„For My Crimes“von Marissa Nadler

„Meine Form von Selbstermächtigung“

Marrissa Nadler sitzt auf beigen Steinen in einem weißen Kleid.
Die Musikerin Marissa Nadler © Cara Robbins
Von Mathias Mauersberger |
Kluge Beobachterin mit Sinn für Details und einer Leidenschaft fürs Morbide: Auf „For My Crimes“ präsentiert Marissa Nadler in gewohnter Weise ihre puristischen Song - und schlägt zugleich ein neues Kapitel in ihrer musikalischen Entwicklung auf.
"Mein letztes Album 'Strangers' war viel üppiger instrumentiert als dieses. Auf meinem neuen Album spiele ich fast alle Instrumente selbst und die Songs sind direkter."

Auf dem Cover von "For My Crimes" von Marissa Nadler ist eine abstrakte Seelandschaft abgebildet: Dunkel türmt sich der Himmel über schwarzem Wasser auf, nur ein kleines wenig Licht bricht durch die Wolken. Diese Szenerie passt zu den düsteren Songs der Sängerin, die doch nie gänzlich hoffnungslos klingen. Das Cover hat Nadler selbst gemalt. Und zum ersten Mal bringt sie ihre Musik und ihre Kunst so nah zusammen.
"Ich habe sechs Jahre lang eine Kunsthochschule besucht und Malerei studiert. Von Kindesbeinen an wollte ich Künstlerin werden, aber die Ansprüche an mich selbst waren sehr hoch: Mir fiel es schwer, Bilder zu veröffentlichen, die in meinen Augen nicht perfekt waren. Mit den Jahren habe ich aber gelernt, Perfektionismus zu verabscheuen. Eines meiner Bilder aufs Cover zu setzen, war ein wichtiger Schritt in diesem Prozess."

Entspannte, natürliche Energie

Musik als Selbstausdruck, nicht als Leistungsschau: Das könnte das Motto des neuen Albums von Marissa Nadler sein. Mit ihrem neuen Produzenten Lawrence Rothman verkroch sich die 37-Jährige in dessen Studio im Laurel Canyon, um möglichst reduzierte, puristische Songs aufzunehmen. Die Liste der Gastmusikerinnen ist dafür überraschend lang: Angel Olsen und Sharon van Etten singen im Hintergrund. Patty Schemel von "Hole" spielt Schlagzeug. Janel Lepin arrangierte die geschmackvollen Streicher. Ist "For my Crimes" vielleicht sogar ein besonders "weibliches" Album?
"Ich habe die Musikerinnen auf meinem neuen Album nicht deshalb ausgesucht, weil sie Frauen, sondern weil sie großartige Musikerinnen und Freundinnen sind. Meine Stimme mischt sich besser mit anderen weiblichen Stimmen. Und ich wollte eine entspannte, natürliche Energie einfangen."
Bemerkenswerter als die gelungenen, aber unaufdringlichen Songs sind deren Texte. Marissa Nadler war schon immer eine kluge Beobachterin mit Sinn für Details und einer Leidenschaft fürs Morbide: Im Titelstück erzählt sie von einem Insassen des Todestrakts, der seine Liebsten um Vergebung bittet. "I Can’t Listen To Gene Clark Anymore" wiederum ist eine ironische Reminiszenz an die Country-Rock-Musik, die das lyrische Ich in einer früheren Beziehung gerne hörte. Der letzte Song wiederum thematisiert auf originelle Weise Abschied, Rückschau, Neuanfang.

Zurückhaltend und dicht

"Im Refrain von ‚I Said Goodbye To That Car‘, also ‚Ich habe mich von diesem Auto verabschiedet‘- liste ich Nummern auf: Darunter die Kilometerzahl, auf der der Tacho stehen geblieben ist. Autos sind für uns Menschen langjährige Begleiter. Sie sehen alles, was wir sehen. Ich wollte das Album gerne mit diesem Stück beenden. Denn es fühlt sich an wie das Ende eines Kapitels."
Vielleicht könnte Marissa Nadler heute so bekannt sein wie Lana del Rey. Immerhin widmet sie sich einer ähnlichen, düster-romantischen Ästhetik wie ihre berühmte Kollegin. Aber auch "For My Crimes" enthält eben keine Hits, kaum Ohrwürmer. Es ist ein zurückhaltendes, aber atmosphärisch-dichtes Album, mit dem Marissa Nadler ihren Status als eigensinnige Künstlerin zementiert.
"Ich bin schon mein halbes Leben lang eine hart arbeitende Künstlerin. Dieses Album handelt nicht von Selbstermächtigung – das Album an sich ist selbstermächtigt. Die Musikerinnen, die ich einlud, sind allesamt starke, erfolgreiche Frauen; DAS ist meine persönliche Form von Selbstermächtigung."
Mehr zum Thema