Zum Tod von Betty Davis

Funk-Pionierin und sex-positives Role Model

08:36 Minuten
Schwarz-weiß Portrait der amerikanischen Funk, Soul und R&B Sängerin Betty Davis, New York, 1969.
Betty Davis und Jazz-Star Miles Davis waren nur ein Jahr verheiratet. In dieser Zeit haben sie einander aber stark beeinflusst. © Getty Images / Anthony Barboza
Norman Müller im Gespräch mit Carsten Beyer |
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Betty Davis hatte eine spektakuläre Stimme und trat kompromisslos auf: In den 70er-Jahren ignoriert, gilt die Ex-Frau von Miles Davis heute als Wegbereiterin von sex-positiven Stars wie Madonna und Cardi B. Nun ist sie mit 77 Jahren gestorben.
Betty Davis war Funk-Pionierin und wurde zum Role Model: Sie stand in den 70er-Jahren für ein neues weibliches Selbstbewusstsein in der Welt der schwarzen Musik von Funk, Soul und R’n’B. Gestern ist sie im Alter von 77 Jahren gestorben.

Zu explizit für Radio und Fernsehen

Bemerkenswert ist, dass Betty Davis zum Vorbild avancierte, obwohl ihre Musik damals gar kein großes Publikum gefunden hat: Ihre Texte waren zu explizit fürs Radio, ihre Performances zu schockierend für das Konzertpublikum, die Künstlerin selber zu kompromisslos für die Musikindustrie.

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„Sie hat zwar nur drei Alben veröffentlicht und eine überschaubare Zahl an Konzerten gespielt, aber ihre Musik und vor allem die Performance waren in den 70ern ziemlich aufsehenerregend und ziemlich skandalös“, sagt Musikkritiker Norman Müller.  

Eine Frau, die Sachen einfordert

Es sei schwierig, von ihr bewegte Bilder zu finden. Ein Konzertkritiker habe in den 70er-Jahren aber geschrieben, Betty Davis zum ersten Mal live zu erleben, sei, als sähe man seinen ersten Pornofilm, wenn man einen Disney-Film erwartet habe.
„Das klingt heute übertrieben, aber das Publikum war damals wirklich geschockt und teilweise auch abgestoßen von der sexuell aggressiven Show und den expliziten Texten“, erklärt Norman Müller.
„Eine Frau, die aktiv statt passiv ist, die Sachen einfordert, die sexuelle Selbstbestimmtheit zu ihrem wichtigsten Thema macht – das gab es zuvor so gut wie gar nicht“, verdeutlicht er Davis‘ Wirkung.
„Deswegen gilt sie heute zu Recht als Wegbereiterin für weibliche Entertainerinnen, auch wenn ihre Musik aus kommerzieller Sicht überhaupt nicht erfolgreich war.“

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Schon Ende der 70er-Jahre zog sie sich dann komplett aus dem Scheinwerferlicht zurück. In dem Dokumentarfilm „Betty Davis – They Say I’m Different” geht der Regisseur Philip Cox auch der Frage nach, warum das so war.
„Sie war wohl enttäuscht, dass ihre Kunst so gering schätzt wurde, dass die Männer an den Hebeln der Plattenindustrie ihr ein harmloseres Image und eingängige Musik verpassen wollten“, erläutert Norman Müller: „So, wie sie war, fand sie überhaupt nicht statt im Radio und im TV.“ Das war in den 70er-Jahren ein Karrierekiller.

Keine Lust auf Kompromisse

„Sie war aber auch nicht bereit, sich in irgendeiner Form zu verbiegen oder Kompromisse einzugehen“, betont Norman Müller. Betty Davis selbst sagt aber auch, der Tod ihres Vaters im Jahr 1980 habe sie völlig aus der Bahn geworfen, ihr sei auch die Lust an der Musik vergangen.
Ihre Musik ist sehr hörenswert, betont Kritiker Müller. „Texte, Performance und Image allein würden nicht ausreichen, um diesen Status herzustellen, den sie jetzt hat.“
An den Instrumenten sind R’n’B- und Funk-Legenden wie Larry Graham, die einen harten Funk spielen, mit starkem Blues-Einfluss und verzerrten Rock-Gitarren.
Hinzu komme die spektakuläre Stimme: „Die Gesangsperformance ist eigentlich schon Alleinstellungsmerkmal genug“, sagt Norman Müller. Er müsse an Stimmakrobatinnen wie Nina Hagen und Janis Joplin denken.

Einfluss auf Miles Davis

Ein Jahr war Betty Davis mit der Jazzlegende Miles Davis verheiratet. Als sie mit 16 nach New York City gegangen ist, um dort tagsüber zu modeln und sich danach ins Nachtleben und ins Musikbusiness zu stürzen, habe sie viele Künstlerpersönlichkeiten kennengelernt, unter anderem auch den Jazztrompeter, erzählt Norman Müller. 1968 heiratete sie den Musiker.
„Ich glaube, Bette Davis hat auf vielen Ebenen frischen Wind in das Leben von Miles Davis gebracht“, sagt Müller.
Dieser sei in seiner Jazzwelt unterwegs gewesen, Bette Davis habe ihm dann aktuelle Black Music von Leuten wie Jimi Hendrix oder James Brown nähergebracht.
„Miles Davis hat daraufhin mit dem Album ‚Bitches Brew‘ seinen Sound und seinen Look komplett gewandelt und eines der wichtigsten Fusion-Jazz-Alben aller Zeiten gemacht.“ Auch der Titel sei eine Idee von Betty Davis gewesen.
„Umgekehrt“, so Müller, „hat Miles Davis sie wiederum ermutigt, den extrovertierten Teil ihrer Persönlichkeit auf die Bühne zu bringen und ihre Songs so zu schreiben und so zu performen, wie sie es wollte. Ohne Kompromisse.“
(mfu)
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