Fußball-EM trotz Pandemie

"Ein völlig falsches Signal"

04:58 Minuten
Eine Passantin geht in Kopenhagen am Logo der Fußball-Europameisterschaft UEFA EURO 2020/2021 vorbei, das an einem Bauzaun befestigt ist. Kopenhagen ist einer der Austragungsstädte des Turniers.
Wo es um Geld geht, kehrt wieder Normalität ein - während die Breitensportler warten müssen: Auch das kritisiert der Sozialpsychologe Harald Welzer an der Fußball-EM 2021. © AFP / Jonathan Nackstrand
Harald Welzer im Gespräch mit Anke Schaefer · 11.06.2021
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Mit der dezentral ausgetragenen Fußball-EM werde das Coronavirus einmal quer durch Europa geschickt, kritisiert der Sozialpsychologe Harald Welzer. Er warnt: Es sei eine Illusion zu glauben, die Pandemie wäre vorbei.
Volles Haus in Budapest, halbvolles in Baku und St. Petersburg – und immerhin 14.000 im Münchner Olympiastadion: Bei der EM wird es wieder Großveranstaltungen mit viel Publikum geben.
Der Sozialpsychologe Harald Welzer hält das für ein völlig falsches Signal.
"Ich hätte es besser gefunden, wenn das Ganze nicht stattgefunden hätte bzw. nicht dezentral und auch nicht mit Zuschauern", sagt er. "Ein solches Massenevent dezentral stattfinden zu lassen, ist ja im Grunde genommen gleichbedeutend damit, dass man das Virus auf die Reise einmal quer durch Europa schickt."
Und das allein aus monetären Gründen: Denn während dort, wo "Big Business" herrsche, wieder Normalität einkehren dürfe, müssten die Breitensportler in den Vereinen viel länger mit Einschränkungen leben, kritisiert der Sozialpsychologe.

Die Pandemie ist noch nicht vorbei

Insgesamt wäre es eine Illusion zu glauben, dass die Pandemie vorbei sei, warnt Welzer mit Blick auf die trotz hoher Impfquote wieder stark ansteigenden Infektionszahlen in England. Vor diesem Hintergrund hält der Sozialpsychologe eine "vorausschauende Öffnungsstrategie, was Großveranstaltungen angeht", generell für angebracht.
"Unsere Zahlen fallen ja wesentlich schneller, als die Modellierer vorhergesagt haben. Das heißt, es gibt hier eine dynamische Bewegung nach unten, die man gar nicht vollständig erklären kann", so Welzer. "Genauso wie wir umgekehrt bei der Aufwärtsbewegung der Infektionszahlen Prozesse haben, die man auch nicht richtig erklären konnte."
Angesichts solcher Unklarheiten brauche man Rückfalloptionen wie die Feststellung der epidemischen Notlage von nationaler Tragweite, die heute vom Bundestag bis Ende September verlängert werden soll. "Sonst läuft man Gefahr, in eine dann wieder unkontrollierte Situation zu geraten."
(uko)

Harald Welzer ist Direktor von "Futurzwei – Stiftung Zukunftsfähigkeit" und Honorarprofessor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg.

Die gesamte Sendung "Der Tag mit Harald Welzer" hier zum Nachhören:
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