Dolly und die Entwicklung des Klonens

Es begann mit einem Schaf

Klonschaf Dolly (M) am 25.2.1997 im Roslin-Institut in Edinburgh
Auf Dolly folgten geklonte Mäuse, Rinder, Schweine, Pferde und zuletzt auch Affen. © picture-alliance / dpa
Von Michael Lange · 03.05.2018
Als 1996 das Schaf Dolly geboren wurde, war das ein Durchbruch in der Klonforschung. Und nachdem chinesischen Wissenschaftlern nun das Klonen von Affen gelungen ist, stellt sich die Frage: Ist das Klonen von Menschen der nächste Schritt?
Es geschah im Sommer 1996, am 5. Juli, in einem Stall in Schottland. Das erste aus einer reifen Zelle geklonte Säugetier wurde geboren.
Schneider: "Das Schaf Dolly ist eigentlich zu einer Ikone dieser Klonforschung geworden."
Niemann: "Das ist ein Markstein der Wissenschaft. Und ich denke mal: Zusammen mit den wenige Jahre später beschriebenen Humanen Stammzellen hat das die Biologie in dramatischer Weise verändert."
Ein halbes Jahr später ging die Nachricht vom ersten geklonten Säugetier um die Welt. Keine Zeitung ohne Schafskopf auf der Titelseite. Und die Wochenmagazine dachten schon weiter.
Schneider: "Auf dem Spiegel-Titel stolzierten damals Marilyn Monroe, Adolf Hitler und Albert Einstein soldatisch durch die Gegend. Und man hatte diese Vorstellung: Man wird jetzt Heere von Intelligenzbestien züchten. Man wird das Böse multiplizieren und man wird die Schönheit unsterblich machen."

Das berühmteste Schaf der Welt

Dieses Schaf, diese Ikone der Wissenschaft, an dem sich die Geister bis heute scheiden, wollte ich unbedingt kennen lernen. Drei Jahre nach dem "Klonschock" flog ich nach Edinburgh in Schottland – und dann noch 20 Minuten mit dem Auto durch eine hügelige, grüne Landschaft. Am Rand eines kleinen Dorfes namens Roslin finde ich das Roslin-Institute. Hier lebt es also - das berühmteste Schaf der Welt.
Zunächst treffe ich den Tierarzt Tim King. Er bringt mich zu einem kleinen Stall einige hundert Meter von den Institutsgebäuden entfernt.
An diesem schönen Sommertag hat Dolly Auslauf. Als sie Tim King und mich erblickt, kommt sie sofort zum Gatter. Zwei kleine Lämmer im Schlepptau. Dolly ist schon zum sechsten Mal Mutter geworden. Sie scheint gut aufgelegt, gesund und munter. Etwas übergewichtig vielleicht.
Auf der anderen Seite der Weide patrouillieren zwei Wachleute. Dollys Leibgarde. Sie bringen uns zu einem kleinen Schafstall und schalten die Alarmanlage aus. Hier warten weitere geklonte und gentechnisch veränderte Schafe. Wertvolle Versuchstiere. Tierarzt Tim King greift sich einen grünen Eimer. Die Schafe sind aus dem Häuschen. Denn im Eimer erwarten sie Futter. Polly und Molly, Megan und Morag. Viele der geklonten Schafe sind in der Fachwelt bekannt. Sie stehen für weitere Durchbrüche in der Klontechnik und der Genmanipulation.
Bill Richie ist der Leiter des Embryologie-Labors. Er zeigt mir das kleine Labor, in dem Dolly gemacht wurde, wie er sagt. In einem noch kleineren Seitenraum, sein Arbeitsplatz mit einem großen Mikroskop, einem Mikromanipulator. Darin kann Bill Richie mit feinen Nadeln und Pipetten winzige Zellen und Zellkerne gezielt bewegen und manipulieren. Ganz vorsichtig.
Das Klonen beginnt mit einer Eizelle. Wie jede Zelle hat sie einen eigenen Zellkern. Aber der muss raus, so dass die Eizelle kein eigenes Erbmaterial mehr besitzt. Dann erhält sie neues Erbmaterial aus einer reifen Körperzelle.

