Flucht und Asyl im Podcast

Wer erzählt wessen Geschichte?

29:30 Minuten
Ein Zimmer in einem Abschiebegefängnis mit einem Tisch und einem Bett vor einem vergitterten Fenster.
Der Podcast "Enthüllt" erzählt, wie Geflüchtete in Deutschland ohne Rechtsgundlage inhaftiert werden. © imago images / Michael Schick
Von Anna Bühler, Heiko Behr, Sebastian Dörfler und Carina Fron · 23.10.2020
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Der Podcast "Enthüllt" versucht, mit prominenten Sprecher*innen einem breiten Publikum die Themen Racial Profiling und Abschiebehaft näher zu bringen. Vor welchen Schwierigkeiten stehen Podcasts, wenn sie Geschichten über Flucht erzählen?
Unterhalten und gleichzeitig Aufklären - dieser Aufgabe hat sich der neue Podcast "Enthüllt" von Audio Now gestellt. Es ist der erste fiktionale Podcast der Plattform. Die Geschichte dreht sich um die Journalistin Nora Mertens. Auf der Suche nach einer skandalträchtigen Geschichte trifft sie auf die Geflüchtete Adessua, die mit ihrem Kind aus Nigeria geflohen ist und nun in Deutschland im Gefängnis sitzt.
Bei dem Versuch, Adessua zu helfen, recherchiert die Journalistin, wie Beamte Menschen an den Grenzen aufgrund ihres Aussehens kontrollieren ("Racial Profiling") und Geflüchtete wegen angeblicher Fluchtgefahr ins Gefängnis sperren.

Blockbuster für die Kopfhörer

Der neunteilige Audio-Thriller wurde von wahren Begebenheiten inspiriert. Drehbuchautor und Regisseur ist Kim Frank, der ehemalige Sänger der Band "Echt". Beim Schreiben habe er sich von einem befreundeten Asylrechtsanwalt inspirieren lassen. Deshalb würden "alle Fakten, die im Podcast erzählt werden, stimmen", sagt Frank im Gespräch. Aber die frei erfundene Rahmengeschichte erlaube es, mehr Spannung in die Geschichte zu bringen. Immerhin solle der Inhalt ein breites Publikum erreichen.
Bei der Erzählperspektive konzentriert sich Kim Frank auf seine Sicht – und explizit nicht auf die der Geflüchteten Adessua: "Ich finde, das steht mir auch nicht zu als weißem deutschen Mann. Natürlich versuche ich, einen Einblick in ihre Fluchtgeschichte oder Fluchtgründe zu geben, aber ich habe mich ganz klar entschieden, die Perspektive der Investigativjournalisten auch als Autor einzunehmen."

Die Stimmen Geflüchteter fehlen

Der Vorteil von solchen fiktionalen Geschichten ist es, dass auch Geschichten erzählt werden können, die es so in dokumentarischen Formaten nicht zu hören gibt.
Die Sprachbarriere, aber auch die Angst, das eigene Asylverfahren zu gefährden, seien mögliche Gründe dafür, warum Geflüchtete sonst ungerne vor das Mikrofon treten würden, erzählt Schiwa Schlei. Ihre Perspektive sei in den Medien immer noch viel zu selten zu hören.
Die Journalistin und Chefin von dem WDR-Radioprogramm Cosmo hat unter anderem das "Refugee Radio" ermöglicht. Hier werden werktäglich Nachrichten auf Arabisch und Englisch ausgestrahlt.
Schiwa Schlei glaubt auch, dass der fiktionale Podcast Menschen für Fluchtgeschichten begeistern könne, die ansonsten der Thematik eher kritisch gegenüber stehen würden. Auf ein Problem weist sie dennoch hin: "Ich glaube, das größte Problem sind Stereotypen. Ich finde, das kriegt man jetzt schon mit, wenn man sich die fiktionalen Inhalte anguckt."

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