Friedrichstadt-Palast in Berlin

Wiedereröffnung mit TÜV-geprüftem Hygienekonzept

11:28 Minuten
Der abendliche Friedrichstadt-Palast in Berlin, rot angestrahlt.
2020 machte auch der Berliner Friedrichstadt-Palast mit einer Lichtaktion auf die Notlage der Veranstaltungsbranche aufmerksam. Nun öffnet das Haus wieder. © imago / Andreas Friedrichs
Berndt Schmidt im Gespräch mit André Mumot · 07.08.2021
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Nach fast anderthalb Jahren Corona-Zwangspause öffnet der Berliner Friedrichstadt-Palast wieder. Es wurde aber nicht nur saniert: Das Haus hat nun als erstes Theater ein Infektionsschutz-TÜV-Siegel. Nicht nur das war eine enorme Kraftanstrengung.
Der Berliner Friedrichstadt-Palast ist der letzte große Funktionsbau der DDR gewesen, trägt offiziell den Titel der größten Theaterbühne der Welt und hat sich in den vergangenen Jahren mit seinen aufwendigen, prachtvollen Revue-Shows einen gewaltigen Erfolg erspielt – nicht zuletzt als wichtiger Touristenmagnet der Hauptstadt. Dann kam Corona, das Haus musste schließen, hat eine ohnehin anstehende Renovierung der Klimaanlage vorgezogen, und öffnet nun wieder seine Pforten – nach 17 Monaten Spielpause. Er ist damit die erste und bisher einzige Kulturinstitution, die vom TÜV Hessen das Siegel "Geprüfter Infektionsschutz COVID-19" bekommen hat.

Hochmoderne Klimaanlage

Die Klimaanlage musste bei ihrer Sanierung nicht eigens für Corona umgestaltet werden, wie Intendant Berndt Schmidt berichtet. Sie war auch schon vor der Pandemie für eine hohe Leistungsfähigkeit vorgesehen: "Die Anlage ist hochmodern. Da kommt von außen einhundert Prozent Frischluft bis zu acht Mal pro Stunde. Also knapp alle acht Minuten wird da die Luft im Saal komplett gegen Frischluft ausgetauscht. Da sage ich immer so ein bisschen flapsig: Das ist wie Open Air, nur mit Dach drüber."
Der Luftaustausch findet von jeher an den Rückenlehnen der Publikumssitze statt. "Da muss man sagen, wir preisen die Ingenieure und Baukollektive der DDR an der Stelle für ihre wegweisende, zukunftsgerichtete Coronapolitik, von der sie damals nichts geahnt haben. Nach meinem Wissen gibt es solche Sitze eigentlich nur noch in Chemnitz", sagt Berndt Schmidt. "Wenn hinter Ihnen jemand sitzt und ausatmet, haben Sie in ihrem Nacken eine unsichtbare Luftschlange, die den Atem des hinter Ihnen Sitzenden nach oben zieht, verwirbelt mit Frischluft, und dann wird die Luft oben abgezogen. Das ist der perfekte Aerosol-Schutz. Da sind wir wirklich froh, dass wir das haben."

TÜV-Siegel war "enorm aufwendiger Prozess"

Als Berndt Schmidt Ende vergangenen Jahres von einem geplanten Corona-Prüfsiegel durch den TÜV Hessen erfahren hat, ist er sofort darauf angesprungen. Auch wenn der TÜV sie als vorbildlich gelobt habe, habe er ihnen dennoch zahlreiche Verbesserungshinweise gegeben. Das Siegel zu bekommen, sei "ein enorm aufwendiger Prozess" gewesen, "weil wir über hundert Anforderungen und Vorschriften erfüllen mussten". Dass sie es jetzt haben, sei ein gutes Gefühl: sowohl im Blick auf die Beschäftigten als auch auf die Gäste, so Schmidt.

Neue Produktion ist ein "kleines Theaterwunder"

Nun kommt mit "Arise" im Friedrichstadt-Palast nach der langen Schließung die erste Neu-Produktion heraus: eine große Liebesbeschwörung zur Musik von Conchita Wurst. Schon unterohne Corona-Umstände sei eine Neuproduktion "ein gepflegter Irrsinn", erklärt Schmidt. "Man kriegt graue Haare, schläft schlecht." Jetzt kamen noch die Pandemie und "eine unfassbar große Baustelle" obendrauf. Das bedeutete auch: "Brandschutzthemen, Lieferschwierigkeiten von Stoffen, die aus China oder Indien kommen, die in irgendwelchen Häfen feststeckten, die unter Quarantäne stehen. Es war wirklich schwierig."
Auch die Proben seien betroffen gewesen. "Unser Cast unterliegt einem permanenten PCR-Screening." Das heiße: Zwei Mal pro Woche Coronatests, "damit sie einander wie beim Fußball oder beim Leistungssport ohne Maske und ohne Abstand berühren können, miteinander tanzen können." Dass sie unter diesen Bedingungen eine Einhundert-Personen-Produktion auf die Bühne gebrach hätte , sei "ein kleines Theaterwunder", sagt Schmidt.
Die Neueröffnung nach allem, was hinter dem Haus liegt, lässt Intendant Berndt Schmidt durchaus emotional werden: "Ich habe schon allein Gänsehaut, wenn wieder fremde Menschenstimmen im Haus sind nach 17 Monaten. Ich glaube, ich werde Tränen im Auge haben, wie ich Tränen im Auge hatte, als ich in diesem leeren Haus stand an einigen Samstagabenden."

Für die Show "Arise" im Friedrichstadt-Palast Berlin sind Vorstellungen bis Anfang 2022 geplant.

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