Dolly entstand aus Euterzellen

Bei Dolly stammte das neue Erbmaterial aus einem Euter vom Schlachthof. Aus Euterzellen erzeugten die Wissenschaftler eine Zellkultur, die sich im Labor immer weiter vermehrte. Dann wurde ein Zellkern aus der Zellkultur in die Eizelle hineingespritzt und das Erbmaterial aus einer Euterzelle übernahm das Kommando über die Eizelle. In der Fachwelt heißt die Technik "Kerntransfer", manchmal auch "Dolly-Methode". Umgangssprachlich: Klonen.
Denn so entstehen geklonte Lebewesen - genetisch identisch mit einem erwachsenen oder - wie bei Dolly - einem bereits verstorbenen Tier.
Bill Richie hat die Klontechnik mit entwickelt. In langen Tagen und Nächten im Labor hat er sie Schritt für Schritt perfektioniert.
Richie: "Es ist fast wie ein Spiel. Man braucht viel Konzentration dabei. So viele Dinge können schief gehen. Ich bin immer wieder überrascht, dass aus einem winzigen Zellkern, den wir so grob behandeln, neues Leben entstehen kann. In dieser kleinen Kugel unter dem Mikroskop steckt genug Information, um ein Tier aus altem Erbmaterial neu zu erschaffen, wenn Sie so wollen."
277 Mal spritzte er einen Zellkern in eine Eizelle. Manchmal entwickelte sich ein Embryo, manchmal nicht. Aber nur ein einziges Mal kam ein gesundes Schaf zur Welt: Dolly.
Bill Richie ist ein ruhiger, zurückhaltender Typ. Meist bleibt er im Hintergrund. Der Star ist das Schaf. Besonders deutlich wurde das, als am Februar 1997 die Nachricht vom Klon um die Welt ging und Medienvertreter zu Dutzenden im Institut einfielen. Zum Abschied gibt mir Bill Richie ein Foto.
Richie: "Dolly steht auf den Hinterbeinen vorne im Stall und schaut zu etwa 50 Fotografen hinüber. Der Fotograf dieses Bildes stand hinter Dolly und beobachtete die anderen Fotografen."

Klonen als großer Spaß

Die Nachricht vom geklonten Schaf blieb nicht folgenlos. In zahlreichen Diskussionen ging es jedoch nicht um Schafe, sondern um Menschen. Was wäre, wenn auf die gleiche Weise ein Mensch geklont würde? Als erster meldete sich ein Physiker aus den USA: Richard Seed. Kein renommierter Forscher, eher die Karikatur eines Wissenschaftlers. Er versprach: Schon bald werde er der Welt den ersten geklonten Menschen präsentieren.
Seed: "Es ist nur eine andere Form, ein Kind zu bekommen, ein kleines, süßes Baby."
1999 war das Klonen für Richard Seed ein großer Spaß.
Der Physiker gibt in seinem Vorstadthaus in Riverside bei Chicago ein Interview nach dem anderen. Und bald folgte der nächste Coup. Die Raelianer, eine religiöse Sekte, verkündete im Dezember 2002 in Florida den angeblichen Durchbruch.
Es dauerte eine Weile, bis klar war, dass nichts davon stimmte. Was folgte, war die Stunde zweier seriös wirkender Herren im weißen Kittel: Panos Zavos in den USA und Severino Antinori in Italien, beide gestandene Reproduktionsmediziner. Sie nahmen fleißig Klonaufträge kinderloser Paare entgegen. Viele Experten schüttelten schon damals den Kopf über die Selbstdarsteller, die mit den Wünschen kinderloser Paare und der verbreiteten Angst vor dem Klonen spielten. Für den Tierzuchtexperten Heiner Niemann von Friedrich-Löffler-Institut in Neustadt bei Hannover war Dollys Geburt aus ganz anderen Gründen bemerkenswert.

