Vom Platz verbannt

Wo Frauenfußball keine Chance hat

23:44 Minuten
Afghanische Kinder spielen Fußball bei Kabul
In Afghanistan haben die Taliban mittlerweile offiziell ein Sportverbot für Frauen erlassen. © dpa / picture alliance / Ebrahim Noroozi
Von Jutta Heeß · 23.07.2023
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Afghanistan, Iran, Südsudan: Während 32 Nationen um den Weltmeistertitel spielen, kämpfen in anderen Ländern Frauen grundsätzlich um ihr Recht, Fußball spielen zu dürfen. Welche Anstrengungen werden unternommen, um die Situation zu verbessern?
Ein Sportplatz in Berlin-Mitte: 15 junge Frauen haben Fußballtraining, sie kämpfen um den Ball und haben sichtlich Spaß am Spiel.

"Champions ohne Grenzen" bietet neue Heimat

Alle Frauen sind aus ihren Herkunftsländern geflüchtet und finden hier beim Verein „Champions ohne Grenzen“ eine neue sportliche Heimat.
Eine von ihnen ist Hanifa Rezaie. Sie ist aus Afghanistan nach Berlin geflohen, als die Taliban 2021 die Macht übernommen haben. Die 20-Jährige kommt regelmäßig zum Training, sie hat bereits in ihrem Heimatland in unterschiedlichen Teams Fußball gespielt.
Und nicht nur das: „Ich war Mitglied der Snowboardnationalmannschaft, und das brachte mein Leben in Gefahr. Laut Talibanregime ist es Frauen nicht erlaubt, Sport zu treiben. Vor allem Sportarten, die im Blickfeld der Öffentlichkeit sind: Snowboarding, Fußball, Laufen. Ich wurde auch von Fernsehsendern interviewt, um darüber zu sprechen, wie Frauen durch Sport sowie überhaupt durch Aktivitäten in der Gesellschaft gestärkt werden können.“

Taliban erlassen Sportverbot für Frauen

Ein „doppeltes Risiko“ sei sie damit eingegangen, sagt Hanifa Rezaie: Sport treiben und offen darüber sprechen. Afghanische Sportlerinnen haben zum Teil schon vor der Machtübernahme der Taliban das Land verlassen.
Hanifa und Zainab
Hanifa Rezaie (links) und Zainab Mohammadi spielen bei „Champions ohne Grenzen“ Fußball.© Jutta Heeß
Denn für Mädchen und Frauen war es in Afghanistan noch nie selbstverständlich, sich sportlich zu betätigen. Hanifa Rezaie hatte Glück, dass ihre Familie ihre Leidenschaft unterstützt hat.
Doch ein Großteil der Gesellschaft lehnt Sport für Frauen schlichtweg ab.

Es wurde von den meisten Menschen nicht akzeptiert. Die Mehrheit der Menschen in Afghanistan hat immer noch nicht die Einstellung, dass Mädchen das gleiche Recht wie Jungs haben, Fußball zu spielen oder Sport zu treiben. Aber es hängt auch davon ab, ob deine Eltern aufgeschlossen sind. Wenn du eine Familie und Freunde hast, die dich unterstützen, konntest du etwas erreichen.

Die Geflüchtete Hanifa Rezaie

Die Taliban haben mittlerweile offiziell ein Sportverbot für Frauen erlassen. Das trifft auch die Fußballnationalmannschaft. Ein Teil des Teams konnte nach Australien flüchten und trainiert dort weiterhin zusammen.

