Frankreich

Burkini ist mehr als eine Mode

Im Burkini kühlt sich die Berlinerin Abir am Montag (20.08.2012) in einem Freibad in Berlin.
Burkini-Trägerinnen in Deutschland: Hier in einem Freibad in Berlin. © picture alliance / dpa / Stephanie Pilick
17.08.2016
Der muslimische Ganzkörperbikini gefährde die öffentliche Sicherheit. Dies meinen einige Bürgermeister in Frankreich und haben den Burkini vom Strand verbannt. Taugt das Verbot für den Schutz vor Terrorismus? Eine absurde Debatte!
Gefühlte Sicherheit. Ist ja so ein Lieblingsbegriff von Politikern, die nicht mehr richtig weiterwissen. Zu den Lieblings-Vorkehrungen für gefühlte Sicherheit zählen Heerscharen von Polizisten und Soldaten auf den Straßen Frankreichs und symbolische Akte: Dekrete, Verbote.
Derzeit besonders heiß diskutiert: ein Burkini-Verbot, das bislang von sage und schreibe vier französischen Bürgermeistern über deren Strände verhängt wurde. Im Visier der Behörden: der muslimische Ganzkörper-Bikini: sein Verbot soll in Zeiten des terrorismusbedingten Ausnahmezustands für Sicherheit sorgen. Aber Achtung: hier geht es nicht um die generelle innere Sicherheit und den Schutz des französischen Volkes vor Terroristen. Nein: das Verbot soll die Sicherheit der verhüllten Frauen gewährleisten und niemandem Gelegenheit zu öffentlicher Provokation bieten – weder Burkini-Frauen noch deren Kritikern.
Zwei Polizisten mit blauer Uniform stehen mit Rücken zur kamera am Strand von Cannes. Im Wasser sind Badende zu sehen, am Strand Urlauber in sommerlicher Kleidung.
Polizisten am Strand im französischen Badeort Cannes. Dort ist das Tragen von Ganzkörper-Badeanzügen verboten.© picture alliance /dpa /MAXPPP /Patrice Lapoirie

Messerstecherei auf Korsika

Gut zu beobachten war das Burkini-Drama am Wochenende auf einem kleinen Flecken Strand auf Korsika. Mehrere Burkini-Trägerinnen wollten baden, jugendliche Korsen machten sich einen Spaß daraus, die Frauen zu fotografieren. Deren Begleitern gefiel das überhaupt nicht, eine Auseinandersetzung folgte, die in Anbetracht der versammelten Temperamente zu einer Messerstecherei ausartete.
Nun ist nicht überall Korsika, aber: überall gibt es Menschen, die nur darauf warten zu provozieren oder provoziert zu werden. Und so ein Burkini bietet vielen einen willkommenen Anlass.
Es geht den kommunalen Burkini-Verbietern, also den französischen Bürgermeistern darum, dass die öffentliche Ordnung garantiert wird, das ist verständlich und ihre Aufgabe. Die Atmosphäre in Frankreich ist nach den Attentaten der letzten Wochen und Monate so gereizt, dass jeder noch so kleine Funke oder eben Fetzen Stoff für Gewaltausbrüche sorgen kann.

Wie wollen wir in Europa leben?

Zumindest den Sommer über sollte man nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen. Das temporäre Burkini-Verbot ist in der jetzigen Situation keine verkehrte Idee. Bis zum Herbst können sich die Wogen glätten, die Menschen können wieder ihre Gehirne einschalten und nachdenken, bevor sie emotional oder testosteron-gesteuert losblöken. Denn das Problem des Burkini ist ja viel tiefergehend. Es berührt die Frage: Wie wollen wir in Europa leben? Wäre der Burkini ein simples modisches Outfit, das die selbstbestimmte Frau für den Strand gewählt hat, müsste man diese Debatte gar nicht erst führen. Der Burkini ist aber natürlich weit mehr als Mode und wer in den sozialen Ätzwerken Burkini und Taucheranzug gleichsetzt, hat nichts verstanden. Das eine schützt vor Blicken, das andere vor Kälte. Das eine ist politisch, das andere privat. Und warum tragen eigentlich Männer keine Burkinis? Etwa weil es ihre Freiheit einschränken würde, der Mann zum Eigentum der Frau, zu einem anstößigen Stück Fleisch degradiert werden würde?
Eines sollte aber auch klar sein: Ein Burkini- oder ein Burkaverbot hat rein gar nichts mit innerer Sicherheit zu tun, sei sie nun gefühlt oder nicht. Keiner der zahlreichen islamistischen Attentäter, die Frankreich in den letzten Monaten terrorisiert haben, hatte die Tat in Burkini oder Burka begangen.
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