Heavy Kickers

Fußballspielen mit Übergewicht

06:59 Minuten
Spieler der Heavy Kickers in Selm (NRW)
Die Heavy Kickers aus Selm spielen in der 1. Übergwichtigen-Fußball-Liga NRW. © Heavy Kickers
Von Heinz Schindler · 21.05.2023
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Spiele quer über den Platz, kleine Tore, zweimal 35 Minuten: Seit April kämpfen sechs Teams in der 1. Übergewichtigen Fußball-Liga NRW um die Meisterschaft. Den Kickern geht es um Bewegung, Fitness, Spaß - und darum, nicht ausgeschlossen zu werden.
Der Montagabend gehört auf der Anlage des PSV Bork in einem Stadtteil von Selm in Nordrhein-Westfalen all denjenigen Fußballern, bei denen die Bewegung im Vordergrund steht: den alten Herren, den Gehfußballern und seit vier Jahren auch den Heavy Kickers.
Das sind Fußballer mit Übergewicht, wie etwa der 19-jährige Emil Hördemann: „Ich hatte vorher in der A-Jugend gespielt hier im Verein. Dann war die Frage, in welcher Mannschaft das jetzt für mich weitergeht.“

Hier spielt niemand mit Idealmaß

Ein Freund hat ihn hierher mitgenommen, bei seinem Mannschaftskollegen David Buchmann war es hingegen Eigeninitiative.

Der Gedanke, wieder Fußball zu spielen, war schon ziemlich lange da. Aber der sportliche Ansatz war bei mir nicht gegeben. Ich wollte nicht in eine Mannschaft kommen, wo alle 70 Kilo Idealmaß haben und mir davon ziehen. Und als ich das dann mitbekommen habe, war relativ klar: Okay, das müssen Leute wie ich sein, die auch in der Lage sind, über sich selber mal zu lachen und auch einfach mal selber hinzunehmen, dass wir ein bisschen schwerer sind und dass wir halt nicht diese Leistung bringen.

David Buchmann, Spieler bei den Heavy Kickers

Der 25-jährige verteilt auf 1,95 Meter Größe etwa 135 Kilo. Er ist kein Modellathlet, wie jeder andere in der Mannschaft auch. Was etwa das Umziehen in der Kabine wesentlich vereinfacht. Früher hatte er das anders erfahren.

„Also als Kind hat man das oft gemerkt. Da war das tatsächlich eine Sache. Mit den Jahren bin ich dann selber sehr groß und muskulös geworden. Dann hat der eine oder andere sich nicht mehr getraut, was zu sagen. Aber die Gedanken waren natürlich trotzdem da, das hat man gemerkt. Dann wurde getuschelt. Das braucht man nicht. Das hat im Sport nichts zu suchen. Hier ist jeder willkommen - und das ist das Wichtigste.“

Was passiert, wenn jemand abnimmt?

Wenn es um Diskriminierungen im Sportverein geht, werden Übergewichtige oftmals übersehen. Der Fußball scheint den Athletischen zu gehören, den Ehrgeizigen, den normalgewichtigen Pokalabstaubern.
Um bei den Übergewichtigen mitspielen zu können, hat man sich als Aufnahmekriterium auf einen Body-Mass-Index von 31 geeinigt - oder wenn es offenkundig ist.
Ein Mindestgewicht gibt es nicht, sagt Mike Kraus, Teammanager der Heavy Kickers.

„Wenn wir schon sehen, dass Leute nicht übergewichtig sind oder ein kleines Bierbäuchlein haben, dann sagen wir schon, das passt nicht. Weil wir auch dieses Gleichgewicht in der Mannschaft nicht stören wollen. Die Frage kommt auch immer: Was passiert, wenn abgenommen wird? Wir haben Leute, die abnehmen. Ich bin selber gerade auch wieder dabei. Die werden die Mannschaft nicht verlassen, sondern wir haben für unseren Spielbetrieb eine Regel aufgestellt: Die dürfen bei uns bleiben, die dürfen auch mitspielen. Maximal zwei von denen gleichzeitig auf dem Platz. Also bleibt das in der Gemeinschaft.“

Montags spielt die Übergewichtigen-Fußball-Liga

Seit April spielt immer an Montagen die Übergewichtigen-Fußball-Liga. Die Spiele finden quer über den Platz und auf kleine Tore statt und dauern zweimal 35 Minuten. Sechs Mannschaften spielen eine Doppelrunde.
Sie sind zum Teil auseinander hervorgegangen zwischen Menden im Sauerland, Selm im Münsterland und Oberhausen. Namen wie „Heavy Kickers“ oder „Big Boys“ verraten die Fähigkeit zur Selbstironie und mit den „Borussia-Fans im Training“ ist auch ein Verein dabei, der vom BVB unterstützt wird.

