"Man v Fat"-Hobbykicker

Fußballer kämpfen spielerisch gegen Übergewicht

Fußballer der "Man v Fat" - Liga stehen am 07.12.2016 in Colchester (Großbritannien) vor einem Fußballplatz.
Spieler der "Man v Fat"-Liga stehen vor einem Fußballplatz im britischen Colchester. © picture alliance / dpa / Maria Stöhr
Von Hendrik Buchheister · 08.04.2018
Das Motto lautet "Männer gegen Fett": In lokalen Ligen in England, Schottland, Irland und Nordirland spielen Hobbykicker Fußball, um gemeinsam Gewicht zu verlieren. In die Wertung der Spiele fließen nicht nur Tore ein, sondern auch die verlorenen Pfunde.
Ein Montagabend, das Flutlicht brennt. Auf einem Kunstrasenplatz der Universität von Manchester spielen Männer aus verschiedenen Altersklassen Fußball. Sechs gegen Sechs, es geht zur Sache. Dabei sind Sieg oder Niederlage nebensächlich. Alle Spieler haben das gleiche Ziel. Sie wollen beim "Männer gegen Fett"-Fußball abnehmen.
Sven Venning ist 28 Jahre alt und kommt aus Australien. Eine kleine Frau mit braunen Haaren. Sie ist für die Organisation der Spiele zuständig:
"Männer-gegen-Fett-Fußball richtet sich an übergewichtige und fettleibige Männer. Um der Liga beizutreten, braucht man einen Body-Mass-Index von 27,5 oder höher. Auch das verlorene Gewicht fließt in die Wertung ein. Auf dem Platz schießen die Spieler ganz normal Tore. Und sie können durch Gewichtsverlust Tore erzielen."

Abnehmen wird in Treffer umgerechnet

Vor jedem Spiel müssen die Spieler auf die Waage. Ihr Gewicht wird im Spielerpass notiert. Haben sie abgenommen, wird ihre Mannschaft belohnt.
Sven Venning: "Wer im Vergleich zur Vorwoche Gewicht verliert, bekommt ein halbes Tor. Ein Gewichtsverlust dreimal nacheinander ist ein Hattrick. Das bedeutet ein ganzes Tor. Wenn die Spieler fünf oder zehn Prozent ihres Ausgangsgewichts verloren haben, bekommt ihre Mannschaft drei Tore."
Die Spiele beginnen also nie bei 0:0. Schon vor dem Anpfiff werden den Teams Tore angerechnet. Entscheidend über Sieg oder Niederlage ist nicht nur die Leistung auf dem Platz.
"Es geht mehr darum, Gewicht zu verlieren. Der Fußball ist sekundär. Du kannst richtig schlecht spielen und auf dem Rasen 0:4 verlieren, trotzdem kann es am Ende wegen des Gewichtsverlusts 5:4 für deine Mannschaft stehen."
Sagt David. Er ist 30 Jahre alt und spielt seit einem Jahr beim "Männer gegen Fett"-Fußball mit.

In einem halben Jahr fast 20 Kilogramm verloren

In dieser Zeit hat er nach eigener Aussage fast 20 Kilo abgenommen. Trotzdem darf er weiter beim Abnehm-Fußball mitmachen. Die Spieler sollen ihr Gewicht auch halten. Sie sollen nicht in den alten Trott zurückfallen.
"Ich gehöre wahrscheinlich zu den größten Gewichts-Verlierern. Das zeigt den anderen Spielern, was möglich ist, wenn man voll dabei ist. In den ersten Wochen habe ich nach jedem Spiel gemerkt, wie sehr ich außer Atem bin. Dann habe ich angefangen, die Sache ernst zu nehmen, auf meine Ernährung zu achten und mehr Sport zu machen. Damit hat sich alles geändert."
Männer-gegen-Fett-Fußball ist kein Abnehmprogramm. Mit einem lockeren Kick einmal die Woche ist es nicht getan, sagt Sven Venning:
"Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass eine halbe Stunde Fußball dich nicht fit macht. Du musst auch andere Sachen ändern, wenn du abnehmen und das Gewicht halten willst. Es geht darum, sich selbst in Schwung zu bringen."
Sie gibt den Spielern Tipps für die Ernährung und Ratschläge, was sie neben dem Fußball machen können, um Gewicht zu verlieren. Oft sind das ganz banale Dinge. Zum Beispiel mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren anstatt den Bus zu nehmen. Über WhatsApp besprechen die Spieler, was sie zum Mittagessen hatten oder ob sie am Abend noch laufen gehen.
Wenn man sich auf dem Sportplatz in Manchester umschaut, sieht man – na klar! – einige sehr dicke Spieler. Doch nicht allen Teilnehmern ist ihr Übergewicht anzusehen.

Kneipenbesuche nach dem Spiel sind erlaubt

Zur Selbstkasteiung soll das Leben beim Abnehm-Fußball nicht werden. Kneipenbesuche nach dem Spiel sind erlaubt. Und wer es am Wochenende krachen lässt, soll eben unter der Woche weniger essen.
Auch Andrew spielt in der Liga in Manchester. Fußball hält er für ideal, um übergewichtige Männer in Bewegung zu bringen:
"Ich habe mich immer damit rausgeredet, dass es mich langweilt, zu laufen oder ins Fitness-Studio zu gehen. Aber wenn man mir einen Ball gibt, dem ich hinterher laufen kann, mache ich das den ganzen Tag. Ich bin im Internet auf Männer-gegen-Fett-Fußball gestoßen. Das klang genau nach dem, was ich immer gesucht habe. Ich hatte keine Entschuldigung mehr."
Ein Vorteil gegenüber normalen Fußball-Runden ist seiner Meinung nach, dass sich niemand seines Körpers schämen muss. Alle Spieler sind in der gleichen Situation.
"Ich habe immer gerne Fußball gespielt. Aber wenn du zunimmst, willst du nicht mehr so viel spielen. Du hast das Gefühl, die Mannschaft hängen zu lassen, weil du nicht mehr so schnell und beweglich bist. Manche Leute machen sich über dich lustig, weil du der Dicke im Team bist. Das ist hier kein Thema."

Hören Sie dazu auch ein Interview mit Jörg Scheller, Kunstwissenschaftler und Freizeit-Bodybuilder über die Ästhetik des Bodybuildings. Er ist Kunstwissenschaftler, Kritiker, lehrt an der Zürcher Hochschule der Künste. Seine Dissertation hat er über Arnold Schwarzenegger geschrieben, in der Zürcher Kunsthalle hat er die Ausstellung "Building Modern Bodies. Die Kunst des Bodybuildings" kuratiert.

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