Franziska und Günther Wessel über "You for Future"

Man muss sich einfach trauen

11:43 Minuten
Zahlreiche Protestschilder liegen auf der Wiese vor dem Bundestag – dazwischen steht "#Fight Every Crisis".
„You for Future“ - eine Art Gebrauchsanweisung dafür, sich für eine bessere Welt zu engagieren. © Fridays for Future Deutschland
Franziska und Günther Wessel im Gespräch mit Gesa Ufer · 06.05.2020
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Die Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays for Future haben in den letzten Jahren viel bewegt. Doch wie schafft man das eigentlich? Ein Vater und seine Tochter haben eine Gebrauchsanweisung geschrieben.
Franziska und Günther Wessel sind ein eher ungewöhnliches Autoren-Duo. Er ist 61 Jahre alt, Sachbuchautor und regelmäßiger Buchkritiker bei uns. Sie ist 16, Schülerin, Aktivistin bei "Fridays for Future" und seine Tochter. Doch jetzt haben sie schon ihr zweites Buch zusammen geschrieben, es heißt "You for Future" und ist eine Art Gebrauchsanweisung dafür, sich für eine bessere, klimagerechtere Welt zu engagieren. Wir haben mit den beiden darüber gesprochen.
Der Weg, wie sie zu "Fridays for Future" kam, sei eigentlich nicht spannend, sagt Franziska Wessel. Sie sei, bevor sie Anfang letzten Jahres auf die Bewegung stieß, nicht politisch aktiv gewesen und es sei einfach etwas neues für sie gewesen. Die erste Demonstration, an der sie teilnahm, habe sie auch eher enttäuscht, weil es kalt war und sie keine funktionierenden Lautsprecher hatten.

"Fridays for Future" hat ihr Leben stark verändert

Trotzdem sei sie einen Tag später in der Whatsapp-Gruppe gelandet und sie sei nach und nach in "Fridays for Future" hineingewachsen. Die Gruppe sei immer politischer, habe immer mehr Aktionen veranstaltet und sei dabei immer größer geworden, mit vielen Mitgliedern, für die das auch die ersten politischen Erfahrungen waren.
Das habe Franziska Wessels Leben sehr stark verändert, allein durch das neu entwickelte politische Bewusstsein. Natürlich sei ihr auch vorher klar gewesen, dass es soziale Ungerechtigkeiten, Kriege und Arbeitslosigkeit gibt, aber sie habe sich bis dahin nicht damit beschäftigt.
Dieses Bewusstsein bringe sie jetzt in eine Lage, wo sie sehen kann, wie glücklich sie über ihr Leben in Berlin sein kann. Durch diese Sensibilisierung nutze sie jetzt viel ihrer Zeit, um sich in diesen belangen einzusetzen. Etwas, wofür sie sogar den Verlust von Freundschaften auf sich nahm.

Kleine Ideen können viel bewirken

In ihrem Buch stellen Franziska und Günther Wessel viele Aktivistinnen und Aktivisten vor. Allen voran natürlich Greta Thunberg, aber auch weniger prominente Vertreter wie den 21-jährigen Nick Heubeck, der auch für Fridays for Future aktiv ist.
Günther Wessel zeigt sich begeistert von dessen Idee, mit der er die größten Fußballvereine der Republik zum Umdenken bewegt hat: "Er hat mit zwei Freunden beim Bier gesessen und über Fußball geredet. Da haben sie sich irgendwann darüber aufgeregt, dass so viele Plastikbecher in Fußballstadien sind. Und dann hat er sich hingesetzt und eine Petition gestartet.
Und mit dieser Petition hat das innerhalb von einem halben Jahr geschafft, das große Fußballvereine wie Borussia Dortmund und Bayern München wieder auf Recycling-Plastikbecher umgestellt haben. Ich finde, das zeigt auch, dass so ein einzelner mit einer Idee einfach viel anschieben kann. Er muss sich einfach bloß trauen."

Jugendliche sollten wählen dürfen

Dass so etwas möglich ist, wollen Franziska und Günther Wessel mit "You for Future" zeigen. Es sei nicht schwierig, sich ein paar Gleichgesinnte zu suchen, einfach mal loszulegen und zu gucken, was passiert.
Ein weiteres Anliegen, das vor allem Günther Wessel am Herzen liegt, ist eine Herabsetzung des Wahlalters. Es sei völlig evident, dass Menschen wie Franziska mit ihren 16 Jahren mehr über Politik wüssten, als viele andere. Sein 69-jähriger Vater dürfe hingegen wählen und über die Zukunft seiner Enkelin bestimmen, obwohl diese, so schade es auch ist, für ihn nicht ewig dauern wird, während die 16-Jährigen, deren Leben noch vor ihnen steht, es nicht dürfen.
Günther Wessel ist auch überzeugt, dass die Jugendlichen sich durchaus darüber im Klaren seien, was sie da tun, wenn sie wählen. Er sei also dafür, dass man das Wahlalter auf 16 und bei Kommunalwahlen sogar noch weiter senken könnte. Dann läge es an der politischen Bildung in der Schule, die Tragweite von solchen Entscheidungen beizubringen.

Aktivismus sensibilisiert

Während ihr Vater sich um das Wahlalter Gedanken macht, denkt Franziska Wessel über die Zerfaserung der Umweltbewegungen in radikale Gruppen wie "Extinction Rebellion" nach. Sie hält es für gut, dass es innerhalb der Klima- und Gerechtigkeitsbewegungen ein breites Spektrum an Meinungen gibt. "Fridays for Future" helfe beispielsweise dabei, jüngeren Leuten, die zum ersten Mal Aktivismus betreiben, eine Bühne zu bieten, aber auch für Ältere, die sich engagieren wollen.
"Extiction Rebellion" sei hingegen für die Menschen, die der Meinung sind, dass das alles nicht mehr reiche. Genau darum sei es wichtig, dass es verschiedene Arten des zivilen Ungehorsams gibt, um Druck auf Entscheidungsträger in auszuüben.
Mitglied einer politischen Bewegung zu sein, führt natürlich auch zu vielen neuen Erfahrungen, die Franziska Wessel so beschreibt: "Ich glaube so, dieses Jahr hat mich einfach sensibilisiert. Und deswegen fallen mir Sachen einfach viel stärker auf. Zum Beispiel Ungerechtigkeit zwischen Geschlechtern.

Aktivismus zahlt sich auch im Lebenslauf aus

Früher habe ich gedacht es juckt mich nicht, wenn mich Leute irgendwie nennen, oder es juckt mich nicht, wenn ich irgendwie die einzige Frau auf einem Podium bin oder der einzige junge Mensch, einfach als Quote. Aber inzwischen triggert es mich einfach, weil ich das Gefühl habe, dass es so viel soziale Ungerechtigkeiten gibt, die wir bekämpfen müssen."
Doch auch für ihren persönlichen Lebenslauf kann sie Dinge aus der Arbeit für "Fridays for Future" mitnehmen: "Ich natürlich auch irgendwie gelernt, wie es ist, einen Job zu haben, weil ich aktives Campaigning, wo wir aktiv irgendwie unsere Aktionen beworben haben, wo wir mit Politikern gesprochen haben und so weiter. Und das ist halt den Job, den man ja quasi auch in einer NGO schon macht.
Irgendwie hat mir das glaub schon viel gebracht, irgendwie zu lernen wie man mit Politikern redet, wie man bei Interviews sprich oder auch vor Menschenmassen. Ich glaube das hat mir schon sehr, sehr viel gebracht. Auch für mein weiteres Leben."
(hte)
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