"Fridays for Future" in Plauen

Bespuckt, bedroht und angepöbelt

07:07 Minuten
Eine Figur eines Pinguins steht auf blauer Pappe, dahinter eine kleines Schild mit der Aufschrift: There is NO Planet B.
Kreativer Schülerprotest zum Wohle des Planeten: In der Provinz schlägt die globale Debatte schnell in heftigen Streit unter Nachbarn um. © imago images / Müller-Stauffenberg
Von Jennifer Stange · 28.11.2019
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Schulstreiks für das Klima gibt es nicht nur in den Metropolen. Auch auf dem Land engagieren sich junge Leute für die Bewegung "Fridays for Future". Dort bekommen sie oft besonders heftigen Gegenwind - wie im sächsischen Plauen.
Freitagnachmittag, kurz vor vier. Etwa 30 Jugendliche, vor allem junge Frauen, versammeln sich auf dem Theaterplatz. "Wir machen das nachmittags, um eben da auch den Wind rauszunehmen", sagt die 17-jährige Lea. Um nicht als "Schulschwänzer" abgestempelt zu werden.
Lea gehört zu den Organisatorinnen von "Fridays for Future" in der sächsischen Kleinstadt Plauen. Genau wie Charlotte, auch sie ist 17 Jahre alt und engagiert sich in der Bewegung: "Um halt zu zeigen, dass es überall um den Umweltschutz geht, und dass wir überall was tun müssen. Nicht nur in den großen Städten wie Berlin, Dortmund, Köln."

Jeder kennt jeden - da wird Kritik schnell persönlich

Rekord waren rund 320 Demonstrantinnen bei "Fridays für Future" in Plauen. Das war im September. Wer hier mitmacht, weiß, dass es nicht nur Beifall gibt. Beleidigungen und Anfeindungen gehören fast immer dazu. "Die Kritik ist auch nicht so allgemein", sagt Lea, "die richtet sich dann schon gegen einen selber. Und ich glaube, das ist in großen Städten noch ein bisschen besser, weil man anonymer ist. Hier kennt einen halt jeder, da wir nicht so krass viele sind, weiß halt jeder: Ach, du bist die, die da hingeht."
In Plauen ist Lea sozusagen das Gesicht von "Fridays for Future". Viele Menschen in der Stadt und auf den umliegenden Dörfern kennen sie. Das spüre sie deutlich, sagt sie. Sie sei zu einer Art Litfasssäule geworden. Viele glauben, sie können einfach alle Fragen und Meinungen zum Klimathema jederzeit an sie herangetragen. "Es geht ganz einfach los mit Anrufen zu Hause", sagt sie, "von irgendwelchen Gegnern, dass man das lassen soll, dass alles sich nur ausgedacht wurde. Und sowas geht halt wirklich zu weit."
Auch auf der Straße weht den Klimaktivistinnen mitunter ein rauer Wind entgegen. "Es gibt Leute, die uns blöd hinterherrufen", erzählt Charlotte. "Es gibt Leute, die uns anspucken, uns als 'Volksverräter' bezeichnen. Eine kleine Gruppe Jugendlicher, die uns gerne mal mit Mofas hinterher fahren, auch in die Fussgängerzone, und das hört man dann halt auch, gerade wenn wir an einem festen Platz sind, wo man Reden hält oder singt, dass die dann um einen rumfahren."

"Klimazeug, Klima-Greta - wir haben andere Probleme"

