Irischer Sänger Gilbert O'Sullivan

"Ich bin einfach Mr. Normal"

Gilbert O'Sullivan bei einem Konzert im Londoner Hyde Park während der "BBC Proms In The Park" im September 2017
Gilbert O'Sullivan bei einem Konzert im Londoner Hyde Park während der "BBC Proms In The Park" im September 2017 © imago/Matrix
Gilbert O'Sullivan im Gespräch mit Marcel Anders · 23.08.2018
Auferstanden aus dem 70ern: Der irische Songschreiber und Sänger Gilbert O'Sullivan meldet sich mit einer neuen Platte zurück. Texte seien für ihn zweitrangig, meint er, aber für eine gute Melodie sitze er manchmal über Wochen am Klavier. Wir haben ihn auf auf der Insel Jersey getroffen.
Andreas Müller: In den frühen 70ern war Willy Brandt noch Bundeskanzler, Franz Beckenbauer der Kaiser und Gilbert O´Sullivan der Popstar schlechthin: Der Mann aus dem englischen Provinznest Swindon hatte Welthits wie 'Get Down', 'Alone Again' oder 'Clair' und verkörperte den Traum aller Schwiegermütter – bis er in den frühen 80ern sang- und klanglos von der Bildfläche verschwand. Jetzt, mit 71, meldet er sich zurück. Mit einem Album, das genauso heißt, wie er – und mit dem er nach 36 Jahren zurück in die Charts will. Marcel Anders hat ihn auf der Kanal-Insel Jersey besucht:
Marcel Anders: Mr. O'Sullivan, was hat Sie hierher verschlagen? Ist die Insel eine Zuflucht, ein Versteck, ein Alterswohnsitz?
Gilbert O'Sullivan: Zunächst einmal ist Jersey unglaublich mild. Ein sehr gesunder und schöner Ort. Ohne Autobahnen. Was gut ist, weil ich nicht fahre. Als ich hierher kam, hatte ich zwei kleine Kinder, die vor der Einschulung standen. Insofern war es für sie perfekt, weil die Klassen nicht zu voll waren. Auch meine Frau hat gute Freunde gefunden, und ich habe ein nettes Studio, wo ich in aller Ruhe arbeiten kann.

Konflikte mit dem Manager

Anders: Wie kommt es, dass wir die letzten vier Dekaden kaum noch etwas von Ihnen gehört haben - schon gar keine neue Musik?
O'Sullivan: Wahrscheinlich denken die Leute, ich wäre in Rente gegangen oder abgetaucht. Dabei hatte ich eigentlich nur einen Disput mit meinem ehemaligen Manager, Gordon Mills. Er hatte 'Nothing Rhymed', 'Get Down' und all meine Platten produziert. Aber irgendwann ließ der Erfolg nach. Also meinte ich zu ihm: 'Warum erlaubst du mir nicht, mit einem amerikanischen Produzenten zu arbeiten – so, wie es Rod Stewart getan hat?'. Aber Gordon lehnte ab und unsere Beziehung wurde immer schlechter. Bis ich ihm ein Ultimatum stellte: 'Wenn du mir nicht entgegenkommst, beende ich unser Arbeitsverhältnis.' Das habe ich getan. Und da wir uns zum Abschied die Hand gegeben haben, hielt ich es für eine freundschaftliche Trennung. Zumal er mir ausstehende Tantiemen von 1970 bis 1973 versprach. Er meinte, ich solle einfach zum Chef meiner Plattenfirma gehen, und es würde alles geklärt. Doch als ich dort aufschlug, hieß es, ich hätte mich von Gordon abgewendet und würde nichts bekommen.
Daraus entwickelte sich ein Rechtsstreit, der zunächst ganz klein war und dann richtig groß wurde. Er hat bis 1982 gedauert – fünf Jahre - und mich komplett in Beschlag genommen. Natürlich habe ich in der Zeit weiter gearbeitet, aber die Songs waren halt nicht so toll, weil ich gedanklich woanders war. In den späten 80ern, als alles überstanden war, habe ich einen Vertrag mit einer deutschen Plattenfirma namens Teldec abgeschlossen. Der Chef des Labels war in den frühen 70er mein Tourmanager und der Deal, den er mir anbot, war fantastisch. Ich habe dann das Album 'Forbisher Drive' gemacht, das den Hit 'So What' enthielt. Ein gutes Stück. Und sie ahnen schon, was als nächstes passiert ist: Teldec ging unter.

Erfolge auf dem japanischen Markt

Anders: Und seitdem konzentrieren Sie sich auf den japanischen Markt?
O'Sullivan: In den letzten Jahren war das mein bester Markt. Sie haben etliche Alben von mir veröffentlicht, die nirgendwo anders erschienen sind. Außerdem haben sie ein paar gute Compilations zusammengestellt. Etwa mit alten B-Seiten, meinen besten Liebesliedern und so weiter. Deshalb werde ich da im November wieder touren. Wir sind da alle 18 Monate unterwegs.