Niemann: "Es ist sicherlich ein echter Sprung in der Wissenschaft. Ich würde sogar sagen: Da ist in Dogma in der Biologie gefallen."
Bei der Entstehung von Dolly haben Forscher den biologischen Alterungsprozess umgedreht. Eine reife Körperzelle wurde wieder embryonal. Das galt in der Entwicklungsbiologie zuvor als unmöglich.
Niemann: "Bis dahin galt: Eine Zelle, die einmal einen bestimmten Entwicklungsweg genommen hat - das heißt, sie ist zur Leberzelle geworden, zur Gehirnzelle irgendeiner Art oder zur Hautzelle oder Nierenzelle – das heißt, dass eine solche Zelle endgültig differenziert ist und damit nicht mehr in einen Zustand der Pluripotenz oder Totipotenz wie wir das nennen, einen Zustand des Alleskönnens zurückprogrammiert werden kann. Und das ist mit Dolly nachgewiesen, dass das eben doch passieren kann. Und inzwischen haben wir in der Biologie eine große Flexibilität und Plastizität dort feststellen können, die vorher eigentlich undenkbar war."
Vier Schafe beim Grasen. Sie sind alle genetisch Identisch. Gewissermaßen "Dollies".
Der berühmte Klon "Dolly" war nicht der einzige. Diese vier "Dollies" sind alle genetisch Identisch.© University of Nottingham

Schafe, Rinder, Mäuse, Rennpferde ...

Pluripotenz und Totipotenz beherrschten die wissenschaftliche Debatte. Pluripotent sind Zellen dann, wenn verschiedene Zelltypen aus ihnen heranwachsen können. Totipotent, wenn aus einer Zelle ein ganzes Lebewesen werden kann. Zunächst begeisterte das vor allem die Tierzüchter. Wenn ein teurer Hochleistungsbulle geklont wird, dann können seine Nachkommen beliebig viel Sperma liefern, während der ursprüngliche Bulle längst im Schlachthaus zu Steaks verarbeitet wird. Auch Heiner Niemann begann zu klonen und hatte Erfolg.
Niemann: "Das ist ein Lakenfelder. Der hat diese weiße Bauchbinde. Das ist unser jüngstes Klonprodukt. Ein junger Bulle, der sehr munter ist. Das ist ein Klon, der ist gemacht worden aus einer Lakenfelder Kuh … einem Lakenfelder Bullen gemacht worden und ist von einer Schwarzbunten hier aus unserem Bestand ausgetragen worden."
Nach Schafen und Rindern folgten geklonte Mäuse, Ratten, Kaninchen und schließlich sogar wertvolle Rennpferde und Maultiere. Eine besondere Herausforderung für die Tierzüchter, denn Maultiere entstehen bei der Kreuzung von Pferden und Eseln. Von Natur aus können sie sich nicht fortpflanzen. Aber Dirk Vanderwall und sein Team an der Universität von Idaho hatten schließlich Erfolg.
Vanderwall: "Das Klonen von Maultieren, genau wie bei Pferden, Rindern oder anderen Arten, ist ein sehr ineffizienter Prozess. Das ist die schlechte Nachricht. Bei hundert Embryonen schaffen es nur drei oder vier gesund zur Welt zu kommen. Die gute Nachricht lautet: Es gibt noch viel Platz für Verbesserungen."
Beim Maultierrennen in Stockton, Kalifornien, sind seitdem hin und wieder geklonte Tiere am Start.
Die Forscher um Dirk Vanderwall klonten eines der schnellten Maultiere der USA. Drei Klone entstanden. Nur eines machte Karriere auf der Rennbahn. An die Leistungen des ursprünglichen Zellspenders kam es aber nie heran. Meist gewannen die anderen. Die geklonten Maultiere liefen hinterher. Auch wertvolle Haustiere wurden mehrfach geklont.