FIFA streicht Afghanistan von der Weltrangliste

Doch weder ihr Heimatland noch der Weltfußballverband FIFA erkennen die Mannschaft offiziell an. Aus der FIFA-Weltrangliste wurden die Afghaninnen gelöscht.
Zum Gespräch am Spielfeldrand stößt Zainab Mohammadi dazu. Die 23-Jährige ist in Afghanistan geboren und zum Teil im Iran aufgewachsen. Sie hat erst in Berlin angefangen, Fußball zu spielen – früher wäre es für sie undenkbar gewesen:
„Wir hatten dort nicht die Möglichkeit, Fußball zu spielen oder andere Sportarten zu betreiben. Wir mussten uns an die Regeln halten. Und es war nicht einfach, für keines der Mädchen, die dort lebten und die sich vom Sport etwas erhofften. Es war also wirklich schwer für mich als afghanisches Mädchen, das im Iran lebt. Wir durften auch nicht ins Stadion gehen, um Fußball zu schauen. Das hat die Situation noch schwieriger gemacht. Ich durfte nicht zum Fußballtraining. Darüber war ich sehr verärgert.“

Aus Angst vor den Taliban werden Trikots verbrannt

Afghanistan und Iran - das sind nur zwei Länder, in denen Mädchen und Frauen der Zugang zum Sport verboten oder zumindest erschwert wird. Vor allem patriarchal und streng religiös geprägte Gesellschaften sowie Diktaturen verhindern,  dass es für Frauen Normalität ist, sich körperlich zu betätigen.
Fußball als vermeintlicher Männersport ist erst recht verpönt: In Afghanistan unter den Taliban etwa fürchten ehemalige Fußballerinnen um ihr Leben, verbrennen ihre Trikots und Urkunden – aus Angst vor den Strafen der Taliban.
Nach der Flucht aus ihren Heimatländern können zumindest Hanifa Rezaie und Zainab Mohammadi in Berlin bei „Champions ohne Grenzen“ frei und unbeschwert ihrer Leidenschaft nachgehen. Der Verein richtet sich mit seinem Trainingsangebot gezielt an Geflüchtete.

Monika Staab war in mehr als 90 Ländern aktiv

Eine, die sich weltweit für die Stärkung und die Akzeptanz des Frauenfußballs einsetzt, ist Monika Staab. Die ehemalige Spielerin war als Trainerin und Mentorin in über 90 Ländern aktiv – in erster Linie in Afrika und Asien.
Sie hat Mannschaften trainiert oder bessere Strukturen für Mädchen- und Frauenfußball etabliert, zum Beispiel in Bahrain, Katar, China, Iran und Nordkorea.
Zurzeit ist die 64-Jährige in Saudi-Arabien tätig. Sie hat dort drei Fußballakademien aufgebaut und im vergangenen Jahr die Frauennationalmannschaft gegründet.
Monika Staab: „Für mich ist es sehr positiv, dass die Gesellschaft es mitnimmt, die arabische Gesellschaft, die natürlich immer noch mit sehr vielen Vorurteilen überhaupt gegenüber dem Frauenfußball behaftet ist, dass natürlich viele Mädchen nicht spielen dürfen, weil die Eltern es nicht erlauben. Aber wenn ich jetzt diesen Prozess, diesen anderthalb Jahre oder im September, werden es sogar zwei Jahre, die ich da bin, was sich da in dieser kurzen Zeit entwickelt hat. Dementsprechend gibt es jetzt mittlerweile Frauen, die vor einem oder anderthalb Jahre nicht spielen durften, aber mittlerweile dürfen sie spielen. Also das ist für mich ein Aha-Erlebnis.“
Eine Frau steht auf einem Trainingsplatz und gibt Anweisungen.
Monika Staab gründete die Frauennationalmannschaft in Saudi-Arabien.© Monika Staab

Fortschritte in Saudi-Arabien

Monika Staab schwärmt von den Fortschritten und den Möglichkeiten, die Saudi-Arabien Fußball spielenden Frauen bietet. Aus Politik halte sie sich raus, das betonte sie über die Jahre immer wieder in Interviews.
Auch wenn eine Frauenfußballnationalmannschaft Verstöße gegen Menschenrechte nicht ausgleicht – für Monika Staab zählt immer die Entwicklung auf dem Fußballplatz:
"Meine Mission in den letzten 16 Jahren war: Ich möchte, dass jedes Mädchen, das Fußball spielen möchte, Fußball spielen kann, mit Hijab, ohne Hijab, mit langen Hosen, mit kurzen Hosen. Das ist mir auf Deutsch gesagt wurscht, schnuppe, egal."

