Games-Rückblick

Als realer Mensch in virtuellen Welten

Ein Besucher erlebt Virtual Reality beim Hewlett Packard Enterprise Experience Center of Futre Cities in Qingao, China, am 16.11.2016.
Seit diesem Jahr gibt es drei marktreife Virtual-Reality-Systeme für zu Hause: Vive, Oculus Rift und Playstation VR. © imago / Zuma Press
Von Marcus Richter  · 27.12.2016
Virtual Reality ist das Thema des Jahres - ein völlig neues Eintauchen in eine Spielewelt. Pokémon Go wurde zum Massenphänomen, Doom kehrte zurück: Spiele-Experte Marcus Richter mit seinem persönlichen Jahresrückblick.
Das Thema des Jahres? Virtual Reality. Doch wirklich. Egal, wie oft es schon beschworen wurde: Dieses Jahr war es soweit. Da sind sich alle einig. Nur über die Bedeutung dessen, was da passiert ist, darüber wird noch gestritten. Aber der Reihe nach.
Nicht von der Hand zu weisen ist, dass es seit diesem Jahr drei marktreife Virtual-Reality-Systeme für zu Hause gibt. HTC Vive, Oculus Rift und Playstation VR. Tatsache ist auch, dass es zahlreiche Spiele für diese Systeme gibt.
"Hex sie dir das an" – "Meine Scans zeigen an, dass dies ein Hochrisiko-Bereich ist, da es sich um ein Tyrannosaurus-Nest handelt."
Zum Beispiel "Robinson": Es ist eine völlig neues Eintauchen in eine Spielewelt, wenn ich in der dreidimensionalen Grafik stehe. Der riesige Dinosaurier ist direkt vor mir und meine Handbewegungen werden als Kletterbewegungen ins Spiel übersetzt. Ich kann mich als realer Mensch in der virtuellen Welt bewegen. Wahnsinn.
"Das hast du gut gemacht, dass du solange überlebt hast. Andere kommen vermutlich nicht so gut klar."
Denn: VR ist teuer. Mehrere hundert Euro – mindestens. VR braucht viel Platz. VR-"Brillen" sind immer eher "Helme". Das Bild ist alles andere als perfekt. Man spielt meist alleine. Für die anfängliche Begeisterung reicht es. Aber was kommt dann?
"Ah yes, you must be our new accountant, finally!"

Virtuelle Realität vorerst Experten vorbehalten

VR funktioniert momentan am besten so wie im Spiel "Accounting", als Inszenierung: Man wird in einer knappen halben Stunde als VR-Buchhalter durch ein paar aberwitzige Comic-Szenarien getrieben. Das ist erfrischend irre, aber es ist auch gut, wenn es vorbei ist.
Geschrei, Explosion, "The Calling Machine broke!!"
Fazit deshalb: Virtual Reality wird vorerst Expertenanwendern vorbehalten bleiben, VR hat eher Erlebnis- und Eventcharakter. Und als Medium ist Virtuelle Realität noch auf der Suche nach einer eigenen Sprache.
Was sonst noch geschah? Man kann eigentlich nicht über Games und 2016 reden, ohne Pokémon Go zu erwähnen. Und zwar nicht nur wegen der Massenbegeisterung, die das Smartphone-Spiel auslöste – interessant ist es vor allem auch weil es deutlich einen Paradigmenwechsel beim Traditionskonzern Nintendo zeigt: Der japanische Spielehersteller ist im Zeitalter des Smartphones angekommen.
Bis jetzt hatte der Nintendo ausschließlich eigene Spiele für eigene Konsolen hergestellt. Anfang des Jahres gab es den missglückten Versuch eines sozialen Netzwerks, im Sommer – relativ plötzlich und unerwartet – Pokémon Go und zum Ende des Jahres noch das "Super Mario Run" für Apples iOS.
Die Begeisterung für Pokémon Go ist – wegen des dann doch eher einfachen und irgendwann langweiligen – Spielprinzips schnell wieder abgeflaut und wie sich Super Mario Run entwickeln wird, ist noch nicht ganz klar, aber 2016 wird als das Jahr in die Videospielgeschichte eingehen, in dem Nintendo anfing für andere Plattformen Videospiele zu produzieren oder in Auftrag zu geben.
"I think Greater my fear of death is that of insignificance."
2016 ist außerdem das Jahr, in dem das noch relativ junge Genre der sogenannten "Exploration Games" zum festen Bestandteil der Mainstream-Spielekultur wurde – auch wenn das so manch hartgesottener Gamer noch anders sieht.
"No, there gross yeah, yeah."

Erkundungs-Spiele mit berührenden Geschichten

Diese "Erkundungs-Spiele" wie "That Dragon Cancer" oder "Firewatch" haben dieses Jahr eindrücklich gezeigt, wie sich einfühlsame, schöne und auch bedrückende Geschichten erzählen lassen – der Verlust eines krebskranken Kindes oder die Einsamkeit eines Waldwächters wäre durch Punktelisten, Lebensbalken und Geschicklichkeitstests nur schwer zu erzählen – aber das einfache Umherstreifen in den Spiele-Welten und Geschichten scheint dafür die richtige Inszenierungsform.
"Die Leute vom Crystal sind der Kaiserin treu und ich drucke einen Monat lang täglich einen Artikel um sie daran zu erinnern." – "Crystal hat jetzt eine neue Kaiserin und jetzt brauchen Sie einen neuen Drucker" – "Nur ein Trottel droht einem Mann, dem…"
Zum Abschluss dann doch noch kurz einen Blick in die Blockbuster-Abteilung, die wie so häufig in den Jahren zuvor vor allem mit Remakes und Fortsetzungen befüllt wurde. Hier gibt es zwei positive Überraschungen:
Einerseits Dishonored 2, in dem Architektur eine wichtige Rolle spielt, das eine vielfältige Besetzung hat und das man wirklich durchspielen kann, ohne zu töten, obwohl es ein Assassinenspiel ist. Und:
"Sie sind wild brutal, unerbittlich, ohne Gnade. Aber du. Du wirst schlimmer sein! Reiße und zerfetze, bis es vollbracht ist!"
2016 ist auch das Jahr, in dem Doom zurückkehrte. Der erste erfolgreiche 3D-Egoshooter ist neu aufgelegt worden. Und ist überraschenderweise keine Nostalgie-Abzocke, sondern spielt sich großartig. So flüssige Spielmechanik, so packende Action, so wenig Sich-selbst-Ernst-nehmen und dabei noch gekonnt Konventionen brechen − hat dieses Jahr niemand geliefert.
"Meine Schwestern und Brüder ihr dürft dankbar sein. Und das jetzt!"
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