10.000 Euro für einen geklonten Hund?

Vor allem beim Klonen von Katzen kam es zu unerwarteten Überraschungen. Der für viel Geld bestellte Katzenklon sah oft ganz anders aus als das verstorbene, liebgewonnene Haustier. Heute kennt man die Ursache: Die Musterung des Fells der Katzen entsteht bei der Embryonalentwicklung. Dabei spielen Zufälle eine größere Rolle als die Genetik. Zwei Katzenklone sehen deshalb oft unterschiedlich aus. Auch das Hundeklonen blieb eine Randerscheinung. Wer will schon 10.000 Euro für einen Hund bezahlen, der dann anders aussieht und sich anders verhält als gewünscht?
Nur das Rinderklonen konnte sich kommerziell etablieren. Teure Zuchtbullen werden immer wieder geklont, um das beste Sperma für die Besamung zu erhalten. Firmen in den USA und Japan haben sich darauf spezialisiert. Das erste deutsche Klonkalb kam aus München. Im Januar 1998 präsentierten Wissenschaftler das Kalb vor einer Schar von Fotografen und Kamerateams.
Der verantwortliche Wissenschaftler ist dem Klonen treu geblieben. Ich treffe Eckhard Wolf, Professor am Lehrstuhl für molekulare Tierzucht in seinem Labor am Moorversuchsgut in Oberschleißheim. Dort werden Schweinezellen geklont und so verändert, dass sie vom menschlichen Immunsystem nicht mehr als fremd erkannt werden. Das Ziel: Hier sollen Organe entstehen, die vielleicht irgendwann in Patienten transplantiert werden und menschliches Leben retten sollen.

Wolf: "Und wenn jetzt hier die Zellen mit der gewünschten genetischen Manipulation generiert worden sind, dann kommen sie ins nächste Labor. Im nächsten Labor wird dann der Kerntransfer, das heißt das Klonen durchgeführt. Hier sehen Sie zwei sehr auffällige Manipulations-Mikroskope."
2018 sieht es im Klonlabor fast genauso aus wie 20 Jahre zuvor im Roslin-Institute. Und das Klonen ist immer noch ein Spiel mit vielen Unbekannten.
Wolf: "In der Tat ist die Effizienz nicht sehr hoch. Sie liegt in der Größenordnung von etwa fünf Prozent. Das heißt bei etwa fünf Prozent der auf Empfängertiere übertragenen Klonembryonen wird tatsächlich ein Ferkel. Aber nach wie vor ist es die Technologie, mit der wir genetische Modifikationen am effizientesten und am präzisesten durchführen können. Die weitere Propagation der Tiere erfolgt dann über konventionelle Zucht. Das heißt: Wir nehmen das Klonen nur ein einziges Mal, um die genetische Modifikation durchzuführen."
Das Klonschaf Dolly steht im Schottischen National Museum.
Das Klonschaf Dolly steht mittlerweile ausgestopft im Schottischen National Museum.© dpa/picture alliance / Daniel Kalker