FIFA will Zahl der Spielerinnen verdoppeln

Der Weltfußballverband FIFA bemüht sich nach eigenen Angaben weltweit um den Aufbau des Frauenfußballs. In den vergangenen vier Jahren sind nach FIFA-Informationen eine Milliarde US-Dollar in Förderprogramme geflossen. Bis 2026 soll sich die Zahl der aktiven Spielerinnen auf 60 Millionen verdoppeln.
Ein weiteres Ziel der FIFA: Jeder der 211 Mitgliedsverbände soll eine aktive Frauen-Nationalmannschaft haben. Auf der Weltrangliste stehen bislang 188 Teams.

Frauenfußballfestival in Berlin

Das Engagement der FIFA sei schon lange überfällig und bis die Unterstützung an der Basis, also bei Amateurinnen, ankommt, werde es wohl noch sehr lange dauern, so die Einschätzung der Berliner Organisation „Discover Football“.
Daher nehmen die Mitstreiterinnen selbst das Heft in die Hand: Zum elften Mal veranstaltet „Discover Football“ ein Frauenfußballfestival mit Spielerinnen aus zehn Ländern.
Das Freundschaftsturnier findet vom 16. bis 20. August in Berlin-Kreuzberg statt – zur gleichen Zeit beginnen bei der Frauenfußball-WM in Australien und Neuseeland die Halbfinalspiele.
In einem kleinen Erdgeschossbüro in Berlin-Neukölln laufen die Vorbereitungen für das Turnier auf Hochtouren. Hier hat „Discover Football“ seinen Sitz.
Der Verein wurde 2009 gegründet und ist mittlerweile eine internationale Nichtregierungsorganisation. Zum elften Mal organisiert „Discover Football“ das Festival, bei dem Spielerinnen aus Ländern zusammentreffen, in denen es für Frauen schwierig, zum Teil gefährlich ist, Fußball zu spielen.

"Unseen game" als Motto

In diesem Jahr sind es Teams aus Afghanistan, Georgien und Kolumbien, aus Irak und Iran, aus Palästina, Südafrika und Südsudan sowie aus der Türkei und der Ukraine.
Heute kümmern sich Aline Zimmermann und Gesa Heitmüller im Discover Football-Büro um die Organisation des Turniers. Aline Zimmermann plant auch das Symposium im Vorfeld des Turniers, auf dem über Benachteiligungen von Frauen und FLINTA*Personen – also auch von Trans, Inter und nonbinären Personen - im Fußball gesprochen wird.
„Unseen game“ – unsichtbares Spiel  - so lautet das Motto des diesjährigen Festivals.
Aline Zimmermann: „Wir versuchen tatsächlich, Frauen oder FLINTA*Personen im Fußball sichtbar zu machen, die eigentlich wenig sichtbar sind bzw. die nicht in Profiligen spielen. Alle Personen, mit denen wir zusammenarbeiten, sind hauptsächlich eigentlich in Amateurligen unterwegs. Und genau diese Personen möchten wir zusammenbringen."
Für das Turnier und das Symposium möchten Aline Zimmermann und ihr Team die iranische Sportfotografin und Menschenrechtsaktivistin Maryam Majd einladen. Die 36-Jährige setzt sich dafür ein, Frauenfußball in ihrer Heimat populärer zu machen.
Mit ihren Fotos von iranischen Sportlerinnen möchte sie den unterdrückten Frauen ein Gesicht geben. Von den offiziellen Medien im Iran werden ihre Bilder in der Regel zensiert.

Frauenfußball im Iran an den Rand gedrängt

Im Gespräch geht es sehr schnell um die Situation für Fußballerinnen im Iran. Zwar gibt es eine Frauenfußballliga und eine Nationalmannschaft, dennoch ringen die Spielerinnen immer noch um Anerkennung, wie Maryam Majd schildert:

Der Frauenfußball wird im Iran an den Rand gedrängt und marginalisiert. Beim Staat genießt er keine Priorität, viel mehr dient Frauenfußball als ein Aushängeschild, damit die FIFA den iranischen Fußballverband nicht sanktioniert. Zwei Jahre lang hatten wir keine Nationalmannschaft - und da es keine staatlichen Gelder dafür gab, war es auch niemandem wichtig. Erst als die FIFA angedroht hatte, die Männernationalmannschaft zu suspendieren - was den Verlust von viel Geld bedeutet hätte - haben sie sich gezwungen gefühlt, den Frauenfußball wieder aufzugreifen. Auch wenn wir die besten Spielerinnen haben, werden sie nie gesehen, die Trainingslager sind katastrophal, ihre Gehälter sind lächerlich - es wird nicht in den Frauenfußball investiert.

