Lebensmittel aus dem Labor
Alles, was aus Hackfleisch hergestellt wird, gibt es inzwischen schon aus dem Labor. (Symbolbild) © picture alliance / dpa / Friso Gentsch
„Wir reden über echtes Fleisch“
09:13 Minuten
Bratwurst, Burger-Patties oder Chicken Nuggets können schon jetzt im Bioreaktor hergestellt werden. Noch sind es kleine Mengen und es gibt kaum Zulassungen. Ändert sich das, könnte das den Fleischsektor und unsere Ernährung revolutionieren.
Fleisch aus dem Labor – das ist kein veganer Nachbau von Fleisch, sondern Fleisch aus tierischen Eiweißen. „Wir reden über echtes Fleisch“, sagt auch Nick Lin-Hi, Professor für Wirtschaft und Ethik an der Universität Vechta und spezialisiert auf kultiviertes Fleisch und die Zukunft der Ernährung. „Es sieht genauso aus, es riecht so, es schmeckt so wie das Fleisch, das wir heute kennen. Es gibt beim Fleischkonsum der Zukunft dann auch keinen Verzicht mehr.“
Wie genau funktioniert diese sogenannte in-vitro-Technologie? „Das Ganze fängt an mit einer tierischen Zelle, die wird einem Tier per nahezu schmerzfreier Stanzbiopsie entnommen. Das Tier lebt danach weiter, und diese Zelle wird dann gewissermaßen in einen teilungsfreudigen Zustand versetzt“, erklärt der Experte für zukünftige Ernährung. „Sie teilt sich dann sie kommt in einem Bioreaktor hinein. Dort wird sie mit Nährstoffen, also mit Vitaminen, mit Aminosäuren und Co gefüttert, und daraus platzen dann Fleischfasern, und diese Fleischfasern können nach einigen Wochen geerntet werden.“
Das Steak lässt auf sich warten
Fleisch „ernten“, diesen Begriff benutzt die Branche ganz bewusst. Es gehe darum, ein Narrativ zu schaffen, das positiv aufgeladen sei, darum die Akzeptanz von Konsumierenden zu gewinnen, sagt Lin-Hi. Seit 2013 gehen die Forschungen voran. Damals wurde in den Niederlanden der erste kultivierte Burger präsentiert.
Inzwischen können laut Li-Hi sogenannte unstrukturierte Produkte wie Bratwurst, Burger-Patties oder Chicken Nuggets hergestellt werden. „Strukturierte Produkte wie Steak, das dauert noch ein bisschen länger.“ Alles bislang allerdings nur in kleinen Mengen.
Eine Zulassung für ein solches Produkt gibt es bislang nur in Singapur, in der EU ist aktuell noch kein Zulassungsverfahren angestrebt. Sollte sich das ändern, stünde der landwirtschaftliche Sektor vor einer umfassenden Transformation.
Große Umwälzungen in der Landwirtschaft
Nicht nur Fragen des Tierwohls stellt die Laborherstellung von Fleisch neu, auch die der Flächennutzung. „Bisweilen ist die Rede von 90 Prozent weniger Flächenverbrauch, den wir haben. Und damit haben wir in der Tat die Möglichkeit zu schauen, wie wir diese Flächen in Zukunft einsetzen können, also zum Beispiel für den Anbau von CO2-speichernden Pflanzen“, sagt Lin-Hi. „Man kann es auch anders formulieren, was wir hier haben, ist eine riesige Revolution. Und die große Herausforderung ist es, jetzt zu schauen, wie kriegen wir die Akteure aus dem heutigen System mit rein in die Zukunft, um ihnen zu zeigen, das auch dort spannende Geschäftsfelder liegen.“
Kritiker befürchten, dass große globale Unternehmen diese Art der Fleischproduktion übernehmen werden. Neben Gewinnern wird es sicherlich auch Verlierer geben, meint auch Lin-Hi, das sei Teil jedes gesellschaftlichen Veränderungsprozesses.
(cwu)