Schweine als Organspender

Die zugehörigen genveränderten und zum Teil geklonten Schweine leben gleich nebenan in einer großen, modernen Stallanlage.
Wolf: "Diese Anlage ist insofern etwas besonders, als die Tiere hier unter besonders hygienisch hoch stehenden Bedingungen gehalten werden können."
Wer wie ich hinein will, muss zunächst durch eine Schleuse, um keine Krankheitserreger einzuschleppen. Also los! Wir ziehen unsere Schuhe und Socken aus, desinfizieren Hände und Füße. Dann legen wir im Vorraum die Kleidung komplett ab, duschen uns, inklusive Haarwäsche. Und ziehen uns dann die vorbereiteten Kleidungsstücke für den Innenraum des Stalls an. Dann können wir hineingehen.
Die Hygienevorschriften sind strenger als im Krankenhaus. Denn die Schweine sollen als Organspender zur Verfügung stehen – zunächst für Tierversuche und später für Menschen.
Wolf: "Man merkt: Hier riecht es deutlich stärker nach Schwein. Und wir können eben, ohne die Tiere zu stören von außen in die Stallungen hineinschauen. Es sind hier auch Kameras installiert, so dass wir in der Nacht die Tiere vom Computer aus beobachten können."
Die Schweine sollen möglichst wenig gestört werden. Auch nicht von uns.
Wolf: "So, wir kommen jetzt in den Bereich, wo die Abferkelabteile sind. Die Tiere kommen kurz vor der Geburt in ganz besondere Stallungen. Wir gehen hier leise herein, um die Muttersauen nicht zu stören. Die sind hier mit ihren Ferkeln. Die sind jetzt etwa drei oder vier Wochen alt."
Die schwere Muttersau will sehen, wer da kommt. Aber ihre Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt durch ein Metallgestell, damit sie ihre fünf kostbaren Ferkel nicht gefährdet. Unser Besuch sorgt für Unruhe im Stall.
Wolf: "Vom Hygiene-Standard wäre das jetzt noch nicht auf einem Niveau, dass man sie direkt für die Transplantation in Menschen verwenden könnte. Sie sind aber so sauber, dass man gefahrlos aus hygienischer Sicht Transplantationen von Herzen auf nicht humane Primaten, also auf Paviane, durchführen könnte."
Für die Verpflanzung von Schweineherzen in Paviane ist ein Pionier der Herztransplantation zuständig. Der 75-jährige Herzchirurg Bruno Reichart führte als erster in Deutschland eine Herzlungentransplantation beim Menschen durch. Ich treffe ihn im Universitätsklinikum Großhadern.
Reichart: "Die Versuche im Labor mache ich selber. Also ich transplantiere. Der liebe Gott hat mir bislang eine gute Gesundheit gegeben. Ich zittere nicht. Und sehen kann ich mit Lupenbrillen, die man sowieso braucht, hervorragend. Und so mach ich das noch."
Bruno Reichart hat bereits mehrfach Schweineherzen in Paviane verpflanzt. Und er plant bereits die nächste Operation. Dabei sein darf ich nicht. Aber der 75-Jährige erzählt so engagiert, als stünde er im Operationssaal.
Reichart: "Wenn man sieht, dass im Labor diese Schweineherzen, die genmodifiziert sind. Man näht sie ein in aller Ruhe. Die sind unheimlich gut perfundiert und preserviert. Und dann geht die Klemme auf, und die Herzen werden rosig. Und sie zucken ein bisschen. Und sie zucken immer mehr, und dann schlagen sie. Und das passiert immer wieder. Immer wieder. Also mit anderen Worten: Es ist da! Die xenogene Herztransplantation ist da."
Das Ziel ist klar. Das Schweineherz muss die Funktion des Pavianherzens übernehmen und das Blut durch den Körper des Affen pumpen. Drei Monate hat ein Versuchstier diesen schweren Eingriff bereits überlebt. Jetzt heißt es abwarten.
Reichart: "Der Stand ist, dass wir das immer wieder wiederholen müssen, Langzeiterfolge haben müssen. Das ist der Druck, der auf mir ist, der auf meinem Team ist. Denn irgendwann hoffen wir, dass wir in zwei oder drei Jahren damit anfangen können, uns dann anzumelden bei den Behörden, so dass man die ersten Eingriffe am Menschen machen kann."
Sollte die Xenotransplantation gelingen, wäre das eine medizinische Anwendung der Klontechnik – wenn auch indirekt über das Klonen von Schweinen.