Menschenrechtsaktivistin Maryam Majd

Im vergangenen Jahr konnte sich die Nationalmannschaft zum ersten Mal für die Asienmeisterschaften qualifizieren. Die Qualifikation für die WM hat das Team verpasst.

Iranische Trainerin während Unruhen entlassen

Während der politischen Unruhen im Iran wurde die Trainerin entlassen, da sie sich regelmäßig über Menschenrechte und Gleichberechtigung in den sozialen Netzwerken äußerte. Laut Maryam Majd ist die Nationalmannschaft momentan erneut irrelevant geworden.
Immerhin hat der Chef des iranischen Fußballverbands gerade verkündet, dass Frauen, denen bislang Stadionbesuche weitgehend verboten waren, ab der kommenden Saison bei den Männern zuschauen dürfen. Ein schwacher Trost.
Eine noch kleinere Rolle spielt der Frauenfußball im Südsudan. Nach seiner Unabhängigkeiterklärung 2011 herrschte in dem ostafrikanischen Land noch lange ein Bürgerkrieg, bis heute finden in Teilen des Landes Menschenrechtsverletzungen statt.

Südsudan ist eines der ärmsten Länder

Die freie Meinungsäußerung ist eingeschränkt, Kinderehen sind weit verbreitet. Südsudan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind mehr als sieben der etwa zwölf Millionen Einwohner Südsudans auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Beim Discover-Football-Festival wird ein Team aus Südsudan dabei sein. Gesa Heitmüller bemüht sich von Berlin aus, die Reise der südsudanesischen Fußballerinnen zu organisieren.
Für das Festival wären sie auf jeden Fall eine Bereicherung, so Gesa Heitmüller:
„Warum wir uns für zum Beispiel Südsudan entschieden haben, ist, weil die Bewerbung superinteressant war. Fußball ist ein gutes Tool, um andere Sachen zu vertreten. Der Verein oder das Team, das wir aus dem Südsudan einladen wollen, setzen sich zum Beispiel für Aufklärung ein, was Menstruation angeht, und Geschlechtskrankheiten und gegen Zwangsehe, vor allem bei Kindern. Der Fußball ist ein gutes Medium, um auch so gesellschaftliche Themen anzusprechen, zu thematisieren.“
Fußballerinnen aus Südsudan
Fußballerinnen aus Südsudan sollen zum Festival nach Berlin kommen.© Starlets4Change
Über die Bedeutung von Fußball für Frauen im Südsudan kann Asan Juma genauer Auskunft geben. Die 36-jährige Menschenrechtsaktivistin ist Mitbegründerin und Geschäftsführerin der feministischen Menschenrechtsorganisation Riwa in der Stadt Juba.
Die Mitarbeiter*innen von Riwa kümmern sich um die Rechte und die Sichtbarkeit von Mädchen und Frauen, die in der Regel nach den Vorstellungen ihrer Väter und Männer leben müssen.
Fußballtraining ist Teil des Programms, hier arbeitet Riwa mit den „Starlets for change“ zusammen, einer Initiative die Fußballerinnen und andere Sportlerinnen unterstützt.
Ein äußerst ungewöhnliches Ziel in einem Land wie Südsudan, erklärt Asan Juma:

Viele Familien sehen das so: Warum sollte eine Frau Fußball spielen oder überhaupt irgendeinen Sport machen? Es wird nicht akzeptiert. Hier, in unserer Kultur in Südsudan, wird von Frauen erwartet, dass sie morgens aufstehen und den Haushalt erledigen. Manchmal will eine junge Frau zum Training gehen - und dann sagt man ihr, dass es ihre Pflicht ist, zu kochen oder aufzuräumen.

