Cornelia Bührle ist katholische Ordensschwester des Sacré-Coeur und Volljuristin. Sie arbeitet für die katholische Kirche in Bremen als Beauftragte für Migration und Integration Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sie sich beruflich – national wie international – mit Flüchtlingsfragen.
1993-2003 fungierte sie als Beauftragte für Migrationsfragen des damaligen Kardinal-Erzbischofs von Berlin, Georg Maximilian Sterzinsky, von 2003-2007 arbeitete sie auf EU-Ebene in Brüssel beim Europa-Büro des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes.
Ehrenamtlich war sie von 1998-2007 Beraterin des Governing Committee der International Catholic Migration Commission/ICMC, von 2004-2007 Mitglied der Arbeitsgruppe "Migration" der Kommission der katholischen Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft/ComECE und von 2006-2008 Beraterin der Bischöflichen Kommission für Migrationsfragen der Deutschen Bischofskonferenz. Seit 2000 ist sie Mitglied der Katholischen Zentralstelle für Entwicklungshilfe e.V./KZE.
Für ein humanitäres Visum
Mit Militäreinsätzen gegen Schlepper lässt sich die Flüchtlingstragödie nicht lösen, so Cornelia Bührle. Die Migrationsbeauftragte der katholischen Kirche Bremen plädiert vielmehr dafür, die Möglichkeiten für eine legale Einreise nach Deutschland und Europa auszubauen.
Tausende Tote wurden bereits geborgen, oft angeschwemmt an den Küsten des Mittelmeeres. Doch ungezählt ist die Zahl der Toten, die nicht geborgen werden. Soll das Mittelmeer für Flüchtlinge aus Kriegs-, Bürgerkriegs- und Krisengebieten auch weiterhin zum "Massengrab" werden?
"Natürlich nicht!", lautet die Antwort der Europäischen Union. Und deshalb hat die EU-Außenbeauftragte Militäreinsätze gegen Schlepperbanden im Mittelmeer angeregt.
Falls es zutrifft, dass der so genannte "Islamische Staat" inzwischen in das lukrative Geschäft eingestiegen ist, wären entsprechende Militäreinsätze völkerrechtlich immer noch problematisch, allerdings sicherheitspolitisch insoweit sinnvoll, als dieser oder anderen Terrororganisationen Geldquellen abgeschnitten würden.
Doch an den Fluchtursachen würde sich dadurch gar nichts ändern. Schon vor Jahrzehnten lautete die Parole in einem internen Papier des Bundesinnenministeriums: "Fluchtursachen bekämpfen!" Politisch Verantwortliche in Deutschland haben dieses Papier jetzt entweder ausgegraben oder meinen, nun selber das Gelbe vom Ei gefunden zu haben.
Sollte die Mittelmeerroute abgeschnitten werden können, würden sich die Flüchtlinge und mithin auch die Schlepper einfach nur andere Routen suchen, wie wir aus den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte wissen. Wie wäre es mit Flüchtlingen, die zum Beispiel auf den ostfriesischen Inseln anlanden? Der Weg wäre lediglich länger und noch teurer.
Aufnahme-Kontingente erweitern
Die Fachwelt ist sich einig: Gegen illegale und lebensgefährliche Fluchtwege hilft vor allem, die bislang kaum vorhandenen Möglichkeiten für eine sichere und legale Einreise nach Europa auszubauen. Das würde bedeuten, die Aufnahme-Kontingente für Flüchtlinge zum Beispiel aus dem Irak und Syrien zu erweitern und die Familienzusammenführung zu verbessern.
Vor allem aber sollte auch ein so genanntes humanitäres Visum eingeführt werden. Es würde zur Einreise in ein Asylland berechtigen, wo dann ein Asylantrag gestellt werden kann. Solch ein "humanitäres Einreisevisum" kann natürlich nur dort beantragt werden, wo Flüchtlinge einen ungefährdeten Zugang zu EU-Botschaften oder Konsulaten haben. Und es müsste ausgestellt werden, wenn die Fluchtgründe des Antragstellers im Zielland eine hohe Anerkennungsquote haben.
Für die Reisekosten hätten die Schutzsuchenden selbst aufzukommen. Die Kosten wären erheblich niedriger als die horrenden Zahlungen an Schlepperbanden.
Gegen die Einführung humanitärer Visa werden vorrangig administrative Schwierigkeiten angeführt. Die diplomatischen Vertretungen müssten nämlich personell verstärkt werden. Doch bislang hat noch niemand die Höhe eines zusätzlichen Personalaufwandes publik gemacht und erst recht nicht auf die Rettung von Menschenleben gegengerechnet.
Übrigens: Zur Zeit der real existierenden DDR hießen jene, die heute "Schlepper" genannt werden, "Fluchthelfer". Und die "illegale Republikflucht" kostete jeden DDR-Republik-Flüchtling zwischen damals 20.000 und 30.000 Deutsche Westmark. Die reine christliche Nächstenliebe war das wirklich nicht.