Der Weg zur künstlichen Nase ist noch weit
Das Sehen und Hören haben wir Robotern schon beigebracht. Doch was ist mit dem Riechen? Warum es so schwer ist, Maschinen mit dem Duft des Weihnachtsbratens vertraut zu machen, erklärt die Aromaforscherin Andrea Büttner.
Roboter können inzwischen alles Mögliche – sie werden besser und besser, je mehr wir Menschen sie mit Eindrücken bekannt machen, die wir über unsere Sinne wahrnehmen. Hören, riechen, schmecken, sehen – das seien die Wege, über die Menschen Informationen aus ihrer Umgebung aufnehmen, stellt die Lebensmittelchemikerin und Professorin für Aromaforschung an der Universität Erlangen, Andrea Büttner, fest. Die Intelligenz wiederum könne dann erst auf der Basis von Sinneseindrücken und Informationen entstehen. Damit seien Sinneswahrnehmungen die Grundlage für Intelligenz, so Büttner im Deutschlandfunk Kultur – und genauso sei es auch bei Maschinen.
Maschinen das Sehen und Hören beizubringen, habe sich als "recht einfach" erwiesen, sagte Büttner. "Das Licht kommt zu unseren Augen, die Töne über die Schallwellen kommen zu unseren Ohren." Anders ist es beim Riechen: Hier geht es um Moleküle, die mit Rezeptoren in der Nase wechselwirken. Und diese Moleküle können je nach Geruch völlig unterschiedlich in ihrer Struktur sein. Maschinen müssten also lernen, zwischen den verschiedensten Molekülen zu unterscheiden.
Das ist derzeit laut Büttner noch Zukunftsmusik. Doch eines Tages werden Maschinen wohl Menschen, die ihren Geruchssinn verloren haben, beispielsweise helfen können, keine verdorbenen Lebensmittel zu essen. Oder vielleicht auch in der Forschung helfen – bei der Frage beispielsweise, inwieweit "unbewusstes Riechen" das menschliche Verhalten beeinflusst. (ahe)
Das Gespräch im Wortlaut:
Christine Watty: Die Vorweihnachtszeit, finden viele Menschen, riecht gut. Gebackene Plätzchen, wenn es nicht schiefgegangen ist, duften, und Glühwein, wer's mag, auch, und Tannenzweige, solange keine Kerzen sie aus Versehen in Brand gesteckt haben. Interessanterweise ist der Geruchssinn auch ein Thema für Entwickler und Entwicklerinnen sogenannter künstlicher Intelligenzen. Maschinen und Roboter sollen eben nicht nur lernen, logische Gedankenschritte zu imitieren, sondern auch eines Tages mit einem Geruchssinn ausgestattet sein. Wahrscheinlich nicht, um über Weihnachtsmärkte zu staksen und zu rollen. Warum aber dann? Das habe ich mit Andrea Büttner besprochen. Sie ist Lebensmittelchemikerin und Professorin für Aromaforschung, und ich habe sie zuerst gefragt: Warum sollten Maschinen riechen lernen?
Riechen, schmecken, hören, sehen
Andrea Büttner: Im Zusammenhang mit der künstlichen Intelligenz ist das tatsächlich eine ganz spannende Frage, weil es ja eigentlich die Basis für Intelligenz ist. Wenn wir uns den Menschen anschauen, dann ist ja ganz wesentlich, dass wir verschiedene Sinne haben. Riechen, schmecken, hören, sehen und so weiter, und dass das eigentlich die Wege sind, auf denen wir Informationen über unsere Umgebung aufnehmen. Und die Intelligenz kann ja erst auf diesen Informationen basierend entstehen. Das heißt, eigentlich sind unsere Sinneswahrnehmungen die Grundlage für Intelligenz, und genau so muss es auch bei Maschinen sein. Das heißt, wenn wir intelligente Maschinen bauen möchten, müssen wir auch eigentlich erst mal Maschinen bauen, die fühlen können, und zwar mit möglichst vielen verschiedenen Sinnen, genauso wie der Mensch.
Watty: Das Riechenlernen ist aber einigermaßen kompliziert, beziehungsweise das Riechen beizubringen. Wieso eigentlich?
