Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

Kritisches Nachdenken über Zeugen der Erinnerung

08:50 Minuten
Friedemann Körner, ehemaliger Strafgefangener, hält Vortrag für Besucher in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.
Ehemalige Häftlinge, wie hier der Zeitzeuge Friedemann Körner, führen in der Gedenkstätte Berlin-Höhenschönhausen die Besuchergruppen durch den einstigen Stasiknast. © dpa
Juliane Brauer im Gespräch mit Ute Welty  · 05.09.2020
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Zum 20-jährigen Bestehen der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen wird über Zeitzeugen diskutiert. Sie seien Experten der Erinnerung, nicht aber der Geschichte, sagt die Historikerin Juliane Brauer und warnt vor zu viel Emotionalisierung.
Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen begeht dieses Jahr den 20. Jahrestag ihrer Stiftungsgründung. Am Sonntag lädt sie zu einem Jubiläumsprogramm ein, bei dem unter anderem über die Rolle von Zeitzeugen diskutiert wird.
Bei den Führungen durch den ehemaligen Stasiknast kamen seit 1990 viele frühere Gefangene, Regimegegner und Verfolgte in der DDR, zum Einsatz, die den Besuchergruppen von ihren schweren Erfahrungen berichteten. Die Rolle von Zeitzeugen in der Vermittlung von Geschichte ist inzwischen durchaus umstritten.
Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen
Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen gehört als früheres Stasi-Gefängnis zu den eindrucksvollsten Erinnerungsorten der DDR-Geschichte. © picture-alliance/POP-EYE
"Insbesondere kommen Zeitzeugen dann ins Spiel, wenn es darum geht Gewalt- und Unrechtsgeschichte zu vermitteln oder zu dokumentieren", sagt die Historikerin Juliane Brauer. Die Zeitzeugenschaft habe in Deutschland ihren Ausgangspunkt vor allem in der Beschäftigung mit der NS-Geschichte. Seit 1990 sei die Vermittlung der DDR-Vergangenheit sehr intensiv dazugekommen.

Zeitzeugen haben Potenzial, aber auch Gefahren

Den Zeitzeugen werde immer ein großes Potenzial für das historische Lernen und das Verständnis für Geschichte zugeschrieben, so Brauer. Sie gelten als besonders echt und authentisch. "Das hat Potenzial, das hat aber auch Gefahren", sagt die Historikerin. "Man könnte fragen, ist das jetzt der Königsweg bei der Vermittlung von Geschichte oder eine Sackgasse?"
Die Wahrheit liege wohl irgendwo dazwischen. Zeitzeugenberichte seien nur einzelne Erinnerungen und Ausschnitte, die sich im Laufe der Zeit immer wieder veränderten.
Deshalb sei es wichtig, dass Schüler und Schülerinnen vor der Begegnung mit Zeitzeugen lernten, dass es sich um persönliche Erinnerungen handele: "Puzzlestücke in der großen Geschichte." Das seien Bausteine, die sich selbst noch sehr im Fluss befänden.
Diese Erinnerungen einzelner Menschen müssten durch viele andere Quellen gerahmt werden, damit ein großes Gesamtbild von Geschichte entstehe. Zeitzeugen seien Experten für Erinnerung und nicht für Geschichte. Deshalb sei es zu empfehlen, ein Tandem einzusetzen, bei dem ein Historiker und ein Zeitzeuge gemeinsam über die Geschichte sprechen.
(gem)
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