Es regnet an diesem Freitag in Plauen. Von den Mofafahrern ist niemand zu sehen. Rund 30 junge "Fridays for Future"-Anhänger versuchen, ihre Pappschilder vor der Nässe zu schützen, bis es losgeht. In sportlichem Tempo setzt sich der Zug in Bewegung Richtung Zentrum der Stadt. Kaum jemand nimmt Notiz. Rauchend stehen ein paar Gäste vor einem Ecklokal:
"Die sollen ihre Handys wegtun", sagt ein Mann: "Die sollen freitags in die Schule gehen und Sonnabend gleich noch mit. Damit die es mal wissen."
"Das ist alles Übertreibung", schimpft eine Frau. "Dieses ganze Klimazeug momentan, ich kann es nicht mehr hören! Wir haben andere Probleme, und die nehmen das jetzt als Vorwand: Klima, Klima-Greta, keine Ahnung. Die haben alle die teuersten Klamotten an, die haben Handys, oder wenn Mama, Papa hier mit dem dicken Mercedes vor der Schule parken, sie abholen."
Ein Strauß von Vorwürfen. Fridays for Future? Alle Nachkommen des Wohlstandsdünkels, die ihre Meinung sofort ändern würden, wenn es um ihre eigenen Privilegien ginge. Alles Heuchelei also? Erik von der "Fridays for Future"-Ortsgruppe Zwickau winkt ab:
"Heuchlerisch ist es auf keinen Fall. Viele von uns, und auch ich, machen viel für die Umwelt. Zum Beispiel esse ich kein Fleisch mehr, ernähre mich zu 90 Prozent vegan, kaufe nur noch faire Kleidung und fliege eigentlich gar nicht."

Beleidigungen und Drohungen gehören zur Normalität

Erik wäre an diesem Freitag auch nach Plauen gekommen. Doch er muss arbeiten. Der 21-Jährige bedient die Maschinen in einem Zwickauer Stahlbetrieb und muss sich dort ähnliche Vorwürfe anhören:
"Vor Demonstrationen, da kommen dann schon vermehrt gewisse Äußerungen, die halt nicht so schön sind. Zum Beispiel 'du Zecke', und dass wir, die sich fürs Klima engagieren, die Arbeitsplätze wegnehmen. Dass dann alles teurer wird, diese Einstellung haben viele."
Beleidigungen bis hin zu Drohungen, für Klimaaktivisten und Aktivistinnen in der sächsischen Provinz Normalität. "Zum Beispiel kamen zum letzten Klimastreik so fünf, sechs, sieben Rechte mit dazu und haben versucht, uns zu unterbrechen und zu stören", erzählt Erik. Situationen, in denen die Jugendlichen glauben, auf sich gestellt zu sein - gestellt sind, trotz Begleitung durch Polizei und Ordnungsbehörden.
Eine Plauener Bürgerin erstattete Anzeige gegen den örtlichen Halter eines Pick-up-Trucks. Mitten auf seiner Heckscheibe prange ein Aufkleber: "Fuck you Greta", neben zwei geflochtenen Zöpfen, die scheinbar aus der Heckklappe hängen, stehe: "Problem gelöst". Für die Bürgerin ein Aufruf zu Gewalt. Nicht so für die Staatsanwaltschaft Zwickau. Es fehlten die Angabe einer genauen Handlungsvorgabe, sowie Tattag und Tatort, schreibt eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Zwickau per Mail. Der Aufkleber sei demnach nicht mehr als eine "drastische Auffassung zum Klimawandel".

Von Politik und Polizei allein gelassen

Andrea Hübler von der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt, RAA Sachsen, warnt hingegen, dass solche Statements der Gewalt den Weg ebenen würden: "Das sind Erfahrungen, die Jugendliche, die sich politisch engagieren in bestimmten Bereichen - für Klimaschutz, aber auch gegen Rechts, gegen Rassismus - das sind Erfahrungen, die schon sehr lange gemacht werden in Sachsen."
Kein Trost für die beiden "Fridays for Future"-Aktivistinnen Charlotte und Lea. Für sie sind die Erfahrungen neu: Zum einen, dass sie ins Visier von Rechten und Neonazis geraten, aber auch, dass Bürgerinnen und Bürger abfällig auf ihre Demonstrationen reagieren, und dass die zuständigen Behörden offenbar kaum etwas dagegen unternehmen.
Auf die Frage, wie Ordnungsbehörde und Polizei in Plauen beispielsweise reagieren, wenn die Klimaaktivisten auf einer angemeldeten Veranstaltung bespuckt werden, schütteln Charlotte und Lea nur ihre Köpfe: "Ich glaube, dass wir zu der Sache mit der Stadt eigentlich nicht äußern wollen", sagt Lea und Charlotte nickt zustimmend. "Wir möchten uns da keine Feinde machen."
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