Fliegender Holländer ohne Pause und Happy End

Von Roger Cahn |
Mit Spannung wurde sie erwartet, die erste Inszenierung von Andreas Homoki. Als Intendant hat er hier in seinen ersten drei Monaten überzeugt, sein Regiekonzept für "Der fliegende Holländer" ist jedoch nicht über alle Zweifel erhaben.
Die Aufführung hat ihre großen Stärken: Auswahl der Sänger und Personenführung sind hervorragend. Die Beziehungsspiele zwischen dem am Reichtum des großen unbekannten interessierten Vater und dem nach innerer Erlösung strebenden Holländer, die Sehnsucht Sentas nach Vereinigung mit ihrem "Traummann" und schließlich der verzweifelte Rettungsversuch ihres Freundes Erik, mit dessen Jagdgewehr sich die Unglückliche am Ende erschießt, sind minutiös herausgearbeitet und auf Wagners emotionsstarke Musik optimal abgestimmt.

Das Konzept hingegen wirft Fragen auf: Homoki versteht den Holländer als afrikanischen Stammeshäuptling im Zylinder, der kommt, um sich an den ihre Länder kolonialisierenden und ausbeutenden Europäern zu rächen. Daland ist als erfolgreicher Reeder ein klassisches Exemplar dieser Spezies. So weit - so gut. Doch das Mysterium der Oper kommt zu kurz. Der Steuermann wird zum Bürochef im Kontor, die Amme Mary betreut nicht das Mädchen Senta sondern kommandiert die Sekretärinnen - das führt zu komischen Szenen, wenn die Beamten plötzlich auf die Musik der Seemannschöre zu schwanken beginnen wie auf einem Schiff oder die Sekretärinnen aufs Kommando "spinnt, spinnt!" Blätter in ihre Schreibmaschinen spannen.

Bei der Auswahl der Sänger beweist Intendant und Regisseur Homoki eine äußerst glückliche Hand. Bryn Terfel als Holländer und Anja Kampe als Senta - beide singen erstmals in Zürich - verfügen über große Farbpaletten in ihren Stimmen. Die Entwicklung ihrer Liebe im zweiten Akt zählt zu den schönsten Augenblicken des Abends. Die Spannung zwischen dem auf Gewinn orientierten Daland - Matti Salminen gestaltet diese Figur sowohl stimmlich wie auch darstellerisch überzeugend - und dem auf seine Erlösung oder Rache fokussierten Holländer bildet den roten Spannungsfaden zwischen den ohne Pause durchgespielten drei Akten.

Als Dirigent steht ein junger Franzose am Pult: Alain Altinoglu. Er führt den Abend wie ein erfahrener Kapellmeister, bleibt möglichst nahe bei der Partitur und ist den Sängern wie dem Chor eine sichere Stütze - auch in schwierigen Momenten. Was ihm vielleicht fehlt, ist ein eigener, spürbarer Zugriff auf Wagners Musik. Das kann durchaus auch eine Stärke sein.

Fazit: Andreas Homokis erste Inszenierung am eigenen Haus in Zürich erweist sich als überzeugendes Sängerfest mit einigen eindrücklichen Bildern.
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