Anders: Sie haben also nie aufgehört, Musik zu machen?
O'Sullivan: Richtig. Und dabei habe ich festgestellt, dass meine Generation von Songwritern langsam etwas verliert. Wenn ich mir zum Beispiel das letzte Album von Paul Simon anhöre, dann hat er zwar einen faszinierenden Sound, aber es fehlen die Melodien. Und das gilt nicht nur für Paul, sondern auch für Ray Davies. Deshalb habe ich eine harte, aber effektive Methode entwickelt, um dem entgegenzuwirken: Wenn nötig, sitze ich acht Stunden am Klavier - fünf Tage die Woche, vier Wochen im Monat. Wenn es das ist, was mir gute Melodien beschert, tue ich das. Und ich warte bis kurz vor den Aufnahmen, ehe ich mich an die Texte mache. Einfach, damit sie frisch sind. Das ist eine gute Disziplin – und die braucht man.
Anders: Hand aufs Herz: Was halten Sie von der heutigen Popmusik?

O'Sullivan: Wenn mir Nachwuchskünstler ihre Demos schicken, um meine Meinung zu ihren Sachen zu hören, ist die Klangqualität meistens sehr gut: Das Schlagzeug ist toll und die Gitarren ebenso. Was aber fast immer fehlt, ist der Song. Meiner Meinung nach hat das mit Rappern wie Jay-Z zu tun. Ihre Platten haben zwar einen unglaublich guten Drum-Beat, doch in puncto Melodie geben sie mir nichts. Und bei den meisten jungen Musikern liegt der Fall ähnlich. Dabei ist das die Basis guter Songs. Es ist keine Wissenschaft, sondern man muss einfach mit einer guten Melodie und einem guten Text aufwarten.
Ein Image, das keiner mochte
Anders: Ihr Erfolg in den 70ern basierte allerdings nicht allein auf ihrer Musik, sondern auch auf ihrem Aussehen: Schiebermütze, Shorts, Topfhaarschnitt. Was hatte es damit auf sich?
O'Sullivan: Eine Menge Leute haben sich über mein Image lustig gemacht. Es hat wirklich keiner gemocht - weder die Plattenfirma noch mein Manager. Der einzige, dem es gefiel, war ich - und ich wollte halt nicht so langweilig aussehen wie James Taylor und alle anderen. Hinzu kommt: Wenn ich mir die Fotos aus der Zeit anschaue, muss ich sagen: Aus heutiger Sicht wirke ich durchaus modisch. Kurze Frisuren sind ja wieder angesagt. Insofern war ich meiner Zeit voraus.

Anders: Gleichzeitig waren Sie auch ein ziemlicher Saubermann, der Traum aller Schwiegermütter. Stimmt es, dass Sie nie auf Partys gegangen sind und nie über die Stränge geschlagen haben?
O'Sullivan: Bei mir wurde es nie wirklich verrückt – weil ich das nicht zugelassen habe. Weil ich keine Zeit dafür hatte. Als ich meinen ersten Erfolg mit 'Nothing Rhymed' hatte bin ich zwar zu TV-Shows nach Deutschland und Holland geflogen, war aber stets am selben Abend wieder zu Hause. Und ich habe zunächst auch keine Tourneen unternommen. Ich meine, wie viele Künstler, die solchen Erfolg haben, gehen zwei Jahre nicht auf Tour? Solange hat es gedauert, bis es dazu kam. Was aber auch bedeutet, dass mich die Verrücktheit der 70er nicht tangiert hat. Denn ich bin nicht nach Amerika gegangen, sondern habe mich ausschließlich in Europa bewegt. Und ich hatte ein nettes Haus, wo ich gerne war. Viel lieber als auf Partys. Klar, hatte ich Freundinnen. Und sobald mein Haar länger wurde, waren es auch mehrere. Aber alles andere war nicht mein Ding. Deswegen habe ich mich auch nicht darin verloren. Ich bin einfach Mr. Normal.
Anders: Haben Sie dann auch wieder Ihren eigenen Spiegel im Gepäck – eine Macke, die Ihnen nachgesagt wird?
O'Sullivan: Das ist Schnee von gestern. Der Grund, warum ich das mal gemacht habe, ist der, dass Spiegel nie lügen. Und wenn man in einen schaut, will man halt gut aussehen. Aber manchmal sind die Spiegel in Hotelzimmern so unvorteilhaft angebracht, dass das unmöglich ist. Hast du hingegen deinen eigenen dabei, kannst du ihn so positionieren, dass du zumindest OK aussiehst. Und das habe ich lange getan. Aber in den letzten Jahren hat sich das erübrigt, denn die Hotels, in denen wir auf Tour übernachtet haben, hatten gute Spiegel-Positionen.
Der Sänger Gilbert O'Sullivan; Aufnahme aus den 1970er Jahren
Der Sänger Gilbert O'Sullivan; Aufnahme aus den 1970er Jahren© imago/United Archives International
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