Französische Literatur

Frankreichs Autoren sind politisch geworden

Marine Le Pen tritt für den rechtsextremen Front National bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich an
Marine Le Pen klopft an die Tore des Elysee-Palastes: Der wachsende Rechtspopulismus und seine Folgen beschäftigt auch Frankreichs Schriftsteller. © Imago
Dina Netz im Gespräch mit Andrea Gerk · 12.04.2017
Bis vor einigen Jahren gab es im krisengeschüttelten Frankreich nur wenige Romanautoren, die sich mit aktuellen gesellschaftlichen Problemen auseinandersetzten. Das hat sich geändert - der Rechtpopulismus und die Folgen für Frankreich setzt die Schriftsteller offenbar unter Strom.
Frankreich steht unter Druck: hohe Jugendarbeitslosigkeit, Europa-Verdrossenheit, islamistische Attentate. Seit den Anschlägen in Paris von November 2015 herrscht der Ausnahmezustand. Und bei den Präsidentschaftswahlen am 23. April 2017 darf sich die rechtspopulistische Kandidatin Marine Le Pen durchaus Hoffnungen auf einen Erfolg machen, zumindest im ersten Wahlgang.
Wie macht sich das in der französischen Literatur bemerkbar, fragten wir die Literaturjournalistin Dina Netz, die den Büchermarkt in Frankreich beobachtet. Derzeit könnten vor allem Sachbücher über Rechtspopulismus ganze Bibliotheken füllen, resümiert sie – so viel sei in den zurückliegenden Jahren dazu veröffentlicht worden. Generell sei die französische Literatur politischer geworden:
"Das ist wirklich eine neuere Entwicklung. In der französischen Literatur waren bis vor einigen Jahren die Autoren, die sich mit der Gesellschaft, in der sie leben, auseinandersetzten, eher die Ausnahme. Und diese Entwicklung hin zu mehr Welthaltigkeit, hin zu mehr politischen und sozialen Stoffen, die spitzt sich jetzt natürlich zu, nimmt Fahrt auf, seitdem Frankreich so stark in der Krise ist."

Noch ist der Markt nicht umgeschwenkt

Diese Atmosphäre spiegele sich in der Literatur wider. Doch der Markt sei noch nicht richtig umgeschwenkt – was zur Folge habe, dass die wirklich aufregenden Bücher nach wie vor nur in kleinen Verlagen erscheinen würden.
Jérôme Leroy: Der Block
Ein BeispieL: Jérôme Leroys Buch "Der Block"© picture-alliance / dpa / Ian Langsdon; Edition Nautilus (Promo); Montage: DKultur)
Für eines der interessantesten Bücher hält Dina Netz den bereits 2011 erschienenen Roman "Der Block" von Jerome Leroy, der jetzt pünktlich zur Wahl in Frankreich erstmals auf Deutsch erschienen ist. Der Autor beschreibt darin den Aufstieg einer rechtsextremen Partei und zeigt, wie deren Populismus alle Bevölkerungsschichten anspricht. Das Buch zeige bürgerkriegsähnliche Zustände – und am Ende schlage nach den Wahlen die große Stunde der Extremisten, so Netz.

Dicht dran an der Realität

"Das Erschreckende an dem Buch ist, dass man das Gefühl hat, so weit davon gar nicht mehr entfernt zu sein. Man muss die aktuellen Zustände in Frankreich nur um wenig zuspitzen – dann ist man schon bei Jerome Leroys Roman."
Definitiv würden sich Schriftsteller derzeit sehr stark in der Rechtspopulismus-Debatte engagieren – ein Feld, das normalerweise in Frankreich den Großintellektuellen überlassen werde. Vor allem viele Autoren mit Migrationshintergrund seien dabei und mit interessanten Büchern auf dem Markt.

Interessante Literatur aus Frankreich (teilweise noch nicht auf Deutsch erschienen):

Jérôme Leroy: "Der Block"
aus dem Französischen von Cornelia Wend, mit einem Nachwort des Autors zur deutschen Ausgabe
Edition Nautilus, 320 Seiten, 19,90 Euro
vom selben Autor: "Un peu tard dans la saison"
Verlag La Table Ronde, 256 Seiten, 18 Euro

Karine Tuil: Die Zeit der Ruhelosen
aus dem Französischen von Maja Ueberle-Pfaff
Ullstein Buchverlag, 508 Seiten, 24 Euro

Fouad Laroui: "Ce vain combat que tu livres au monde"
Verlag Juilliard, 288 Seiten, 19 Euro

Karim Amellal: "Bleu, blanc, noir"
Verlag Editions de l'Aube, 384 Seiten, 23 Euro

Stéphane Benhamou: "La Rentrée n'aura pas lieu"
Verlag Editions Don Quichotte, 176 Seiten, 16,90 Euro

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