Erste Fußball-WM im arabischen Raum

Stolz und Vorurteil

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Dieser Fan hat Grund zu jubeln: Saudi-Arabien besiegt bei der WM in Katar den früheren Weltmeister Argentinien in der Vorrunde.
Grund zu jubeln: Saudi-Arabien besiegt bei der WM in Katar den früheren Weltmeister Argentinien in der Vorrunde. © picture alliance / dpa / Robert Michael
Jakob Krais im Gespräch mit Axel Rahmlow · 22.11.2022
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Viele Menschen schimpfen auf die WM in Katar, kritisieren Menschenrechtsverletzungen oder wollen nicht zuschauen. Dabei sollte nicht in Vergessenheit geraten, wie viel die WM für die Region bedeutet, sagt Kulturwissenschaftler Jakob Krais.
Die Fußball-WM in Katar trifft in Europa auf sehr viel Skepsis, Ablehnung, Desinteresse. "In der arabischen Welt sind viele Menschen stolz, dass zum ersten Mal eine WM dort in der Region stattfindet", sagt der Professor für Neuere und Neueste Kulturgeschichte Nordafrikas, Jakob Krais. "Das ist etwas ganz Besonderes, auf das man sich freut."

Die WM bedeutet für Katar vor allem Macht

Gleichwohl sei Katar nicht der ideale Ausrichter, meint Krais. Auch in der arabischen Welt werde der Golfstaat durchaus ambivalent gesehen. "Auch in der arabischen Welt gibt es durchaus Kritik an den Ländern." Länder mit großer Tradition und Geschichte wie Ägypten hätten bislang eher auf die neureichen Golfstaaten heruntergeschaut, sagt er.

Trotzdem ist es wichtig für die Menschen in der arabischen Region, dass die WM auch mal dort stattfindet.

Jakob Krais

Jakob Krais hat das Buch "Spielball der Scheichs. Der arabische Fußball und die WM in Katar" geschrieben. Für ihn spielt die Macht, die mit der WM verbunden ist, "vor allem die soft power", für Katar eine zentrale Rolle. Die Fußball-Tradition im Golfstaat sei nicht sehr ausgeprägt. Man wolle sich durch die Sportereignisse als kleines Land auf der Karte etablieren, meint Krais.

Fußballfans haben Anteil an Protesten

Dabei gibt es ja im arabischen Raum durchaus Mannschaften, die mit guten Teams aus Europa oder Südamerika mithalten können, Saudi-Arabien oder Tunesien etwa.
In Nordafrika gebe es zudem eine ausgesprochene Fußballtradition, sagt Krais: Tunesien, Algerien, Ägypten, Marokko seien durchaus schon erfolgreich gewesen. Und es gibt eine interessante Fankultur und eine lange Fußballtradition: "Da wird schon genau so lange Fußball gespielt wie bei uns in Deutschland."
Wie blicken die Fans in der arabischen Welt auf die Menschenrechtslage? "Gerade in Ägypten sind die Fußballfans sehr politisch", sagt Krais. "Bei der Revolution vor zehn Jahren standen die Fußballfans an der Spitze der Proteste und hatten einen wichtigen Anteil an den Umstürzen."
In Marokko und Algerien seien die Ultras weiterhin sehr aktiv und engagiert, meint Krais. "Gerade in autoritären Systemen kann man in Fußballstadien Dinge sagen, die man sich sonst nicht so trauen würde."

Jakob Krais: "Spielball der Scheichs. Der arabische Fußball und die WM in Katar"
Werkstatt-Verlag, Bielefeld 2021
256 Seiten, 19,90 Euro

(ros)
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