Asan Juma von der feministischen Menschenrechtsorganisation Riwa in Juba

Seit 2021 gibt es im Südsudan eine nationale Liga für Frauen, bestehend aus acht Teams. Auch Asan Juma hat einen Vertrag bei einem Ligaklub, lässt ihn aber zurzeit ruhen, um sich ganz ihrer Arbeit widmen zu können.
Jüngere Spielerinnen haben aber teilweise genau diesen Traum: in einem der wenigen Klubs zu spielen und Fußballprofi zu werden. Sogar eine Nationalmannschaft gibt es, sie steht auf dem vorletzten Platz der FIFA-Weltrangliste.
Asan Juma
Asan Juma will mit Riwa die Sichtbarkeit von Frauen und Mädchen erhöhen.© Riwa
Doch für Frauen ist es schwierig, Trainingsplätze zu finden. Die meisten seien in einem schlechten Zustand und Männerteams hätten immer Vorrang, erklärt Asan Juma. Doch so gut es geht, bietet Riwa Trainingsmöglichkeiten an – und noch viel mehr:
Asan Juma: „Neben dem Fußballtraining führen wir auch ein Programm zur Menstruationshygiene durch, bei dem wir Binden und Seife an junge Frauen, die Sport treiben, verteilen. Der Südsudanesische Fußballverband kümmert sich nicht um diese Bedürfnisse. Die meisten Mädchen können sich die Hygieneartikel nicht leisten. Also kommen wir als Organisation ins Spiel. Wir bieten auch psychosoziale Unterstützung an für Frauen, die Probleme mit ihren Familien haben. Die meisten dieser jungen Mädchen werden zur Heirat gezwungen. Wir haben auch ein Mädchen, das für die Nationalmannschaft spielt. Aber ihr Vater hat sich dafür entschieden, sie zu verheiraten, anstatt sie ihren Beruf ausüben zu lassen.“

Oft gibt es konservative Rollenvorstellungen

Konservative Rollenvorstellungen erschweren Mädchen und Frauen das Fußballspielen weltweit. Häufig bringen Einwandererfamilien diese Vorstellungen mit in ihre neue Heimat, sodass es auch viele Mädchen und Frauen mit Migrationsgeschichte in Deutschland gibt, denen der Zugang zum Fußball verwehrt bleibt.
Ebenso häufig haben Kinder aus ärmeren Familien geringere Chancen, Sport zu treiben, da sich ihre Eltern die Kosten für ein Training nicht leisten können.
Dagegen möchte Tuğba Tekkal etwas tun. Die ehemalige Bundesligaspielerin hat 2015 mit ihren drei Schwestern den gemeinnützigen Verein Hawar Help ins Leben gerufen, der Entwicklungs- und Bildungsprojekte im Irak und in Deutschland aufbaut.

"Scoring Girls" will Mädchen helfen

Eines davon sind die „Scoring Girls“ – die „treffenden Mädchen“ -, gegründet 2016. Das Angebot richtet sich vor allem an Mädchen aus zugewanderten oder sozial schwächeren Familien.
In Köln, Berlin und im Irak wird ihnen Fußballtraining sowie Unterstützung in Schule und Berufsorientierung angeboten.
Tugba Tekkal mit den "Scoring Girls"
Tugba Tekkal mit den "Scoring Girls"© Michael Romacker
Für Tuğba Tekkal selbst war es in ihrer Kindheit nicht einfach, ihrer Leidenschaft Fußball nachzugehen:
„Als Kind von kurdisch-jesidischen Eltern, die seinerzeit geflüchtet sind und in einem fremden Land waren, und dann ist da eine sechs, sieben, achtjährige Tochter, die gerne Fußball spielen möchte, das kannten sie aus ihrem Herkunftsland nicht. Gerade als Geflüchtete ist es so, dass man seine Kinder vor allem auch beschützen möchte und dass man auch viele Ängste hat. Und das war einer der Gründe, warum meine Eltern gesagt haben, wir kennen es nicht, wir möchten es nicht, und es ist uns fremd - und deswegen akzeptieren wir das auch erst mal nicht, dass du Fußball spielen möchtest.“

