"Gebt uns unsere Namen zurück"

Von Siegfried Forster · 15.02.2010
In Frankreich lebt mit über 500.000 Mitgliedern die größte jüdische Gemeinde Europas. Unter dem Namen " la Force du nom" versucht ein jüdisches Kollektiv derzeit beim französischen Staatsrat durchzusetzen, dass Juden wieder ihre früheren jüdischen Familiennamen tragen dürfen. Bislang ohne Erfolg, weil im französischen Zivilrecht steht, dass man in Frankreich keinen neuen Namen annehmen darf, "der ausländisch klingt". In vielen jüdischen Familien wurde der Name nach dem Zweiten Weltkrieg aus Angst vor einem neuen Antisemitismus französiert, um eventuelle Repressalien oder Nachteile zu vermeiden. Aus Rozenkopf wurde Rosent, aus Frankenstein Franier, aus Fajnzylber Fazel. Doch immer mehr Nachfahren wollen das jüdische Erbe auch im Namen weitertragen und klagen ein, wieder Rubinstein oder Goldmann heißen zu dürfen.
Er kam als Olivier Rubinstein auf die Welt. Doch angesichts antisemitischer Stimmungen im Nachkriegsfrankreich ließ sein Vater den Familiennamen in Raimbaud französieren. Seit 25 Jahren versucht er, seinen früheren Namen Rubinstein zurückzubekommen. Er erzählt, dass der zuständige Richter, der einst seine Klage abgewiesen hatte, ausgerechnet Ronny Abraham hieß und bei der Urteilsbegründung Artikel 61 des französischen Zivilrechts zitierte:

"Niemand in Frankreich darf bei einer Namensänderung einen ausländisch klingenden Namen annehmen."

Mit einem ähnlichen Schicksal kämpft Michel Volcot. Er will endlich seinen richtigen Namen Wolkowicz nicht nur als Künstlernamen tragen, sondern offiziell vom Staat anerkannt bekommen:

"Meine Eltern wurden im Zweiten Weltkrieg in die Konzentrationslager deportiert, weil sie Juden waren. Als sie wieder zurückkamen, versuchten sie zu überleben, trotz allem, was vorgefallen war, weiterzuleben, eine Familie zu gründen. (…) Meine Familie hatte damals keine Wahl. Sie fühlte sich gezwungen, ihren Namen zu ändern. Nach all den Verfolgungen, der Kollaboration der französischen Behörden mit den deutschen Besatzern, dem anhaltenden Antisemitismus. Sie hatten Angst. Für mich hatten sie keine Wahl."

Heute fühlen sich diese französischen Juden gleich zweimal verraten: Einst praktisch zur Namensänderung gezwungen, wird ihr ursprünglicher Familienname nun vom französischen Staatsrat als "unfranzösisch" zurückgewiesen. Für Anwältin Natalie Felzenszwalbe haben sie Anspruch auf ihren früheren jüdischen Nachnamen. Deshalb hat sie mit anderen Intellektuellen das Kollektiv "la force du nom" - "Die Macht des Namens" gegründet:

"Der französische Staat hat die Namensänderungen nach dem Krieg nicht im Hinblick auf eine bessere Integration gemacht, sondern er versuchte, Diskriminierungen zu verhindern. Dahinter steckte ein Schuldbewusstsein. ( ... ) Die heutige Weigerung, die ursprünglichen jüdischen Namen wieder anzuerkennen, zeugt von einer bestimmten Auffassung der französischen Identität. ( ... ) Das stellt die Frage nach einer angeblichen Reinheit französischer Namen und der französischen Sprache. Das sind Dinge, die wir heftig bestreiten."

Juden in Frankreich – Fremde im eigenen Land? Der französische Staatsrat und das Justizministerium haben mittlerweile eine gewisse Offenheit signalisiert – allerdings werde jeder Fall getrennt beurteilt. Das Ministerium für Immigration und nationale Identität wollte sich hingegen nicht dazu äußern – offenbar ein zu heißes Eisen in der aktuellen Debatte über die nationale Identität in Frankreich.
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