Florian Werner liest Musik

Ein Pop-Klassiker auf Wienerisch

Eine "Venus im Pelz" frei nach Sacher-Masoch besingen die Wiener Buben im Pelz.
Eine "Venus im Pelz" frei nach Sacher-Masoch besingen die Wiener Buben im Pelz. © picture alliance / dpa / Konrad Giehr
Von Florian Werner · 23.07.2015
Die Wiener Band "Die Buben im Pelz" haben auf ihrem Debüt einen Klassiker der Popgeschichte ins Wienerische übertragen: Das Album "The Velvet Underground & Nico" aus dem Jahr 1967. Der Song "Venus im Pelz" nimmt Bezug auf die gleichnamige Erzählung von Leopold Sacher-Masoch.
Schatzi, Schatzi, Schatzi, kumm zu mir her,
Halt mi fest, Du musst nur woll’n,
Nimm ein Zug von dera Zigarett’n,
Leg di hin und lass di fall’n
Ein Mann, der Befehle gibt – eine Frau, die gehorcht. Die Konstellation erinnert an den Blümchenpornobestseller Shades of Grey, in dem ein sado-masochistisches Verhältnis beschworen wird. Sie erinnert auch und vor allem aber an den Urtext des Genres, der dem Song zudem seinen Namen gibt: an die 1870 erschienene Novelle "Venus im Pelz" des österreichischen Autors Leopold von Sacher-Masoch.
Schau die Glut von dera Zigarett’n,
Wie sie leuchtet in der Nacht,
Zungen zucken, Kratzer auf mei’m Rücken,
Königin, du hast die Macht
Die Novelle handelt von einem unseligen jungen Mann namens Severin, der sich in eine mysteriöse Witwe verliebt, die sich gern in kostbares Tierhaar hüllt: Sie, Wanda, wird zu seiner Venus im Pelz. Als Severin klar wird, dass er die Liebesgöttin auf normalem Weg nicht halten kann, verpflichtet er sich dazu, ihr in allen Dingen zu gehorchen − ein Vertrag, den Wanda lustvoll zu physischen und psychischen Misshandlungen ausnutzt.
Siechst den Herrn dort hinten in der Eck’n?
Satan, Satan, er woart’ auf di!
Allerdings beziehen sich die Buben im Pelz nicht auf den Sacher-Masoch’schen Urtext − sie dichten vielmehr sehr frei einen Song nach, den der Velvet Underground-Sänger Lou Reed vor einem halben Jahrhundert auf Basis des Originals verfasste. Im Zuge dieses Kulturtransfers schleicht sich sogar der Katholizismus wieder zum Hintertürchen herein: Wo die Buben "Satan" singen, steht bei Reed schlicht "Severin" − der liebende Mann wird zum Teufel umfrisiert.
Velvet Underground, "Venus in Furs": Severin, Severin awaits you there
Ein österreichischer Autor kehrt mit Umweg über das amerikanische Englisch wieder in sein heimatliches Idiom zurück: Willkommen in der Echokammer der Intertextualität. Willkommen aber auch in der sado-masochistischen Folterkammer, wo nicht einmal der Schlaf noch Erlösung bringen kann. "Oh, es soll eben nie ein Ende nehmen", wie schon der Ur-Severin seiner Wanda zuruft: "Wenn du nicht mein sein kannst, so will ich dein Sklave sein, dir dienen, alles von dir dulden".
I bin damisch, i bin schwindlig,
schlaf gleich für tausend Jahr,
Tausend Träume, alle grindig,
Tausend Farben und alle rot.
Im Original wird Severin schließlich doch von seiner Neigung "geheilt"; er wird selbst zum Folterer. Bei den Buben im Pelz ist eine solche Therapiemöglichkeit nicht vorgesehen. Benebelt von der eingangs gerauchten "Zigarett’n" versinkt der Sänger in einen endlosen halluzinogenen Taumel, in der Farbe der Liebe und des Bluts. Ein Albtraum. Der Tod − das wusste schon Georg Kreisler – das muss ein Wiener sein. Aber, das wissen wir dank der Buben im Pelz: Er spielt nicht Geige, sondern elektrische Gitarre.
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