Flutkatastrophe im Ahrtal

Nichts aus dem Hochwasser gelernt

15:51 Minuten
Eine Brücke über einen Fluss. Die Brücke ist eingestürzt und endet abrupt.
Die Ruine der historischen Bogenbrücke über die Ahr in Rech sechs Monate nach der Flutkatastrophe. © picture alliance/dpa
Von Anke Petermann · 12.01.2022
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Ein halbes Jahr nach der Flutkatastrophe ist im Ahrtal die Schockwirkung verpufft. Jetzt dreht sich alles wieder um den Tourismus oder Eigenheimträume. Dabei müssten die Grundlagen geschaffen werden, um das nächste Hochwasser zu vermeiden.
Zerstörte Häuser, zerwühlte Uferlandschaften, Trauernde und Helfende: In unzähligen Fotos hat Hans-Jürgen Vollrath die Nachwehen der Flutkatastrophe festgehalten. Dabei ist er selbst betroffen, wie er am Rande eines Termins im schwer verwüsteten Altenahr erzählt. Im Hintergrund rattern schwere Baufahrzeuge durchs Tal.
Bis das Hochwasser anrollte, lebte das Ehepaar Vollrath im „Eichenweg“ von Bad Neuenahr. In einer Holzhaussiedlung der 1980er-Jahre mit baumbestandenem grünen Innenhof, in dem sich die neun Eigentümerfamilien oft trafen – „paradiesisch“, sagt der Fotograf.
Doch jetzt ist das Paradies zerstört, niemand kann hier vorerst wohnen. In das ufernahe Haus, von dem nur noch das Balkengerüst steht, will Vollraths Frau um keinen Preis zurückziehen.  

Das Bauen geht weiter

In der verwüsteten Holzhaussiedlung der 1980er-Jahre haben Schreiner die kaputten Fassadenbretter entfernt. Das angrenzende, halb fertige Neubaugebiet scheint zu ruhen. Doch neben den beiden Mehrfamilienhäusern im Rohbauzustand steht ein Kastenwagen mit der Aufschrift „Abdichtungen und Bedachungen“.
Der Investor Renum will den beschädigten Komplex mit den acht Eigentumswohnungen reparieren und weiterbauen, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Der Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung vom Bauverbot im Überschwemmungsgebiet liege der Genehmigungsbehörde vor, bestätigt am Telefon Joachim Gerke, Abteilungsleiter Wasserwirtschaft der SGD Nord. Bewilligt sei dieser Antrag aber noch nicht.
Nach dem Hochwasser 2021 hat die SGD Nord das Gebiet im neu kartierten Überschwemmungsgebiet als „besondere Gefahrenzone“ gelb schraffiert. Heißt: absolutes Bauverbot, ohne Ausnahme. Weil vor der Flutkatastrophe eine rechtskräftige Baugenehmigung vorlag, scheinen der Investor und die Stadt Bad Neuenahr eine Ausnahme aber immer noch für möglich zu halten.

Tourismusregion Ahr vor dem Aus?

Auf Anfrage schreibt die Pressestelle der Stadt: „Menschen müssen die Möglichkeit haben, in den flussnahen Bereichen zu leben. Ansonsten haben unser Tal und auch die Tourismusregion Ahr mittelfristig keine Zukunft. Eine sinnvolle und gefahrenbewusste Bebauung anhand von Hochwasserschutzkonzepten muss unser gemeinsames Ziel sein.“
Maßnahmen, die ein Anschwellen des Flusses dieser Dimension gezielt abfangen können, wünscht sich die Stadt. Ohne das explizit zu fordern, richtet sie diesen Wunsch vor allem an die Gemeinden, die an der mittleren und oberen Ahr liegen, also Richtung Quelle im Südwesten. Sie sollen dem Fluss mehr Überflutungsraum geben, sodass Bad Neuenahr besser vor reißenden Hochwassern geschützt ist.

Kein Elan beim Hochwasserschutz

Doch genau das Gegenteil passiert derzeit. Auch lange nach dem ersten Aufräumchaos läuft noch einiges schief, bemängeln die Naturschutzorganisationen NABU und BUND. Im Zuge der Extremflut waren an der Ahr neue Flussarme und Kiesbänke entstanden. Doch die würden jetzt wieder zusammengeschoben und teils begradigt, Ufer trapezförmig befestigt. Solche Trapezufer seien unter Hochwasser- und Artenschutz-Aspekten kontraproduktiv.
Eigentlich müssten jetzt Flächen bewahrt oder zurückgewonnen werden, die Wasser aufnehmen und speichern. Die seit acht Jahren existierende Hochwasserpartnerschaft des Kreises Ahrweiler mit den Anrainer-Gemeinden und dem Land Rheinland-Pfalz sollte das forcieren. Doch bis zur Flutkatastrophe passierte wenig. Und seither trafen sich die Akteure erst einmal, unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

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