und Justiz funktioniert dies erfreulich gut.

Bei den Geheimdiensten hingegen folgt Skandal auf Skandal, weil sie sich jeder Kontrolle entziehen – so jedenfalls die nahezu einhellige Einschätzung aller, die konkrete Erfahrungen damit in parlamentarischen Kontrollgremien gemacht haben. Geheimdienste sind daher Fremdkörper in einer Demokratie. In guten Zeiten bilden sie nur die dunklen Ecken des Rechtsstaats, in denen Beamte nach Gutdünken schalten und walten.
Wenn aber unsere Grundordnung von oben her bedroht wird, verwandeln sie sich in ein Instrument, das das Abgleiten in den Totalitarismus gefährlich beschleunigen kann. Sie müssen daher durch transparente, demokratisch tatsächlich kontrollierte Sicherheitsbehörden abgelöst werden. Auch im so genannten "Kampf gegen den Terror" gehören nicht die Geheimdienste gestärkt, sondern Polizei und Justiz.

Ulf Buermeyer, geboren 1976 in Osnabrück, ist Richter am Landgericht Berlin. In Schwerpunkten seiner wissenschaftlichen Arbeit befasst der Jurist sich mit Fragen des Verfassungsrechts und des Rechts der Informationstechnik, insbesondere der Telekommunikationsfreiheit, der Informationsfreiheit sowie der informationellen Selbstbestimmung. Buermeyer ist Mitgründer und Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte.


Der Berliner Richter Ulf Buermeyer
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