Fred Hildenbrandt: "Ich soll dich grüßen von Berlin"

Kesses Porträt der Goldenen Zwanziger in Berlin

Plakat zum 1929/30 gedrehten Film "Der blaue Engel" mit Marlene Dietrich und Emil Jannings
Die vielgepriesenen 20er-Jahre: Ein Plakat zum Film "Der blaue Engel" mit Marlene Dietrich und Emil Jannings. © dpa / picture alliance / Nestor Bachmann
Von Manuela Reichart · 01.09.2016
Fred Hildebrandt war in den 1920er-Jahren einflussreicher Feuilleton-Chef beim Berliner Tageblatt - und gut bekannt mit vielen Prominenten und Künstlern wie Marlene Dietrich oder Robert Walser. Seine posthum erschienenen Erinnerungen sind eine vergnügliche Lektüre.
Als diese Erinnerungen vor 50 Jahren zum ersten Mal erschienen – Fred Hildenbrandt war drei Jahre vorher in Koblenz verarmt und vergessen gestorben – da schrieb der SPIEGEL:
"Dieser Schreibschick, zwischen Keßheit und Ergriffenheit, ist heute aus der Mode."
Und gerade wegen dieser "Ergriffenheit" und "Keßheit" liest man die Texte des Autors, Schriftstellers und Journalisten Hildenbrandt mit besonders großem Vergnügen und Gewinn.

Gedichte von Else-Lasker-Schüler unbesehen abgedruckt

Hildenbrandt war ein vielseitig interessierter und begeisterter Journalist, ein begabter Reporter, der seine Karriere als Feuilletonredakteur bei den Frankfurter Nachrichten begann und von 1922 bis 1932 einflussreicher Feuilletonchef beim Berliner Tageblatt war. Hildenbrandt war ein ehrgeiziger Romanautor, der Gott und die Welt kannte. Überall war er dabei, traf Greta Garbo und Marlene Dietrich, kannte Heinrich George und Henny Porten, beschrieb hinreißend den Fleiß und die Disziplin von Lilian Harvey, eine durchtanzte Nacht mit Gret Palucca und die absurden Bemühungen ehrgeiziger Mütter, ihr Kind beim Film unterzubringen.
Als Feuilletonchef bewunderte Hildenbrandt den "Korrekturwahnsinnigen" Alfred Kerr, er druckte unbesehen die Gedichte von Else Lasker-Schüler, beschäftigte Robert Walser, förderte Gabriele Tergit und suchte auch die Nähe zu Autoren, die seinem liberalen Berliner Tageblatt eher fernstanden: etwa Ernst Jünger.

Künstler-Idylle im Berliner Westend

Wie (und wo) sich das künstlerische und intellektuelle Gemeinwesen der sprichwörtlichen goldenen 20er-Jahre in Berlin abspielte, darum geht es in diesen ebenso amüsanten wie nachdenklichen, stets lebendigen Erinnerungen eines Mannes, der "mittenmang", aber auch selbstkritisch genug war, sich weder zu überschätzen noch eigene Fehlschläge (etwa als Radioreporter neben dem legendären Alfred Braun) zu verschweigen.
Er erzählt von den "vielbesprochenen, vielgerühmten und vielgepriesenen großen Berliner" Jahren, von der Künstler-Idylle im Berliner Westend, von seinem koreanischen Diener, aber auch vom beginnenden Naziterror, den widerlichen Gestapo-Methoden. Er geht zurück und greift voraus, wenn er etwa den andauernd bedrohten Alltag des jüdischen Ehemannes von Kinostar Henny Porten beschreibt, die selbst unter der Protektion von Hitler und Göring stand.

Nach 1933 den Nazis angedient

Dass er trotzdem nach 1933 nicht nur als Drehbuchautor bei der UFA reüssierte, sondern sich in seinen Unterhaltungsromanen den braunen Machthabern durchaus andiente, diese Wendung erfährt man erst aus dem kundigen Nachwort von Thomas Zeipelt. Und ist – wie so oft angesichts deutscher Biografien jener Jahre – hochgradig irritiert. Nach dem Krieg konnte Hildenbrandt weder als Autor noch als Journalist oder Drehbuchautor weiter arbeiten.
Den überaus lesenswerten Erinnerungen Hildenbrandts ist ein Motto von Friedrich Sieburg vorangestellt:
"Auch unsere schönsten Jahre gingen zu Ende. Die Welt war trotzdem schön gewesen. Wir hatten sie geliebt und ein wenig ihre Züge zu formen versucht, während ihr Blut langsam ausfloss – unsere schönsten Jahre."

Fred Hildenbrandt: … Ich soll dich grüßen von Berlin. Erinnerungen 1922 bis 1932
200 Seiten, 19,80 Euro
Transit Verlag, Berlin 2016