Büttner: Wenn man es vergleicht mit den rein physikalischen Sinnen, also Sehen und Hören, dann ist es dort ja recht einfach, das heißt, das Licht kommt zu unseren Augen, worüber wir sehen, die Töne über die Schallwellen kommen zu unseren Ohren. Aber beim Riechen brauchen wir Moleküle.
Wir müssen also wirklich mit Molekülen wechselwirken, Moleküle, die von unserem Weihnachtsbraten beispielsweise ausgesandt werden und uns zeigen, da riecht es lecker nach Weihnachtsbraten. Und diese Moleküle müssen erst mal transportiert werden zu uns, damit wir sie überhaupt riechen können, und dann müssen sie auch dort mit den verschiedensten Rezeptoren wechselwirken.
Das ist es, was es so schwierig macht, weil die Strukturen von diesen Molekülen ganz unterschiedlich sein können. Die Geruchsstoffe können zum Beispiel Ester sein oder Aldehyde, also ganz unterschiedliche Substanzen, und je nachdem, welche dieser Substanzen in welchen Mischungen vorliegen, das bestimmt dann, was wir riechen können.
Watty: Und die Frage ist ja auch, wie findet man raus, was wie riecht? Weil der Geruchssinn ist ja auch unterschiedlich zwischen den Menschen.
Der Mensch riecht nicht alles
Büttner: Er ist unterschiedlich zwischen den Menschen, und er unterscheidet auch ganz stark zwischen den Molekülen. Wenn Sie jetzt in einem Raum sind beispielsweise, sind ganz viele verschiedene Moleküle in einem Raum. Aber Sie riechen nicht alle davon.
Sie riechen eben nur einen Teil, und man könnte fast sagen, nach Murphy's Law riechen wir die Sachen besonders stark, die auch oft sehr niedrig konzentriert sind.
Unsere Nase ist extrem spezialisiert auf bestimmte Moleküle, die für uns ganz wichtige Signalstoffe sind, und die können oft in viel niedrigeren Konzentrationen vorliegen als die anderen Substanzen, die sonst noch so in einem Raum herumschwirren.
Und das ist genau das Problem. Wenn wir das übersetzen möchten in eine Maschine, dass eine Maschine, wenn sie wirklich Geruch erkennen möchte, also Geruch, wie er für einen Menschen interessant ist, dann muss diese Maschine eigentlich lernen, zwischen den verschiedenen Molekülen zu unterscheiden.
Watty: Jetzt haben wir so viel von den Problemen gesprochen, die es gibt, wenn man Maschinen das Riechen beibringen möchte. Welche Lösungen hat denn die Forschung bisher dafür?
Büttner: Tatsächlich denkt man oft, die Lösung wäre, man müsste jetzt einfach eine Nase nachbauen. Tatsächlich ist das unglaublich schwierig, denn eine Nase besteht ja aus allen möglichen verschiedenen Komponenten, und ich möchte es mal vergleichen mit einem anderen Sinn, wo es gelungen ist, die Sinneswahrnehmung in Digitalisierung in Maschinen zu übersetzen: Beim Hören beispielsweise ist ja die Übersetzung zum Beispiel in Form von MP3 bei Audiokodierung übersetzt worden in digitale Systeme, und man hat dort auch kein Ohr nachgebaut, sondern was man de facto getan ist, ist, dass man versucht hat, besser zu verstehen, was wichtig ist für den Menschen, gehört zu werden. Genauso muss man es auch beim Menschen beim Riechen tun.
Riechen noch besser verstehen
Wir müssen erst mal prinzipiell besser verstehen, was ist es, was elementar für uns ist, gerochen zu werden. Und dann müssen wir Wege finden, wie man Maschinen beibringt, Informationen so zu gewinnen, dass sie auch wirklich das riechen oder zumindest andere Substanzen riechen, die damit verbunden sind, mit dem Relevanten für Geruch.
