Florian Werner liest Musik

Männer und Micky-Mäuse

Modern Dance Performance: ein Mann vor einem großen gelben projektierten Fleck
Was macht eigentlich einen Mann aus? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Titelstück des neuen Albums der Band Der Mann. © AFP / Timothy A. Clary
Von Florian Werner · 05.03.2015
Hinter der Gruppe Der Mann verbirgt sich die Berliner Band Die Türen, ergänzt um den Maler Helmut Kraus, der für die künstlerische Gestaltung von Plattencover und Bühne zuständig ist, und eine Kölner 3D-Animationsfirma, die die Musikvideos betreut. Das erste, jüngst erschienene Album der Band trägt den Titel "Wir sind der Mann". Das programmatische dritte Stück darauf ist mit "Ich bin ein Mann" überschrieben. Florian Werner hat es gelesen.
Wer oder was ist ein Mann? Viele Jahrtausende lang stellte sich diese Frage überhaupt nicht: Der weiße, heterosexuelle Mann galt als unangefochtenes Macht- und Sinnzentrum der patriarchalen Welt. Doch seit einiger Zeit ist die Männlichkeit massiv in die Krise geraten − die amerikanische Autorin Hanna Rosin verkündete unlängst, in ihrem gleichnamigen Bestseller, sogar „Das Ende der Männer“. Höchste Zeit für eine Bestandsaufnahme: Was kennzeichnet den Mann von heute?
Was mich am Fisch stört – sind die Gräten
Was mich am Fleisch stört – ist der Knochen
Was mich am Apfel stört – ist der Kern
Was mich am Ei stört − ist das Weiß
Maurice Summen, Texter und Sänger der Gruppe Der Mann, hat zwar viele Antworten parat – aber diese liefern bestenfalls eine Negativdefinition: Ein Mann ist demzufolge jemand, der mit den Dingen um sich herum unzufrieden ist. Ein Nörgler und Nerver, der an allem und jedem etwas auszusetzen hat.
Was mich an Begräbnissen stört – ist der Tod
Was mich am Winter stört – ist die Kälte
Was mich am Papst stört – ist das Heilige
Was dabei auffällt: Es sind nicht gerade Kleinigkeiten, die dem Sprecher aufstoßen, mit Aristoteles könnte man sagen: nicht die Akzidenzien. Was ihn stört, ist die Substanz, das Wesenhafte, der Kern der kritisierten Gegenstände und Ereignisse. Ohne Knochen gäbe es kein Fleisch, ohne Tod kein Begräbnis. Die einzig positive Bestimmung des Textes enthält der Refrain:
Ich bin ein Mann
Ich bin ein Mann
Da der Sprecher jedoch zuvor das Wesen der Dinge grundsätzlich in Frage gestellt hat, muss auch diese Aussage hohl und kernlos tönen. „Ich bin ein Mann“ – das ist leicht gesagt, aber schwer mit Inhalt gefüllt. Das Einzige, was zu tun bleibt, ist, diesen Satz und die in Frage stehende Worthülse mit kindlicher Beharrlichkeit zu wiederholen:
Ich bin ein Mannmannmannmannmannmann
Ich bin ein Mann
Mannmannmannmannmann – das Geschlecht, das doch eigentlich definiert und besungen werden sollte, wird hier zur Fluchformel degradiert, zum Ausruf adoleszenter Machtlosigkeit: Ach Menno. Ach Mann. Am Ende des Songs wird die Stimme des Sprechers entsprechend höher, jünger, heliumlastiger.

Ich bin ein Mann
Wer heutzutage vollmundig verkündet, dass er ein Mann sei, so scheint die Stimme sagen zu wollen: Der ist kein Mann. Der ist eine Micky-Maus. Eine Karikatur.
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