Garth Risk Hallberg: "City on Fire"

Nacht des Weltuntergangs in New York

Die schwarz-weiße Silhouette New Yorks mit nur wenigen beleuchteten Fenstern: Nur wenige Notbeleuchtungen funktionierten in der heißen Sommernacht des 14. Juli 1977, als ein gigantischer Stromausfall New Yorks Lichter ausgehen ließ.
Nur wenige Notbeleuchtungen funktionierten in der heißen Sommernacht des 14. Juli 1977, als ein gigantischer Stromausfall New Yorks Lichter ausgehen ließ. Zehn Millionen Menschen, hieß es damals, seien vom Blackout betroffen gewesen. © picture alliance / dpa / UPI
Von Fabian Wolff · 30.03.2016
Die Katastrophe des 25 Stunden langen Stromausfalls in New York 1977 ist der Motor für Garth Risk Hallbergs nun auf Deutsch erschienenen Roman "City on Fire". Der Plot des US-Amerikaners um Gentrifizierung, Jugendliebe und Punk zwischen Idealismus und Nihilismus erweist sich jedoch als arg konstruiert.
1977 fiel in New York der Strom aus, und eine Nacht lang schien die Welt unterzugehen. Die 25 Stunden in der Finsternis sind der Motor für Garth Risk Hallbergs 1000-Seiten-Roman. Bevor es zu dieser Katastrophe kommt, begleitet der Autor einen jungen Punker, einen Banker, einen Schriftsteller und andere Figuren durch die Stadt.
Das New York der 70er brauchte eigentlich keinen Stromausfall, um im Chaos zu versinken. Nach der nationalen Wirtschafts- und einer lokalen Finanzkrise stand die Stadt kurz vor dem Ruin. Kriminalität und Armut stiegen dramatisch, die Polizei verteilte Broschüren mit der Aufschrift "Fear City" an Touristen, in denen sie davor gewarnt wurden, ihr Hotelzimmer zu verlassen. Hallberg zeigt New York als urbane Hölle, die zum Spielplatz für junge Künstler und rabiate Unternehmer wird.

Hallberg will in Romanen eine Botschaft transportieren

Ebenso wie die Stadt, scheint auch Hallbergs Buch zu explodieren. Der als Junggenie gefeierte Autor jongliert mit einer großen Zahl von Romanfiguren, die alle ihre Geschichte und eigene Sprache haben. Dazu verwendet er Einschübe aus handschriftlichen Briefen, Notizbucheinträge, und er zitiert aus dem Fanzine einer der Hauptfiguren. Auch wenn diese stilistische Vielfalt und die wechselnden Perspektiven es nahelegen, ist "City on Fire" keine Meta-Literatur.
Hallbergs Anliegen ist grundsätzlicher, fast schon naiv. Als Literaturkritiker hat sich Hallberg für Romane ausgesprochen, die nicht nur abbilden, sondern auch eine Botschaft transportieren. Diese Festlegung ist irritierend. Hallberg ist auf der Suche nach einer neuen Ethik der Literatur, aber er findet sie nicht (wie etwa David Foster Wallace) in der Verwirrung, sondern in der Eindeutigkeit - wie sein Vorbild Charles Dickens. Hallberg gehört damit zu einer Generation junger US-amerikanischer Schriftsteller, die sich am 19. Jahrhundert orientieren und sehr lange und sehr ernsthafte Romane schreiben, in denen sie die versuchen, die Totalität einer Gesellschaft abzubilden.
Der Plot um Gentrifizierung, Jugendliebe und Punk zwischen Idealismus und Nihilismus erweist sich im Rückblick als arg konstruiert. "City on Fire" funktioniert eher als eine nervöse Sammlung vieler Kurzgeschichten und Prosaskizzen, die durch einen behäbigen narrativen Rahmen zusammengehalten werden.

Nach dem Stromausfall liegt die Stadt in Trümmern

Die Veröffentlichung des Romans in den USA wurde von einem wahren Hype begleitet. Mit einem Rekordvorschuss von zwei Millionen Dollar hatte sich Knopf als einer von sieben konkurrierenden Verlagen den Roman gesichert. Die Verkaufszahlen sind allerdings nur mittelmäßig, die Kritik hat höflich bis befremdet reagiert. Die Website "The Awl" veröffentlichte sogar eine Liste der 50 inakzeptabelsten Sätze, die sich tatsächlich alle ziemlich verschwurbelt geben.
Die deutsche Übersetzung von Tobias Schnettler ist weniger überhitzt als das Original, was nicht an allen Stellen ein Vorteil ist. Denn das Buch lebt gerade von den wechselnden Tonfällen seiner Figuren.
Nach der langen Nacht im Feuer reiben sich diese Figuren die Augen - oder sie sind tot. Als in New York die Lichter wieder angingen, lag die Stadt nach Plünderungen und Einbrüchen in Trümmern. Die von Hallberg in seinem Roman so naturgetreu beschriebene Gegenwelt der Punker und Bohémiens wurde bald danach durch Gentrifizierung und die Krankheit Aids zerstört. "City on Fire" ist eine finstere Liebeserklärung an die Stadt im Schmutz: an einen Phönix, bevor er in Asche aufgeht.

Garth Risk Hallberg: "City on Fire"
aus dem Amerikanischen von Tobias Schnettler
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2016
1080 Seiten, 25 Euro

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