Das ist nicht trivial, da muss man wirklich sehr umfassend das Riechen selbst verstehen. Deswegen müssen da auch die verschiedensten Experten aus den verschiedenen Disziplinen ganz eng zusammenarbeiten. Aromachemiker, Geruchschemiker beispielsweise, Physiologen, Ingenieure, IT-Wissenschaftler. Sie sehen, das geht eigentlich so ziemlich in jede Fachrichtung hinein, und das ist auch genau der Grund, warum wir jetzt gerade in unserem Campus der Sinne beispielsweise den Weg gehen und die ganzen verschiedenen Disziplinen zusammenbringen.
Watty: Wenn das dann eines Tages geschafft ist und eine Maschine kann riechen, so wie wir uns das jetzt gerade vorstellen und es von uns selbst kennen – wofür könnte denn diese Fähigkeit gut sein? Vielleicht haben Sie konkrete Beispiele für uns?
Büttner: Es gibt ganz viele Möglichkeiten, wo uns das unterstützen kann. Einmal bei dem Bereich, wenn Menschen Riechdefizite oder auch Schmeckdefizite haben. Wir können es ja auch noch weiter übersetzen, wir müssen ja nicht nur beim Riechen bleiben.
Da können Hilfsmittel entwickelt werden, um Menschen zu unterstützen, die solche Schwächen haben. Das ist nämlich ein ganz interessanter Aspekt, das wissen viele Leute nicht, dass Riechstörungen sehr verbreitet sind in der Bevölkerung, dass es also wirklich viele Leute gibt, die zum Beispiel wegen eines Grippeinfekts jetzt gerade in der Vorweihnachtszeit möglicherweise ihren Geruchssinn verlieren können, komplett verlieren können und ihn auch eventuell nicht mehr wiederbekommen.
Auf Gefahren hinweisen
Und solchen Menschen zu helfen, dass sie eben Hilfsmittel haben, die sie auf Gefahren hinweisen. Das ist ein ganz wichtiger Ansatzpunkt. Wenn Sie sich vorstellen, Sie können nicht mehr riechen, und Sie essen ein verdorbenes Lebensmittel, würden Sie das ja eventuell gar nicht merken.
Da ist es wichtig, dass man dann Tools zur Hand hat, vielleicht einen Sensor, der vielleicht gekoppelt ist mit einem Handy oder irgendeinem anderen Tool, das man immer so bei sich führen kann, wo Sie ganz schnell Informationen bekommen, Achtung, hier dieses Lebensmittel ist verdorben, das jetzt bitte nicht essen. Und dass wir es nicht dann hinterher erst merken, wenn es zu spät ist.
Watty: Wie sieht es denn aus mit der Gefahrenseite, die bei solchen Entwicklungen immer schnell zu Tage gebracht wird? Maschinen, die riechen können, können also auch manipulierbar sein, auch wenn Sie sagen, das ist nicht so eine ganz begründete Angst, dass wir davor am meisten Angst haben, aber können Sie sich eine Situation vorstellen, in der das ausgenutzt werden könnte, auf welche Art und Weise auch immer, dass eine Maschine riechen kann?
Büttner: Vielleicht im positiven Sinne auch ausgenutzt werden für Dinge, die wir als Menschen nicht riechen können, dass wir da besser gewarnt werden.
Ganz spannendes Feld: Möglicherweise könnte auch tatsächlich das unbewusste Riechen sein. Es gibt immer mehr Studien, die darauf hinweisen, dass Menschen möglicherweise auf nicht bewusst riechbare Geruchsspuren trotzdem reagieren mit Verhaltensänderungen.
Wobei ich mir da fast vorstellen könnte, dass dann Maschinen auch wiederum uns eher helfen und assistieren könnten, damit so ein unbewusster Riechvorgang uns nicht steuert, also dass wir dann vielleicht auch auf die Art hingewiesen werden, Achtung, hier ist irgendwas im Raum, eine Leitspur, die man vielleicht nicht bewusst wahrgenommen hat, und dass eine Maschine uns vielleicht davor auch warnen könnte. Das könnte ich mir ganz weit in die Zukunft gedacht eventuell vorstellen.
Watty: Die Lebensmittelchemikerin und Aromaforscherin Andrea Büttner über riechende Maschinen beziehungsweise darüber, warum die Entwicklung eines Geruchssinns auch für künstliche Intelligenzen bedeutsam ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.