Förster im Klimawandel

Den Wald studieren, um ihm zu helfen

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Das Bild zeigt die Hände eines Försters, die durch Borkenkäfer befallene Rinde halten.
Der Klimawandel erfordert mehr denn je eine regelrechte "Waldpolitik" - und studieren kann man dieses Teilfach in Rottenburg am Neckar. © picture alliance / Andreas Arnold
Von Uschi Götz · 22.10.2019
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Deutschland hat elf Millionen Hektar Wald. Doch Stürme und Hitze setzen dem Forst zu. An den Hochschulen - etwa in Rottenburg am Neckar - lehrt und lernt nun eine neue Generation, die den Wald nicht länger nur als Holzquelle begreift.
Um die Borkenkäferplage einzudämmen, müssen in vielen Wäldern zurzeit große Mengen an Schadholz abtransportiert werden. Dürre, Hitze und Käfer haben den Wäldern zugesetzt, Fachleute sprechen von einer Katastrophe.
"Ich denke, dass die Debatte zu emotional ist", findet Marco Wieber. Er ist 25 Jahre alt und studiert im zweiten Master-Studiengang Forstwirtschaft. Mindestens sieben Jahre dauert das Studium mit einem hohen praktischen Anteil. Strategisches Forstbetriebsmanagement und Führung etwa wird gelehrt, auch strategische waldbauliche Steuerung stehen auf dem Lehrplan.
"Da gibt es Forderungen, die ganz extrem sind. Manche Leute wollen, dass Waldflächen stillgelegt werden, gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Holz, weil jeder gern Holzmöbel hat. Medial werden die extremen Standpunkte beleuchtet, aber die Wahrheit liegt dazwischen."

Der Bestsellerautor und Förster Peter Wohlleben etwa kritisiert schon lange die in Deutschland betriebene Forstwirtschaft: Diese führe zu instabileren Waldsystemen, so seine Kritik. An der Hochschule verfolgt man die Thesen Wohllebens mit Interesse, denn der Waldexperte hat einst auch in Rottenburg studiert.

Nah dran sein an den Jahreszeiten

"Wenn man sagt, man will Försterin werden oder man beschäftigt sich viel mit dem Wald, kommen viele Fragen", sagt Franziska Reichenbach. Sie studiert im siebten Semester Fortwirtschaft und auch sie will Försterin werden. Ungeachtet der aktuellen Diskussion ist das ihr Traumberuf. Schon immer wollte sie etwas draußen in der Natur machen, erzählt die 23-jährige Studentin: "Nah dran sein an den Jahreszeiten, dem Klima. Deshalb habe ich das Studium angefangen."
Fünf Studierende der Forstwirtschaft sitzen an diesem Vormittag auf einer Holzbank mit Blick auf ihre Hochschule. Der Campus liegt eingebettet in Wäldern auf einer Höhe bei Rottenburg am Neckar und gilt als "die kleinste Exzellenzhochschule Deutschlands". Neben Forst- und Holzwirtschaft kann man hier unter anderem Ressourcenmanagement Wasser, Erneuerbare Energien studieren. Die Studienplätze sind begehrt, zehn Prozent mehr Bewerber für das Wintersemester gab es im Vergleich zum Vorjahr. "Das sind wache, politisch interessierte junge Leute," sagt Christoph Schurr, Professur für Forst- und Umweltpolitik, Umweltrecht: "Weil sie sagen: 'Das ist unsere Zukunft, wir wollen jetzt mitgestalten. Ihr habt das offensichtlich zu wenig getan."

Zum Wald gehört nun auch die Waldpolitik

In der Lehre hat man sich darauf eingestellt, etwa im Fach "Politik-Wald" werden Themen diskutiert, die durch den Klimawandel auch gesellschaftspolitische Relevanz erfahren haben. Die Studierenden spüren den Druck, man diskutiere viel untereinander auch mit den Dozenten. Doch als Weltretter sehen sie sich nicht. Jeder rede mittlerweile mit, sagt Susi Herzel: "Aber da müssen wir unseren Mann und unsere Frau stehen, und das können wir alle ganz gut. Wir sind alle super ausgebildet. Von daher glaube ich auch, dass man mit der Bevölkerung gut darüber diskutieren kann, was wir machen. Klar, es gibt nicht den richtigen Weg, aber wir versuchen immer den im Moment passendsten Weg zu gehen."
Ins Berufsleben gestartet war diese junge Frau aus Sachsen-Anhalt mit einer Ausbildung zur Buchhändlerin. Doch das war nicht ihr Ding, jetzt ist sie am richtigen Platz, sagt sie. Sobald sie ihren Master hat, will sie in der Forstverwaltung arbeiten. Über das Junge Netzwerk Forst oder in der Studentenorganisation International Forestry Students' Association sind die künftigen Försterinnen und Förster gut vernetzt. Natürlich sei überall erkennbar, dass viele Bäume abgestorben sind, sagt Master-Student Raphal Gaß, doch Panik sei nicht angebracht: "Wir haben ein Problem, wir müssen was machen, aber es ist nicht hoffnungslos."

Die Chance, einiges wieder gerade rücken zu können

Alle wollen sie später als Försterinnen und Förster arbeiten, die einen im Revier, die anderen in der Verwaltung. Fahim Maqsudi, im zweiten Master-Semester, fasst die Stimmung unter den Studierenden zusammen: "Meiner Meinung nach ist das im Moment ein großer Hype um den Wald. Der kriegt jetzt eine ganz große mediale Aufmerksamkeit. Für uns Förster ist es im Prinzip eine Chance, eine Chance, unsere Meinung kundzutun und uns auch ein bisschen in den Mittelpunkt zu stellen - und alles, was in der Vergangenheit ein bisschen schief gelaufen ist wieder gerade rücken zu können."
An Arbeit wird es dem Nachwuchs nicht fehlen. Rund 800 Millionen Euro wollen Bund und Länder ausgeben, um rund 180.000 Hektar geschädigte Waldfläche wieder aufzuforsten. Das entspricht etwa 250.000 Fußballfeldern.
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