Tekkal spielte in der Bundesliga

Mit der Hilfe ihrer Geschwister konnte sie ihre Eltern schließlich doch davon überzeugen, dass es wichtig für sie ist, Fußball zu spielen.
Der Erfolg gab ihr Recht: Tuğba Tekkal spielte beim Hamburger SV Bundesliga und beim 1. FC Köln in der zweiten Liga. Seit ihrem Karriereende 2017 setzt sie sich unter anderem für das Empowerment von Mädchen und Frauen durch Fußball ein.
Gerade hat sie zudem ein Buch über ihr Leben und ihr Engagement geschrieben. Der Titel: „Tor zu Freiheit“.

Der Fußball hat eine enorme integrative Kraft. Wir haben Mädchen, die sich zu Beginn nichts zugetraut haben, die das Gefühl hatten, dass sie eh nicht reichen, dass sie irgendwie doch nicht wollen - und mittlerweile diverse andere Ziele haben. Das heißt, nicht nur mehr Arzthelferin sein wollen, sondern Ärztinnen, oder sagen, ich möchte die DFB-Juniorcoach werden, ich möchte dies, ich möchte das. Also sie entwickeln mittlerweile ein ganz gesundes Selbstvertrauen, was ich verdammt schön finde.

Tuğba Tekkal

Wie die 13-jährige Malak, die in Berlin bei den „Scoring Girls“ mitmacht:
„Mein Ziel: studieren, Abitur machen, das ist mein Ziel. Und Fußballerin zu werden. “

"Scoring Girls" auch im Irak

Malak ist vor acht Jahren mit ihren Eltern aus dem Irak nach Berlin gekommen. Auch in ihrem Heimatland ist Fußball für Frauen alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Daher hat Tuğba Tekkal im vergangenen Jahr ihr Projekt „Scoring Girls“ auch im Irak etabliert, genauer gesagt in Kurdistan, der Heimat ihrer Eltern.
Tuğba Tekkal: „Wir bieten Fußballtrainings an in Camps, und wir haben einen Riesenandrang."
Ein Team aus dem Irak wird auch beim Discover-Football-Festival in Berlin vertreten sein.

Freiheit und Emanzipation durch Fußball

Deutlich wird: In vielen Ländern ist Fußball mehr als ein Sport. Die Möglichkeit, Fußball spielen zu können, bedeutet für viele Mädchen und Frauen Freiheit und Emanzipation. Auch wenn der Frauenfußball in vielen Ländern immer noch ein zartes Pflänzchen ist, gibt es weltweit eine ausgeprägte Bewegung, ihn zu stärken.
Und auch die Fußball-Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland, bei der erstmals 32 Teams um den Titel spielen – zuletzt waren es 24, bis 2011 gar nur 16 Mannschaften – trägt zur Entwicklung des Frauenfußballs an der Basis bei.
Tuğba Tekkal: „Ich sehe da eine enorme Kraft, die Kraft der Sichtbarkeit, die Kraft dessen, dass wir diese Vorbilder und diese Role Models brauchen. Junge Mädchen brauchen Vorbilder."
Vielen Fußballerinnen ist ihre Vorbildfunktion bewusst. Nationalsspielerin Sara Doorsoun etwa begleitete Tuğba Tekkal in den Irak, um den Mädchen vor Ort Mut zu machen.
Die brasilianische Nationalmannschaft reiste mit einem Flugzeug zur WM nach Australien, auf dem das Gesicht der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini abgebildet ist, deren gewaltsamer Tod im Iran schwere Proteste gegen das Regime auslöste.
Die Popularität nutzen, um sich für Freiheit und Menschenrechte einzusetzen – die Weltmeisterschaft wird eine gute Plattform dafür sein. Und sie kann vielleicht auch noch mehr Mädchen und Frauen inspirieren, mit Hilfe des Fußballs für ihre Rechte und gegen Diskriminierung zu kämpfen.

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