Forscher über menschliche Organe in Tieren

"Eine ethische Debatte, die geführt werden muss"

07:59 Minuten
Genforschung in einem Labor in Japan.
Genforschung in einem Labor in Japan. © imago/Medicimage
Björn Petersen im Gespräch mit Nicole Dittmer · 31.07.2019
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Japanischen Forschern wurde nun erstmals die Züchtung von Mischwesen aus Mensch und Tier erlaubt. Björn Petersen vom Friedrich-Löffler-Institut beruhigt bei der Vorstellung von Chimären. Eine gesellschaftliche Diskussion seit aber trotzdem wichtig.
Seit Jahren versuchen Forscher und Forscherinnen, Organe zu züchten, die mit dem menschlichen Körper kompatibel sind. Tierischen Embryonen werden dabei menschliche Stammzellen eingepflanzt. Das Verfahren ist ethisch umstritten. Jedes Land hat seine eigenen Gesetze, wie weit die Wissenschaft gehen darf. Nun wurde einem japanischen Forscherteam erstmals die Züchtung von Mischwesen aus Mensch und Tier erlaubt.

Die Hintergründe von Martin Mair:

Das Ziel der japanischen Forscher ist ein alter Traum vieler Wissenschaftler: menschliche Organe in Tieren zu züchten. Die Mischlebewesen aus Mensch und Tier sollen quasi als Ersatzteillager dienen. Der Weg dorthin wirft ethisch viele Fragen auf und ist zugleich kompliziert. Das haben viele Versuche in dem Bereich der Genetik bereits gezeigt. Menschliches Erbgut in tierische Embryos zu bringen, ist kein neues Verfahren; schon in den 1960er-Jahren brachten Forscher einzelne Zellen von Menschen in Mäuse ein.

Und an vollständigen menschlich-tierischen Mischlebewesen arbeiten Wissenschaftler ebenfalls schon länger. Bislang dürfen diese Chimäre aber nur kurz in den Muttertieren wachsen. Japan hat nun erstmals erlaubt, dass ein Mischwesen bis zur Geburt ausgetragen werden darf. Konkret planen die Biologen, sogenannte iPS-Zellen in die Embryos von Schweinen zu schleusen. Diese Zellen sollen sich zu menschlichen Bauchspeicheldrüsen entwickeln. Ob das tatsächlich funktioniert, ist offen. Das japanische Team ist mit ähnlichen Versuchen schon gescheitert: Die menschlichen Zellen überlebten das Verfahren nicht.

Eine Nachricht, mit weniger Brisanz

Weil bereits seid vielen Jahren in dem Bereich geforscht werde und der Erfolg bisher bescheiden sei, habe für Björn Petersen vom Friedrich-Löffler-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, die Nachricht aus Japan weniger Brisanz. Erst einmal müsse bei dem Projekt viel Grundlagenforschung betrieben werden.
"Und das ist auch das erste Ziel dieses japanischen Experiments, was jetzt starten soll. Da ist gar nicht gleich geplant, dass Tiere bis zum Ende austragen dürfen, sondern auch frühe Stadien erstmal zu untersuchen, um den Anteil an Chimärismus signifikant zu erhöhen, damit eine solche Organentwicklung überhaupt möglich ist."
Wenn Forscher wiederum die Erlaubnis hätten, solche Embryos von Mischwesen auszutragen, wäre das zwar ein entscheidender Schritt weiter als bisher, aber soweit sei man noch nicht, sagte Petersen:
"Bisher schafft man nur einen ganz geringen Anteil an Chimärismus, der bei wenigen Prozent liegt. Da ist man noch weit entfernt, bis man solche Tiere bis zum Ende austragen lassen könnte. Das wird nicht gleich morgen oder übermorgen passieren."

Fraglich, ob die Forschung erfolgreich sein wird

Zum jetzigen Zeitpunkt sei es schwer zu sagen, ob das Verfahren überhaupt jemals gelingt, so Petersen. Allerdings sei Wissenschaft und Forschung etwas Lebendiges, es gebe immer mal wieder neue Erkenntnisse.
"Von daher würde ich nicht sagen, dass es unmöglich ist. Aber wir sprechen hier davon, Spezies zusammenzubringen, die sich vor Millionen von Jahren separiert haben."
Trotz des Forschungsstandes könne Björn Petersen aber verstehen, dass dieses Thema auch Ängste bei Menschen hervorrufe:
"Es ist sicherlich eine ethische Debatte, die die Gesellschaft letztendlich führen muss: Ob sie solche Experimente unterstützten, ob sie solche Organe später für Transplantationen nutzen wollen, wenn es denn möglich ist, solche Organe in Tieren zu produzieren. Aber das ist dann die Aufgabe der Gesellschaft und der Politik, solche eine ethische Debatte darüber zu führen."

Projekt ist "Grundlagenforschung"

Persönlich findet Björn Petersen diese Forschung wichtig. Es gebe in Deutschland, in Europa und weltweit einen "akuten Organmangel". Allein in Deutschland würden täglich drei Patienten sterben, die auf einer Organspendeliste stünden, sagte Petersen. Es gebe ein Bedarf, diese Lücke zu schließen, und das schaffe man nicht nur durch eine Änderung des Organspendegesetzes. "Von daher ist es schon wichtig, Alternativen zu finden."
Zunächst stuft Björn Petersen das Projekt als "Grundlagenforschung" ein.

(jde)
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