„Die Bundesligavereine haben ja dieses Fans-im-Training-Programm. Und die Dortmunder Mannschaft, die bei uns ist, das sind Leute, die haben da mitgemacht. Und sind dann hängen geblieben, haben dann eine eigene Gemeinschaft gegründet und sind dabei geblieben. Es gibt also bei den anderen Bundesligavereinen auch diese Fans-im-Training Programme. Es gibt einige Gruppen, die sich dann noch mal zu Turnieren treffen, aber aktiv spielen tun sie nicht.“

Es geht hier auch um Inklusion

Was bedauerlich ist, geht hier doch auch um Teilhabe und eine Form von Inklusion. Was sich große Vereine gern auf ihre Fahnen schreiben.
Spieler der Heavy Kickers in Selm (NRW)
Um bei den Übergewichtigen kicken zu können, müssen die Spieler einen Body-Mass-Index von 31 haben - oder wenn es offensichtlich ist.© Heavy Kickers
Die übergewichtigen Fußballer balancieren derzeit zwischen organisiertem Vereinsfußball, da ihre Gruppen sich Vereinen angeschlossen haben, und einer selbst organisierten Liga.

Es braucht mehr Vereine, die sich engagieren

„Da wir Vereinsmannschaften sind, nutzen wir auch die Tools des DFB. Das heißt, wir werden in DFB.net geführt, unsere Spiele werden offiziell angemeldet, wir bekommen offiziell einen Schiedsrichter. Das Einzige, was wir nicht bekommen, ist eine offizielle Tabelle. Weil man uns nicht einordnen kann. Wir sind keine Alte-Herren-, wir sind keine Kreisligamannschaft.“
Es braucht mehr Leute und Vereine, die sich dafür engagieren, dass auch in anderen Regionen Deutschlands ein Spielbetrieb für Übergewichtige entsteht.

Der Ligamanager wünscht sich Sponsoren

Ligamanager Mike Kraus wünscht sich Sponsoren, einen Promi als Zugpferd und Besuch vom DFB - egal, in welcher Reihenfolge.

Man braucht einfach, wie überall, den Richtigen, dass da jemand ist und sagt: Das finde ich genial - und der hat auch dann die Möglichkeiten. Bei Sponsoren können wir uns zum Beispiel auch Krankenkassen vorstellen, die ihren Mitgliedern sowas auch bieten können. Es gibt Möglichkeiten bei den Verbänden DFB und so weiter, dass die sich das mal anschauen. Da sind wir offen.

Ligamanager Mike Kraus

Was ein Besucher auf dem Trainingsplatz beim PSV Bork sieht, das ist Fußball nicht ganz auf Kreisliganiveau, dafür engagiert, aber ohne falschen Ehrgeiz. Jeder spielt, so wie er es kann.
Immer wieder feuert man sich gegenseitig an, muntert sich auf, was der ganzen Atmosphäre eine ganz eigene Form von Leichtigkeit vermittelt, die auch David Buchmann vor seinem allerersten Training angesprochen hatte.

"Kameradschaft ist das A und O"

„Ich bin zum Probetraining gekommen. Ich wurde herzlichst begrüßt. Dann wird auch nach dem Training mal noch zusammen in der Kabine was getrunken. Das ist alles superherzlich und die Kameradschaft ist das A und O.“

Die Grundkomponenten des Freizeitfußballs finden sich ganz leicht wieder bei den übergewichtigen Spielern. Hier, so hat man den Eindruck, ist es nur ein kleiner Schritt von „schwer“ zu „schwer in Ordnung“.    

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