Friseure im Film

Cut & Go im Kino

04:21 Minuten
Szene aus "Shampoo" (1974) von Hal Ashby
Szene aus "Shampoo" (1974) von Hal Ashby © picture alliance/Everett Collection
Von Hartwig Tegeler · 04.05.2020
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Ab heute ist wieder ein Besuch beim Friseur möglich. Der Gang in den Friseursalon ist auch ein Akt der Hingabe – zumindest in der Filmgeschichte. Dort ist er wahlweise erotisch aufgeladen oder tödlich.
"Sie … sie wünschen, Sir?"
"Erst ne Rasur, und dann will ich baden."
"Das mach 90 Cents!"
Der Friseur bei Clint Estwood im Western "Ein Fremder ohne Namen" kann mit der Rasur beginnen, wobei zweifellos ein Haarschnitt auch vonnöten gewesen wäre. Jedenfalls ist der Mann Pragmatiker:
"Na ja, da keiner weiß, was passiert, kassiere ich das Geld sonst sicherheitshalber im Voraus."
Der Kunde nimmt also Platz, bekommt den Umhang, währenddessen die Bösewichte aus dem Saloon in den Salon treten, um ihre Art Rechnung zu begleichen, haben aber übersehen, dass unterm Friseurumhang jede Menge Feuerkraft bereit gehalten werden kann.

Kindheitstrauma Friseurbesuch

Die Rache von unter dem Frisörumhang löst bei mir schlimme Kindheitserinnerungen aus, weil mir als Junge einmal der Friseur mit der Schere auf die Hände schlug, als ich nicht ruhig saß, ich aber über keinen Sechsschüsser verfügte. Rache also ausbleiben musste. Mithin war bei mir fortan der Friseur-Besuch Qual, nicht Lust.
"Der Friseurberuf ist ja ein ästhetischer!"
Von wegen. Eher ein dämonischer, was aber mit meiner unbewältigten Vergangenheit und nichts mit dem ehrenwerten Beruf zu tun hat. Mein Blick also war zwanghaft geprägt und ich war innerlich immer solch ikonografischen Friseur-Western-Szenen wie der aus dem Eastwood-Film verhaftet oder den nicht weniger albtraumhaften Situationen in Mafia-Filmen, wo das Blut der Leichen der getöteten Konkurrenten vom Friseur-Stuhl tropft, und wo das Rasiermesser weniger ausgerichtet ist auf Barthaare denn die Halsschlagader.
"Wie viel schneidest du noch ab?"
Meine Friseur-Besuche waren psychoemotional mithin Nachtmeerfahrten wie die von David Cronenberg in seinem Film "Tödliche Versprechen", der mit dem diabolischen Mafia-Friseur beginnt, der das Rasiermesser reicht.
"Hier nimm das verdammte Ding und mach ihn fertig!"

Die sexuelle Anziehungskraft des Friseurberufs

Ich war also blockiert für ganz andere, beglückende Erfahrungen im Friseursalon, von der beispielsweise Antoine in Patrice Lecontes "Der Mann der Friseuse" sein ganzes Leben lang zehrt, als er mit zwölf Jahren eine Friseuse sieht, und sie als Erwachsener – immer noch fasziniert von der erotischen Ausstrahlung dieser Frau – heiratet.
George, der gefragte Friseur in Hal Ashby "Shampoo", zieht seinerseits seine Kundinnen sexuell extrem an.
"Schneide nicht so viel ab. Ich will es nicht so kurz."
Und Tim Burton geht in "Edward mit den Scherenhänden" gar so weit, dass der junge Mann, den Johnny Depp spielt und der statt Händen Friseurscheren hat, Edward bereitet seinen Kundinnen allein durch den Akt des Schönwerdens beim Haareschneiden eine lustvolle Entladung garantiert.
"Oh, das war das Aufregendste, das mir in meinem ganzen Leben passiert ist."
Der Gang in den Friseursalon ist also ein pragmatischer, ja, notwendiger, aber im Subtext immer auch einer sinnlicher Akt. Einer der Auslieferung und der Hingabe an die Person mit Schere oder Messer. Geht manchmal ganz böse aus – im Film. Oder auch sehr gut – im Film! Manchmal aber auch – wir kommen zum Happyend – auch in der Realität.
"Wer ist der Nächste?"

Selber schneiden

Ich jedenfalls nicht mehr, nie wieder, wenn´s gut geht, denn ich bin aus der Nummer mit den Friseuren ganz raus und habe vielleicht gar Heilung bei meinem Haarschneide-Trauma erfahren: Ich überredete nämlich vor zwei Wochen meine Frau – nach dem heimlichen Onlinekauf einer Haarschere – mir die Haare zu schneiden. Die Frau ist nicht vom Fach, aber mein Salon hatte ja zu.
Erst sträubte sie sich angesichts möglicherweise gefährdeten Ehefriedens, dann versprachen wir uns hoch und heilig, egal, wie wie es werden würde …. also nichts mit dem Colt unterm Umhang, um Verschneiden zu ahnden, wie Clint Easwood es wohl gemacht hätte.
Musste ich aber auch nicht. Ich habe den besten Haarschnitt meines Lebens bekommen. Und mein Trauma von damals, als der Friseur mir mit der Schere auf die Hände haute: bewältigt.
"Früher oder später braucht jeder einen Haarschnitt."
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