Rüstungsaktien

Sind Waffen kein schmutziges Geschäft mehr?

Ein gepanzertes Fahrzeug der ukrainischen Armee fährt in Richtung Frontlinie in der Nähe des Flusses Dnjepr in der Region Cherson.
Ein ukrainisches gepanzertes Fahrzeug fährt zur Frontlinie beim Fluss Dnjepr: Im Ukrainekrieg werden Demokratie und Freiheit verteidigt, meint der Journalist Uwe Bork. © picture alliance / Zumapress / Sadak Souici
Überlegungen von Uwe Bork · 05.12.2022
Auch Pazifisten müssen einräumen, dass die Ukraine ohne die westlichen Waffenlieferungen möglicherweise nicht mehr als Staat existieren würde. Haben Rüstungsinvestments damit ihre moralische Fragwürdigkeit verloren, fragt der Journalist Uwe Bork.
Der römische Politiker und Philosoph Marcus Tullius Cicero hatte ein Händchen dafür, sich durch Reden im Gerede zu halten. Gehört doch die gerade heute naheliegende Vermutung, die ganze Welt sei ein Irrenhaus, ebenso zu seinen Einsichten wie der nicht nur für Rüstungsindustrielle lukrative Ratschlag: Si vis pacem para bellum! Auf Deutsch: Willst du Frieden, rüste zum Krieg!
Die aktuelle Lage in der Ukraine scheint diesen Satz zu bestätigen. Das Land wäre vermutlich bereits von der Landkarte verschwunden oder zu einem von Moskau beherrschten Marionettenstaat herabgesunken, wenn es nicht auf einen dauernden Nachschub an westlichen Waffen vertrauen könnte. Demokratie und Freiheit – und damit auch unsere Demokratie und Freiheit – werden längst nicht mehr erst am Hindukusch verteidigt, diese Verteidigungslinie verläuft mittlerweile schon irgendwo zwischen Kiew, Charkiw oder Cherson. Meinen Pazifismus bringt das in eine schwierige Lage.
Natürlich spricht für mich nach wie vor viel dafür, dass sich dauerhafter Frieden nur ohne Waffen schaffen lässt. Andererseits erscheint mir solch hehre Absicht zur Wirkungslosigkeit verdammt, wenn die Kriegsparteien allein auf die Durchschlagskraft ihrer Kanonen und nicht auf die ihrer Argumente setzen. Werden Städte zerbombt und sterben Menschen, fällt es mir schwer, stets aufs Neue die andere Wange hinzuhalten. Die biblische Forderung, Schwerter in Pflugscharen umzuschmieden, gerät unter diesen Umständen nur allzu leicht in den Bereich unbedarfter Gutmütigkeit.

Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg

Wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg: okay also, zähneknirschend. Ist es nun aber auch moralisch vertretbar, mit Rüstung Rendite zu machen? Oder kapituliere ich damit nicht vielmehr vor der Realpolitik, vor der Alt-Achtundsechziger wie Fridays-for-Future-Kids uns gleichermaßen warnen?
Wie viele Menschen halte ich es nach wie vor für anstößig, Geld in die Herstellung von Gegenständen zu stecken, mit denen sich andere Menschen vom Leben zum Tode befördern lassen – und das, obwohl gerade in Kriegszeiten Waffenschmieden hoch im Börsenkurs stehen und sogar schon Stimmen laut werden, die die Rüstungsindustrie durch die EU als nachhaltig einstufen lassen wollen.
Ich halte das ebenso für widersinnig wie das grüne Gütesiegel für Gas- und Atomkraftwerke. Dennoch räume ich ein – zähneknirschend, Sie wissen schon –, dass Friedenspolitik immer auch Kriegspolitik sein muss. Sie kann sich nicht auf bloßes Bitten und Beten zurückziehen. Sie bedarf auch immer der Kraft zum Widerstehen und Standhalten.

Sauberes Geld sieht anders aus

Bitteres Fazit: Es ist nicht davon auszugehen, dass die Welt auf absehbare Zeit ohne Waffen auskommen wird. Sie darf jedoch auch nicht dahin zurückfallen, den Krieg wieder als zulässiges Mittel politischer Auseinandersetzung zu betrachten. Es füllte mir zwar vermutlich mein Konto, würde ich in Waffen investieren. Es ließe mich aber ebenso vermutlich nicht mehr ruhig schlafen. Mag aus Kanonenläufen auch privater Profit kommen, sauberes Geld sieht anders aus.
Da der deutsche Staat jüngst ohnehin ein Hundert-Milliarden-Paket für das militärische Upgrading der Bundeswehr geschnürt hat, wäre es da nicht einfach nur konsequent, die Rüstungsproduktion verstärkt in staatliche Hände zu legen und zu einer öffentlichen Aufgabe zu machen, schärfere öffentliche Kontrolle eingeschlossen.
Damit bekäme dann auch der Satz mehr Gewicht, mit dem der Philosoph Walter Benjamin Cicero gewissermaßen konterkariert hat: Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg – und zwar nicht, um ihn vorzubereiten, sondern um vor ihm zu warnen, vor seinen Schrecken und vor seinem Leid.

Uwe Bork, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Soziologie, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Verfassungsgeschichte, Pädagogik und Publizistik. Bis Ende 2016 leitete er die Fernsehredaktion „Religion, Kirche und Gesellschaft“ des SWR. Für seine Arbeiten wurde er mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Uwe Bork arbeitet als Autor, Referent und freier Journalist.

Der Journalist Uwe Bork
© Deutschlandradio / Manfred Hilling
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