Die große Verjüngungskur entpuppt sich als Fälschung

Zunächst jedoch gingen die mit dem Klonen verbundenen Hoffnungen in eine andere Richtung. Durch Kerntransfer sollten menschliche Embryonen im Labor entstehen, um daraus Stammzellen zu gewinnen. Um diese Technik von Klonversuchen am Menschen zu unterscheiden, entstand der Begriff "Therapeutisches Klonen". Die ersten embryonalen Stammzellen aus angeblich geklonten Embryonen präsentierte 2004 ein Wissenschaftler und Veterinärmediziner aus Südkorea.
"Wir haben Zellen von Patienten mit unheilbaren Krankheiten entnommen. Und daraus durch Klonen embryonale Stammzellen gewonnen."
In seinem Heimatland wurde Hwang Woo Suk ein Jahr lang als König des Klonens verehrt. Viele hielten die Zeit des Therapeutischen Klonens für gekommen.
"Es wird ein neuer Urquell geschaffen. Es wird eine neue Verjüngungskur in Aussicht gestellt."
Ingrid Schneider befasst sich an der Universität Hamburg mit Biopolitik. Sie stand der Klontechnik und ihren angeblichen medizinischen Möglichkeiten von Anfang an kritisch gegenüber.
Schneider: "Es wird auch mit Sicherheit irgendwann mal etwas dabei herauskommen. Aber ob das tatsächlich diese wunderbaren Stammzellen sein werden, die man dann implantiert? Das ist die ganz große Frage."
Ein Jahr später wurden der Südkoreaner Hwang Woo Suk und sein Team der Fälschung überführt. Außerdem wurde bekannt, dass der umjubelte Wissenschaftler Mitarbeiterinnen gedrängt hatte, Eizellen für das Forschungsprogramm zu spenden. Der König des Klonens war entzaubert. Er wurde entlassen und später verurteilt. Heute leitet Hwang Woo Suk eine kleine Firma für das Klonen von Hunden. Die wissenschaftliche Anerkennung erntete ein anderer: Shinya Yamanaka von der Kyoto-Universität in Japan.
"Embryonale Stammzellen sind sehr gut. Das Potenzial ist enorm. Zugleich gibt es aber zu hohe Hürden. Deshalb habe ich nach einem Weg gesucht, diese Hürden zu überwinden und ähnliche Zellen gezüchtet – nicht aus Embryonen, sondern aus den eigenen Körperzellen der Patienten."
2006 war es dem japanischen Forscher gelungen, Hautzellen von Mäusen so zu verändern, dass sie embryonale Fähigkeiten entwickelten. Er nannte sie IPS-Zellen, induzierte pluripotente Stammzellen. Es gelang ihm, vielseitige Stammzellen zu züchten, ohne dass dabei ein Embryo künstlich erzeugt oder getötet werden musste. Ohne Klonen. 2007 gelang das gleiche mit Zellen des Menschen. 2012 erhielt Yamanaka für seine Forschung den Medizin-Nobelpreis.
Die Zeit des sogenannten "Therapeutischen Klonens" schien vorbei, bevor sie sie richtig begonnen hatte.
Erst 2013 konnte ein Wissenschaftler aus den USA beweisen, dass sich menschliche Embryonen und embryonale Stammzellen durch Klontechnik im Labor herstellen lassen. Ein großer Durchbruch war das nicht mehr, und den verantwortlichen Forscher Shoukhrat Mitalipov von der "Health and Science University" in Oregon kennen nur wenige.
"Es handelt sich um Zellen in Zellkultur, nicht anders als andere vielseitige Zellen. Ihr Potenzial für die Medizin lässt sich schwer einzuschätzen. Bisher gibt es keine Therapie mit diesen Zellen."

Für das Klonen von Menschen sind die Hürden zu groß

Damit könnte die Geschichte rund um den geklonten Menschen abgeschlossen sein. Egal, ob nun zur Fortpflanzung oder zur Gewinnung von Stammzellen aus geklonten Embryonen.
Ingrid Scheider von der Universität Hamburg gibt dem Klonen beim Menschen keine große Zukunft.
Scheider: "Für die Entwicklung von geklonten Menschen bestehen nach wie vor viele technische Hürden, und es würde auch einen enormen Eizellenverbrauch voraussetzen. Auch in Oregon hat man ja bezahlte Eizellenspenderinnen gewonnen. Wenn dieses Verfahren jetzt tatsächlich breiter angewandt würde, bräuchte man eine Heerschar von Frauen, die sich damit hohen Gesundheitsrisiken aussetzen."
Aber in China wurde weiter geforscht, nicht am Menschen, aber an kleinen Primaten. Im Januar 2018 kamen Zhong Zhong und Hua Hua zur Welt, zwei Javaner-Affen. 109 Klonversuche waren nötig nach Angaben der Forscher. Erfolgsquote unter zwei Prozent. Stefan Treue, Direktor am Primatenforschungszentrum Göttingen, äußert sich zurückhaltend.

