Florian Klenk: "Bauer und Bobo"

Mittendrin im Elend des modernen Almbauern

14:34 Minuten
Zwei Männer stehen zwischen Kühen auf einer Almwiese.
Bauer Bachler und "Bobo" Klenk auf der Alm: Klenk habe keine Ahnung von der bäuerlichen Gesellschaft, schimpfte Bachler. © Peter Haselmann
Florian Klenk im Gespräch mit Andrea Gerk* · 29.09.2021
Audio herunterladen
In seinem Buch "Bauer und Bobo" schildert Florian Klenk, wie aus einem Zerwürfnis Freundschaft wurde, aus Abneigung Vertrauen. Er erklärt, wieso es sich lohnt, mit Leuten zu sprechen, die eine andere Meinung haben. Und wie er einen Bergbauernhof gerettet hat.
Es war ein Streit zwischen Stadt und Land, zwischen einem Bauer und einem Chefredakteur. Aber ein Streit mit einem Happy End. Angefangen hat alles damit, dass eine deutsche Touristin in Österreich von einer Kuh attackiert wurde und dabei gestorben ist.
Die Hinterbliebenen haben Schmerzensgeld und eine Rente eingeklagt und haben gewonnen, weil der Bauer auf die Kuh nicht ordentlich aufgepasst hat. Dieses Urteil hat die Bauernlobby sehr aufgeregt, sie sahen das Ende der Almwirtschaft gekommen.
Florian Klenk, Chefredakteur der Wochenzeitung "Falter", hat das Urteil in einer Talkshow verteidigt. Und hatte kurz darauf zum ersten Mal Kontakt mit dem Bauern Christian Bachler, der den höchstgelegenen Bauernhof der Steiermark bewirtschaftet.

Wutvideo im Schweinestall

Wenn auch erst mal indirekt: "Er hat sich so über mich aufgeregt, dass er sein Handy genommen hat, sich in seinen Schweinestall hineingestellt hat und ein Wutvideo aufgenommen hat, das auf seiner Facebook-Seite 250.000 Menschen wahrgenommen haben", sagt Klenk über Bauer Bachler.
In diesem Video beschimpft Bachler Klenk als "Oberbobo", also feines Bürgersöhnchen. Aber er bietet ihm auch an, ein Praktikum auf dem Bauernhof zu machen. "Damit ich mal sehen kann, wie das Landleben in Österreich wirklich ausschaut, weil ich Schnösel fahre nur in die Toskana und habe keine Ahnung von der bäuerlichen Gesellschaft. Und außerdem hätte ich auch noch nie Existenzangst gehabt", sagt Klenk.
Chefredakteur Klenk nimmt die Einladung zum Praktikum an und ist auf einmal mittendrin im Elend des modernen Almbauern.

"Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit"

Das Leben von Christian Bachler sei exemplarisch, sagt Klenk: "Weil er ein Bauer ist, der in den 90er-Jahren und in den 2000er-Jahren massiv Geld investiert hat, so wie man es ihm in der Landwirtschaftsschule gesagt hat. Man hat gesagt, du musst wachsen. Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Du musst viele Kühe produzieren, du musst mit dem chinesischen Markt mithalten, mit den Weltmärkten. Nur so wirst du erfolgreich sein. Und dann hat er sehr viel Geld in Kreditform aufgenommen von der Raiffeisenbank, hat sich verschuldet."
Dann hätten den Bauern Bachler die Milchpreiskrise und der Preisverfall getroffen, berichtet Klenk. "Dann kam eine Änderung der Subventionspolitik für die Bergbauern durch die Europäische Union. Dann kamen Depressionen dazu, weil er dort allein lebt, weil es sehr schwierig ist, eine Frau zu finden. Dann kam das Burn-out, und auf einmal steht dieser Bachler so wie viele alleinstehende Bauern in den Alpen alleine da, mit wahnsinnig viel Schulden", sagt Klenk.

Rettung durch Crowdfunding

Am Schluss waren die Schulden so hoch, dass die Bank den Hof versteigern lassen wollte. Und da hat Klenk, der Chefredakteur, der über einen Streit mit dem Bauern Bachler zusammengekommen ist und durch das Praktikum und das gemeinsame Leben auf dem Hof zu einem Freund geworden ist, eine Crowdfunding-Aktion gestartet.
"Da ist eine Allianz entstanden aus politisch völlig unterschiedlichen Bereichen: Liberale, Grüne, Konservative, Sozialdemokraten. Und innerhalb von 48 Stunden haben mehr als 12.000 Menschen über 400.000 Euro gespendet."
Und so endete die Geschichte vom "Bobo" Klenk und Bauern Bachler, die mit einem Streit begann, mit der Rettung des Almhofs.
(beb)
*Wir haben den Namen der Moderatorin korrigiert.

Florian Klenk: "Bauer und Bobo. Wie aus Wut Freundschaft wurde"
Zsolnay, Wien 2021
160 Seiten, 20 Euro

Mehr zum Thema