Dichter Uwe Kolbe

"Gedichte müssen laut gelesen werden"

34:05 Minuten
Der Dichter Uwe Kolbe sitzt in einem Radiostudio
Der Dichter Uwe Kolbe zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur. © Deutschlandradio / Bettina Straub
Moderation: Susanne Führer · 27.12.2022
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Uwe Kolbe ist Dichter. „Das ist meine Form, mit mir und der Welt zu sprechen.“ Niemand sollte Angst vor Gedichten haben. Nicht formale Bildung, Herzensbildung sei gefragt. Der erste Eindruck entscheidet: „Das ist etwas für mich, dann ist es gut.“
Uwe Kolbe war 13, 14 Jahre alt, als er Gedichte für sich entdeckt hat, „mit rotem Kopf und glühenden Ohren“. Er wusste auch schon sehr früh, dass das Gedichte schreiben ihn „auf absehbare Zeit nicht verlassen wird“. Heute ist er 64, und noch immer ist das Gedichte schreiben die Form, „mit mir selbst und der Welt zu sprechen, ins Gespräch zu kommen.“
Wenn er heute Gedichte liest, dann wohl nicht mehr mit glühenden Ohren, aber immer noch „gibt es Überraschung, Entdeckung“. Für Uwe Kolbe steht fest: „Gedichte gehören laut gelesen“.

Freier Autor mit 23

Die Entscheidung, das Gedichte schreiben zum Beruf zu machen, traf aber eher der Schriftsteller Franz Fühmann für ihn, so dass Kolbe mit 23 schon freier Autor war, in der DDR. Fühmann hat Uwe Kolbe sehr gefördert, für die Veröffentlichung seiner Gedichte gesorgt und ihm auch erste West-Reisen verschafft. Das hatte Folgen.
„Mir hätte man nie die andere Seite der Welt zeigen dürfen“, resümiert Kolbe heute. Er hatte sich zwar in der DDR bereits Ärger eingefangen, durfte nicht publizieren, glaubte aber weiter an die Idee des Sozialismus. Doch 12 Stunden in West-Berlin, als er zu einer Lesung ausreisen durfte, änderten das.

Eine West-Reise mit Folgen

1987 konnte Uwe Kolbe mit einem Dauer-Visum in den Westen übersiedeln. In seinem Roman „Die Lüge“ (2014) schreibt Uwe Kolbe über das Leben in der DDR aus seiner Sicht. Der Roman trug „den Arbeitstitel ‚Indolenz‘, und diese Haltung wollte ich darstellen“.

Da fing es an zu gären, dass ich nicht mehr reformieren, gar nichts mehr wollte, sondern einfach begriffen habe: Es gibt eine andere Welt. Es gibt einen anderen Begriff von Freiheit, und es ist sinnlos, immer weiter im Hamsterrad zu rennen.

Uwe Kolbe über seine Reisen nach Westdeutschland

Sind die DDR, der Sozialismus als Idee heute noch ein Thema für ihn? – „Vollkommen tot“.

Vom Atheismus zum Glauben

Uwe Kolbe hat den Glauben für sich entdeckt, einer seiner letzten Gedichtbände trägt den Titel „Psalmen“ (2017). Oder, vorsichtiger formuliert, die Transzendenz.

Ich habe mich für einen militanten Atheisten gehalten. Dabei hätte ich eigentlich immer wissen können, dass Gedichte schreiben nicht ganz frei davon ist, zunächst mal von einem Gegenüber auszugehen, dass nicht eine konkrete Person ist, auch kein konkreter Gott. Aber es gibt in Gedichten ein transzendentes Moment.

Uwe Kolbe

Dieser Glaube, diese Transzendenz ist mal weniger, mal mehr offensichtlich. Am Ende unseres Gesprächs hat Uwe Kolbe sein Gedicht „Vom Zustand“ (aus dem Band „Imago“, 2020) vorgelesen. Es endet mit den Zeilen:

„Ich gehe vor die Tür, mit meinem schwachen Licht
auf dieses Antlitz zu, das eine, kann nur hoffen,
die Hand, die alle hält, ist auch für mich noch offen.“

(sf)

Eine Wiederholung vom 24. Dezember 2021.
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