Treue: "Das ist natürlich nur der erste Schritt. Die Klontechnik ist weit weg von ausgereift. Das heißt im Moment noch, dass sehr viele Versuche unternommen werden müssen, bis ein einzelnes Tier geklont werden kann. Diese Technik würde im weiteren Sinne vor allem dann Bedeutung bekommen, wenn sie routinemäßig eingesetzt werden kann, und da sind wir noch ein ganzes Stück entfernt. Aber die gerade erschienene Studie ist ein wichtiger Schritt."
Die Namen Zhong Zhong und Hua Hua stehen für die chinesische Nation, und so galt die Geburt der beiden vor allem als Beweis für die Leistungsfähigkeit der chinesischen Biotechnologie.
"Also wir werden sicherlich vom Klonen weiter hören. Ich glaube aber nicht, dass wir in den nächsten paar Jahren tatsächlich beim Klonen selber auf große Durchbrüche hoffen können. Dafür sind die technischen Anforderungen, die Schwierigkeiten, die wir überwinden müssen, einfach zu groß."
Nun also doch. Schritt und Schritt kommt die Klonforschung dem Menschen näher. Die chinesischen Forscher teilen mit: Sie wollen weiter Affen klonen, nicht jedoch Menschen. Ihnen gehe es um medizinische Forschung.
Das undatierte Bild zeigt in Shanghai Hua Hua, einer der ersten zwei Affen, die nach Dolly-Methode geklont wurden.
Das undatierte Bild zeigt in Shanghai Hua Hua, einer der ersten zwei Affen, die nach Dolly-Methode geklont wurden.© dpa-Bildfunk / Chinese Academy of Sciences / Qiang Sun and Mu-ming Poo

Es gibt kein Zurück in die Zeit vor Dolly

Dabrock: "In der in Anführungsstrichen ‚Pyramide des Lebens‘ ordnen wir die Affen eben doch sehr hoch ein. Wir ordnen sie in den Bereich unserer nahen Verwandten ein. Und deshalb sollte man ganz vorsichtig sein, wenn es um Affen geht."
Peter Dabrock lehrt systematische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Als Vorsitzender des Deutschen Ethikrates warnt er vor der Anwendung des Klonens beim Menschen.
Dabrock: "Da erkenne ich schon das Gesamtziel, dass die biologischen, insbesondere die genetischen Grundlagen des Menschen bearbeitet werden sollen. Und das ist meines Erachten eine Menschheitsfrage. Und da ordne ich jetzt auch diese Versuche ein. Und das beunruhigt mich mehr, als das da irgendwie Klonkrieger kommen könnten."
Es ist der Drang des Menschen, sich selbst zu erhalten und zu verbessern. Fitness, Doping, Medikamente zur Leistungssteigerung oder Schönheitsoperationen. All das geht in die gleiche Richtung. Die genetische Ausstattung ist noch außen vor, aber sie wird es nicht bleiben.
Dabrock: "Dass manche Forscher diese irrsinnige Idee haben, dass es so etwas wie Menschenklone geben sollte. Damit muss man rechnen. Ich denke, dass die Debatte um die Klonäffchen jetzt dazu führt, dass wir nicht anfangen müssen, die Geburt und die genetische Ausstattung unseres Daseins zu perfektionieren. Das haben eigentlich die letzten 20, 30 Jahre in der Genomforschung gezeigt: Je mehr man verstanden hat, umso mehr hat man kapiert: Es ist alles noch viel komplizierter, und deswegen: Vorsicht!"
Ob die Geschichte, die mit Dolly begann, mit Zhong Zhong und Hua Hua endet? Wahrscheinlich nicht. Es gibt kein Zurück in die Zeit vor Dolly. Aber vielleicht lässt sich noch verhindern, dass wir Menschen unsere eigene Genetik im großen Stil selbst gestalten. Wenn das geschähe, wäre das nicht nur ethisch verwerflich und naturwissenschaftlich unsinnig, sondern gefährlich für die Menschheit.
Dolly, das geklonte Schaf, steht unterdessen längst im schottischen Nationalmuseum in Edinburgh. Und dort soll sie bleiben. Ausgestopft.
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